Braunschweig. „Citizen Science“: Über ein Mitmachprojekt sucht das HZI Braunschweig jägerische Bakterien und Ausgangsstoffe für neue Antibiotika

Wer hätte gedacht, dass man mit einem Löffelchen feuchter Erde womöglich zur Entwicklung neuer, wirksamer Antibiotika gegen resistente Keime beiträgt? Was erstmal unwahrscheinlich klingt, ist der Kern beim Citizen-Science-Projekt „Mikrobielle Schatzkiste“, zu dem das Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) einlädt. Im Zentrum des Interesses stehen Myxobakterien, im Boden lebende Mikroben „mit ausgeprägtem Rudel- und Jagdverhalten“, wie der Biotechnologe Yannic Nonnenmacher unserer Zeitung erklärt.

Naturstoffe für neue Medikamente gesucht

Nonnenmacher arbeitet am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS), einer Außenstelle des HZI Braunschweig. „Was in Saarbrücken passiert, ist der Start einer Pipeline“, erklärt HZI-Sprecherin Susanne Thiele. Diese „Pipeline“ soll letztlich auch an den Forschungsstandort Braunschweig führen – wenn aus den Naturstoffen Medikamenten entwickelt werden. Die HIPS-Forscher leisten mit der „Schatzkiste“ also Vorarbeit für einen längeren Prozess. Und hierbei sollen die „Bürgerwissenschaftler“, wie Nonnenmacher die freiwilligen Helfer nennt, entscheidend beitragen.

Yannic Nonnenmacher vom Helmholtz-Institut HIPS in Saarbrücken, einer Außenstelle der HZI in Braunschweig.
Yannic Nonnenmacher vom Helmholtz-Institut HIPS in Saarbrücken, einer Außenstelle der HZI in Braunschweig. © HiPS | Ellen Merckel

Mit einem Test-Set, das kostenlos beim HIPS bestellt werden kann, kann jeder eigenständig Bodenproben nehmen und diese einschicken. Besonders geeignet für die Entnahme sind naturbelassene Stellen, gerne mit üppigem Bewuchs. „Gehen Sie dahin, wo der Boden Ihnen lebendig erscheint“, rät Nonnenmacher. Gut seien etwa der heimische Komposthaufen, Ufer von Gewässern oder der Waldboden.

Hoffnungsträger Jagdmikroben

Anschaulich erklärt der Forscher, warum die jägerischen Mikroben die Hoffnungsträger der Antibiotikaforscher sind. Um andere Bakterien zu erbeuten, fabrizieren Myxobakterien ein regelrechtes chemisches Waffenarsenal – mikrobielle Substanzen, mit denen sie andere Bakterien angreifen. „Unsere Idee ist“, erklärt Nonnenmacher, „dass diese Naturstoffe sich eventuell auch dafür eignen, bakterielle Infektionen beim Menschen zu bekämpfen – als Antibiotika.“

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Hoffnungsträger als mögliche Quelle neuer Antibiotika: eine Kultur von Myxobakterien.
Hoffnungsträger als mögliche Quelle neuer Antibiotika: eine Kultur von Myxobakterien. © HiPS | Ronald Garcia

Die Forscher wollen so eine Antwort finden auf das große Problem der zunehmenden Resistenzen gegenüber Antibiotika. Laut einer Studie des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten aus dem Jahr 2018 sterben hierzulande jährlich rund 2400 Menschen an Infektionen durch multiresistente Erreger.

Viele Myxobakterien noch unerforscht

Die Myxobakterien sind laut Nonnenmacher vor allem deshalb so vielversprechend, weil sie bisher kaum erforscht und viele Arten noch unbekannt sind. „Deswegen steckt da viel chemisches Potenzial drin.“ Je mehr Menschen zur „Mikrobiellen Schatzkiste“ beitrügen, desto größer sei die Vielfalt der Bodenproben und daher die Chance, neue Bakterienarten und damit Ausgangsstoffe für neue Antibiotika zu finden. „Die Arbeit der Bürgerwissenschaftler setzt an der Basis an“, sagt er. „Trotzdem nehmen wir ihre Proben genauso wichtig wie die, die wir selbst sammeln.“ Das bedeute auch, dass alle, die teilnehmen, eine Rückmeldung erhalten.

So machen Sie mit:

Die mikrobielle Schatzkiste: Für dieses Projekt können sich Interessierte ein Set zum Erdprobensammeln zuschicken lassen. Wichtig ist es, sich auf der Webseite zu registrieren, weil man einen Bericht zu seiner Probe erhält. Weitere Informationen unter:hips.saarland/sample