“Trumps Angriffsbefehl gehorcht vor allem innenpolitischen Kosten-Nutzen-Abwägungen.“

Verhältnismäßig. Angemessen. Erforderlich. Notwendig. Es ist kein Wunder, dass dies die am meisten benutzten Vokabeln sind, mit denen Staats- und Regierungschefs, so sie nicht aus Moskau, Peking oder Damaskus kommen, den jüngsten militärischen Nadelstich des Westens in der syrischen Tragödie bewerten. Sie stehen für die Hilflosigkeit und Unentschlossenheit, dem von Diktator Baschar-al-Assad im nunmehr achten Jahr orchestrierten Töten von Hunderttausenden wirklich Einhalt zu gebieten.

Wäre es nicht so, man würde ein anderes Wort hören: „zielführend“. Genau das ist die von US-Präsident Donald Trump mit Frankreich und Großbritannien auf dem Beifahrersitz durchgezogene Blitzstrafaktion für die Assad zugeschriebenen Giftgas-Gräueltaten gegen eigene Zivilisten nicht.

Dass es wie vor einem Jahr eine militärisch unterlegte Gelbe Karte geben würde, lag seit einer Woche in der Luft. Trump selber hatte das Muskelspiel auf Twitter annonciert. Assad und seine Bodyguards aus Moskau und Teheran hatten alle Zeit der Welt, um Vorsorge zu treffen. Dass der auf drei Ziele beschränkte Angriff Assad die hauseigenen Chlorgas- und Sarin-Bomben ein für allemal aus der Hand geschlagen hat, glaubt niemand.

Und selbst wenn: Mit konventionellen Bomben wird das Morden weitergehen. Solange die zwischen Rückzugsgelüsten und Führungs-Allüren pendelnde Großmacht USA nicht mit einer Strategie aufwartet, die eine landesweite Waffenruhe, humanitäre Korridore für die Bevölkerung und danach eine politische Friedenslösung zum Ziel hat.

Genau an dieser Stelle herrscht aber weiter Sprach- und Gedankenlosigkeit in Washington. Weder will die Regierung Trump Assad aus dem Verkehr ziehen. Noch hat es international satisfaktionsfähige Ideen und die Bereitschaft, die für Assad günstigen Kräfteverhältnisse durchzuschütteln. Dazu müssten Russland und Iran, die Schutzmächte des Diktators, diplomatisch, wirtschaftlich und letztlich auch militärisch entschieden stärker unter Druck gesetzt werden; ohne dabei ein Ausufern in einen Großkonflikt zu begünstigen.

Unter Trump wird es dazu nicht kommen. Im Gegenteil. Vor zwei Wochen hatte er aus dem Bauch heraus den Abzug der 2000 US-Soldaten in Syrien angekündigt. Nur mühsam konnten ihn seine obersten Militärs davon abbringen. Darum ist die Rhetorik wohlfeil, wenn der Präsident Assad jetzt als „Monster“ brandmarkt und an das moralische Gewissen Putins und der Mullahs appelliert, den „dunklen Pfad“ zu verlassen.

Auch seine Andeutung, weitere Angriffe fliegen zu lassen, sollte Assad abermals zu völkerrechtlich geächteten Giftgasen greifen, ist nicht zum Nennwert zu nehmen. Verteidigungsminister James Mattis hat sich entschieden zurückhaltender positioniert.

Trumps Angriffsbefehl gehorcht vor allem innenpolitischen Kosten-Nutzen-Abwägungen. Das für ihn desaströse Buch von Ex-FBI-Chef James Comey und die für ihn bedrohlich werdende kriminelle Energie seines Anwalts Michael Cohen sollten aus den Schlagzeilen vertrieben werden. Das ist vorübergehend gelungen. Am Status quo in Syrien ändert sich nichts.

Washington hat peinlich darauf geachtet, Moskau nicht übermäßig zu verstimmen. Weder wurde russisches Militär beschossen, noch Assad attackiert. Das nicht zuletzt durch törichte Twitter-Beiträge Trumps ausgelöste Geraune über eine angeblich drohende Konfrontation der Großmächte hat sich vorläufig erledigt. Nur eines ist klar: Beim nächsten Giftgas-Angriff spricht man sich wieder.