„Es sind nicht mehr die Schlote der Kokereien und Stahlwerke, die den Himmel über der Ruhr vernebeln, sondern die Auspuffe von Millionen Autos.“

Das Gelsenkirchener Verwaltungsgericht hat den Mut, sich unbeliebt zu machen. Gestern verhängte es Diesel-Fahrverbote für 18 Essener Stadtteile, eine Hauptstraße durch Gelsenkirchen und – bundesweit erstmals – für einen Autobahnabschnitt.

Das Urteil trifft vor allem Pendler, Handwerker und Lieferanten hart – allein in Essen wären nach Einschätzung der Stadt 52.000 Diesel- und auch 27.500 alte Benzinfahrzeuge betroffen. Auf den Straßen des Reviers sind besonders viele ältere Modelle unterwegs, schließlich hat die Region seit Jahrzehnten wirtschaftliche Probleme.

Nun gibt’s im Pott seit fast 200 Jahren dicke Luft. Längst sind es nicht mehr die Schlote der Kokereien und Stahlwerke, die den Himmel über der Ruhr vernebeln, sondern die Auspuffe von Millionen Autos. Wenn in einem Ballungsraum von 60 mal 80 Kilometern 5,1 Millionen Menschen individuell mobil sein wollen, dann geht das bei der existierenden Infrastruktur nicht ausschließlich mit Bus und Bahn. Einheimische nennen die A 40 statt Ruhrschnellweg nur „Ruhrschleichweg“, die Region erlebt täglich den Verkehrsinfarkt.

Doch würde die Luft in Essen-Kray schlagartig besser, wenn auf der A 40 keine älteren Diesel mehr führen – sondern stattdessen geballt auf der fünf Kilometer entfernten A 42? Statt singulärer Fahrverbote, die auf wissenschaftlich angreifbaren Stickstoffdioxid-Grenzwerten basieren, müssen grundlegend neue Verkehrskonzepte her, in denen das Auto nicht mehr die Nummer Eins ist.