Soll der Ball in der Fußball-Bundesliga wieder rollen? Nein!

Wahrscheinlich, so ist zumindest zu hören, wird Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch die Trillerpfeife erheben und die Fußball-Bundesliga nach knapp zweimonatiger Corona-Zwangspause wieder anpfeifen. Juhu. Oder doch nicht?

Für mich als Fan nicht, für mich hat sich der Fußball in den vergangenen Wochen demaskiert, er hat große Teile seines Zaubers verloren – und das hat mehrere Gründe. Da sind zunächst die Geisterspiele. Es werden Partien mit B-Jugend-Dorfplatz-Atmosphäre. Ohne lautstarke Unterstützung, ohne die Emotion von den Rängen. Aber das ist den meisten Klubs ganz gleich, denn sie brauchen ihre Fans längst nicht mehr in den Stadien. Die Einnahmen sind nicht mehr essenziell. Sie brauchen die Menschen vor den TV-Geräten, weil hier das ganz große Geld fließt. Würde die Saison abgebrochen werden, wären einige Profiklubs pleite, weil sie nicht nachhaltig gewirtschaftet haben, sondern all ihre zig Millionen Euros für viel zu teure Spieler und Berater ausgegeben haben. Dass diese von-der-Hand-in-den-Mund-Mentalität allerorts verbreitet ist, kommt nicht wirklich überraschend. Aber sie erklärt, warum es den Klubs so wichtig ist, die Saison fortzusetzen. Da geht es nicht um Unterhaltung für die Fans, nicht um die Ausübung des Sports. Es geht um Kohle, um den Selbsterhalt. Was hat dich bloß so ruiniert?

Der Fußball agiert zudem in der gesellschaftlichen Diskussion mit einer Hybris, die nur schwer zu ertragen ist. Kurzarbeit für Angestellte, Existenzsorgen für Unternehmer, geschlossene Kitas, dazu Bürger, die auf große Teile ihres sozialen Lebens, ihren Urlaub, ihre Familien verzichten müssen – der Fußball spielt auf dem Spannungsfeld des gesellschaftlichen Diskurses nur eine Nebenrolle, und das ist er nicht gewohnt. Die schönste Nebensache der Welt? Derzeit nicht. Er steht passiv im Abseits. Und bald aktiv? Die Vertreter der Liga und der Klubs heben ihren Sport weit übers erträgliche Maß hinaus. Es wird schwer, eine breite gesellschaftliche Akzeptanz für eine Fortsetzung der Liga zu finden. Und das treibt den Sport, der sich ohnehin in den vergangenen Jahren durch nicht mehr logisch vermittelbare Ablösesummen und Gehälter schon von der Basis gelöst hat, noch weiter davon.

Zumal allein in dieser Woche zwei Nebendarsteller des Bundesliga-Betriebs die Diskussion befeuert haben. Zunächst äußerte Kölns Birger Verstraete in einem TV-Interview seine Angst, nachdem herausgekommen war, dass zwei Mitspieler und ein Physiotherapeut positiv aufs Corona-Virus getestet worden waren. Er sei mit allen in Kontakt gewesen, sagte der Belgier, dessen Freundin eine Vorerkrankung hat. Er hatte Angst um sie und äußerte diese klar. Der Klub war darüber not amused, tags drauf schickte er eine Mitteilung in die Welt, in der Verstraete seine Aussagen abschwächte. Maulkorb statt Mundschutz. Das Problem der Branche: Bis dahin hatte es nur von außen Kritik an den Wiederaufnahme-Plänen der Liga gegeben. Jetzt kam sie erstmals auch von innen. Das darf nicht sein. Fall Nummer 1. Und dann kam Salomon Kalou.

Der Berliner Ersatzspieler filmte und übertrug ins Netz, wie die Abstandsregeln in der Hertha-Kabine ignoriert werden, wie ein unzureichend maskierter Physio einen Corona-Test bei einem Spieler durchführt und schließlich wie er sich mit einem Mitspieler darüber ärgerte, dass der Klub 15 Prozent Gehalt abgezogen hat. Kalou wurde umgehend suspendiert, hat aber das Signal in die Welt gesendet, das der Fußball derzeit nicht gebrauchen kann: Sie haben es nicht verstanden. Der Fußball ist längst nicht so wichtig, wie er von sich denkt.

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