„Das Werbeverbot in der jetzigen Form ist ein Informationsverbot. Frauen landen bei der Recherche schnell in düsteren Chatrooms.“

Was wurde damals gerungen um die Reform des Paragrafen 218 , der die Abtreibung regelt: Mehr als 20 Jahre stritten Parteien und Gerichte, bis 1995 die Fristenlösung eingeführt wurde. Wiederum 20 Jahre lang blieb es danach still um das Thema Abtreibung – ein wichtiges frauenpolitisches Ziel war erreicht, Abtreibung war kein düsteres Kapitel mehr, in dem „gefallene Mädchen“ unter den Händen von pfuschenden Engelmacherinnen starben oder – wenn sie überlebten – kriminalisiert wurden. Es gab Ärzte, es gab Beratungsstellen. Frauen in Not fanden Hilfe. Das Werbeverbot – der Paragraf 219a – interessierte keinen.

Doch inzwischen sitzen mit der AfD klare Abtreibungsgegner im Bundestag. Auch in evangelikal-christlichen Kreisen machen sogenannte Lebensschützer mobil. In Köln wurde im September in einem Schaufenster ein Plakat mit der Aufschrift „Abtreiben macht frei“ ausgerollt – gestaltet wie der Schriftzug „Arbeit macht frei“ am Konzentrationslager Auschwitz. Auch die katholische Kirche steigt in die Debatte ein: Ein Kind abtreiben zu lassen sei „wie einen Auftragsmörder zu mieten“, erklärte neulich der Papst. Kein Wunder, dass immer mehr Gynäkologen nicht mehr abtreiben wollen.

Um es klar zu sagen: Jedes Kind, das geboren wird, ist wunderbar. Und es ist richtig, Abbrüche zu vermeiden, wo immer es geht. Doch wenn Abtreibungen gesetzlich geregelt sind – und das sind sie mit dem Paragrafen 218 – dann müssen Ärzte darüber informieren dürfen . Und Frauen müssen recherchieren können, was medizinisch auf sie zukommt. Das Werbeverbot in der jetzigen Form ist ein Informationsverbot. Frauen landen bei der Recherche schnell in düsteren Chatrooms, die von der Digital­maschinerie der „Lebensschützer“ infiltriert sind. Das bringt sie wieder in die Ecke von Scham, Schuld und Pfusch alter Zeiten. Wer hätte gedacht, dass wir solche Debatten noch führen müssen!