„Die Stickoxid-Belastung hat sich seit 1990 mehr als halbiert. Das will aber kaum einer hören.“

Politik ist ein ernstes Geschäft, kommt aber ohne Showeinlagen hier und da nicht aus. Warum auch? Ein bisschen Show unterhält, macht sperrige Themen populär und nebenbei auch den einen oder anderen Politiker bekannt.

Hamburg setzt in diesen Tagen Maßstäbe in der Disziplin Show- und Symbolpolitik: Mit den Fahrverboten für Diesel-Fahrzeuge in zwei wichtigen Straßen ist die Hansestadt die erste Kommune, die auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts reagiert. Die Richter hatten Ende Februar entschieden, dass Fahrverbote prinzipiell erlaubt sind.

Wie sagte Olaf Scholz, der frühere Erste Bürgermeister der Stadt und heutige Bundesfinanzminister? „Es wird keine Fahrverbote geben. Das wird der Hamburger Senat nicht beschließen, die Hamburger Bürgerschaft auch nicht.“ Die Diesel-Fahrzeuge, die nun die beiden Straßen nicht mehr passieren dürfen, galten noch vor fünf Jahren als ökologische Weltretter. Das hat der Diesel-Skandal zerstört. Seitdem schlägt die Stunde der Schaufensterpolitik – und Fakten geraten aus dem Blick.

Die Stickoxid-Belastung ist seit Jahren in Deutschland rückläufig, seit 1990 hat sie sich mehr als halbiert. Das will aber kaum einer hören. In den vergangenen Jahrzehnten ist die Luft deutlich sauberer geworden. Mittlerweile wird in Deutschland kein europaweiter Grenzwert für Schwefeldioxid, Kohlenmonoxid, Benzol und Blei mehr überschritten.

Gerade deshalb kämpfen Verbände wie die Deutsche Umwelthilfe so verbissen gegen das Stickoxid. Hier wird noch an mehr als jeder zweiten Messstation in Deutschland der Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter gerissen. Damit lässt sich wunderbar Politik machen.

Dabei ist wirksamer Umweltschutz das Gegenteil von Schaufensterpolitik. Er analysiert Interaktionen, sucht nach Lösungen. Feinstaub- und Stickoxidbelastung etwa hängen eng zusammen. Wer das eine über höhere Motortemperaturen reduziert, erhöht den Ausstoß des anderen. Und durch die derzeit populäre Dieselaustreibung wächst wieder der Ausstoß des Kohlendioxids. Der Klimakiller aber schreckt derzeit kaum, weil Stickoxide in Mode sind.

So kommen auch halbgare bis widersinnige Ideen zur Umsetzung: Bald werden dreckige Dieselfahrzeuge in Hamburg Umwege fahren müssen, mehr Abgase ausstoßen und mehr Anwohner erreichen. Wer das Umweltschutz nennt, hält die Erde vermutlich für eine Scheibe.