Zu viele Regierungschefs sind aus parteitaktischen Gründen auf die Barrikaden geklettert

Auf den ersten Blick sieht das Ergebnis des EU-Gipfels aus wie eine Mischung aus Unvermögen und Arbeitsverweigerung: Die Regierungschefs haben sich weder auf ein neues Klimaschutzziel verständigt noch ein Personalpaket für die EU-Führungsjobs geschnürt. Ein Debakel? Nein. Kriegen die gar nichts gebacken in Europa? Doch.

Diesmal war es kein Fehler, Entscheidungen zu vertagen. Ein Blick auf das Thema Klimaschutz genügt: Mit einem raschen, verbindlichen Beschluss, die Wirtschaft in ganz Europa innerhalb von 30 Jahren klimaneutral zu stellen, war in Brüssel im Ernst überhaupt nicht zu rechnen. Es wäre ein gewaltiges Vorhaben, den Treibhausgasausstoß in Europa bereits bis 2050 netto auf null zu senken – also in erster Linie CO2 einzusparen.

Eiliger sind die Personalentscheidungen. Aber auch hier ist in Wahrheit niemand von der Vertagung überrascht. Zu viele Regierungschefs sind aus parteitaktischen Gründen auf die Barrikaden geklettert, von denen sie erst noch heruntersteigen müssen – allen voran Frankreichs Präsident Macron, der ein verwegenes Spiel spielt. Auch seinem Einfluss ist es zu verdanken, dass sich im EU-Parlament bisher keine Mehrheit für einen der Spitzenkandidaten gefunden hat, die Kommissionspräsident werden wollen. Noch aber laufen die Gespräche im Parlament.

CSU-Vize Manfred Weber, der zu Recht als Kandidat der stärksten Fraktion Anspruch auf das Präsidentenamt erhebt, hätte also noch eine Chance, „Mr. Europa“ zu werden. Die Frage ist nur, wie lange seine Partei hinter ihm steht. In Brüssel ließen sich Äußerungen von Kanzlerin Merkel so deuten, dass sie bereit sein könnte, Weber jetzt fallen zu lassen. Doch scheitert ­Weber, scheitern auch die anderen Spitzenkandidaten – die Tür wäre offen für jene Kungelei der ­
Regierungschefs, die mit der Europawahl beendet sein sollte. Die Wähler dürften sich verschaukelt fühlen.