Heute pflegen Merkel und Tsipras einen vertrauensvollen Umgang.

Kurzer Blick zurück: Bei kaum einem Thema flogen in Europa vor Jahren so die Fetzen wie bei der Debatte über den „Grexit“. Auf der einen Seite hielt Finanzminister Wolfgang Schäuble den Griechen eine Standpauke nach der anderen: Entweder radikaler Sparkurs oder „isch over“, drohte der Südbadener. Auf der anderen Seite keilte sein griechischer Amtskollege Yanis Varoufakis zurück. Ministerpräsident Alexis Tsipras zog bei dem Propaganda-Krieg die Fäden. Doch wenige Monate nach seiner Wahl 2015 machte der Premier eine wundersame Wandlung durch: Tsipras hielt sich mit polemischen Attacken zurück. Er setzte etliche Punkte aus dem von EU, EZB und IWF verlangten Reformkatalog um. Merkel revanchierte sich, indem sie drei Hilfspakete für Griechenland mit unterschrieb. Athen bekam Kredite in Höhe von insgesamt rund 289 Milliarden Euro, von denen – das muss der Fairness halber gesagt werden – vor allem die Banken in Deutschland, Frankreich und Italien profitierten. Den Preis bezahlte die griechische Bevölkerung, vor allem mit hoher Arbeitslosigkeit.

Heute pflegen Merkel und Tsipras einen vertrauensvollen Umgang. Mehr noch: Die Kanzlerin und der Premier brauchen einander. Merkel unterstützt den Vorstoß von Tsipras, den Namensstreit mit Mazedonien beizulegen. Dies ist eine der Bedingungen für den EU- und Nato-Beitritt der ehemaligen Teilrepublik Jugoslawiens. In Berlin und Brüssel will man den Prozess forcieren, weil die Sorge umgeht, dass Russland, China und die Türkei auf dem Westbalkan zunehmend an Einfluss gewinnen.

Tsipras hingegen rechnet der Kanzlerin hoch an, dass sie sich für eine „europäische Lösung“ bei der Flüchtlingskrise starkmacht.Darüber hinaus braucht der Ministerpräsident für sein wirtschaftlich gebeuteltes Land dringend Investitionen deutscher Firmen. Ein gutes Klima mit Merkel soll den Nährboden hierfür schaffen.