Braunschweig. Wie können Kommunen kurz- und langfristig Kosten für Gas und Strom drücken? Ein strategisches Energiemanagement sei notwendig, sagt ein Experte.

Gewohnheiten müssen nicht immer gut sein, sondern führen auch zu negativen Effekten, sagt Florian Lörincz, Mitarbeiter der Klimaschutz- und Energieagentur in Niedersachsen (KEAN). Auch beim Gas- und Stromverbrauch in Deutschland könne man diese Entwicklung beobachten. Wer bedarfsgerecht heize, so Lörincz, könne relativ einfach 15 Prozent seines Verbrauchs einsparen.

Dieses Ziel haben sich die Stadt Hannover und ihr Oberbürgermeister Belit Onay (Grünen) auf die Fahnen geschrieben und in der vergangenen Woche angekündigt, unter anderem in öffentlichen Frei- und Hallenbädern sowie Turnhallen nur noch kaltes Wasser zum Duschen bereitstellen zu wollen. Daneben sollen die Raumtemperaturen in den Behörden auf maximal 20 Grad gehalten werden, die Heizperiode auf sechs Monate beschränkt, Fassaden nicht mehr angestrahlt und Brunnen abgestellt werden.

Experte: Kommunen lassen Heizung in Schulen auch in Ferien oft unbemerkt an

Florian Lörincz, Mitarbeiter bei der Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen (KEAN)
Florian Lörincz, Mitarbeiter bei der Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen (KEAN) © KEAN / KEAN

Mit der Absenkung der Beckentemperatur, der richtigen Heizkörperregulierung in den städtischen Betrieben und Gebäuden oder der Abschaltung der „Schmuckbeleuchtung der Fassaden“ könne man Kosten und Verbrauch deutlich zurückfahren, ist Lörincz überzeugt. Doch trotz der Dramatik der Lage, gehe es auch darum, nicht nur kurzfristig, sondern langfristige Effekte zu erzielen. Daher müssten alte Gewohnheiten über Bord geworfen werden. „Nicht selten werden kommunale Schulen, überwiegend unbemerkt, auch über Wochenenden und Ferienzeiten beheizt“, weiß der Energieberater zu berichten. Bürgermeister und Bauamtsleiter beklagten dann häufig, dass schlicht die personelle Ausstattung für ein funktionierendes Energiemanagement fehle, mit dessen Hilfe derartige Umstände vermieden werden könnten. Für ein kommunales Energiemanagement, das seinen Namen verdiene, müsse Geld in die Hand genommen werden, damit Strukturen geschaffen werden, die grundsätzlicher Natur seien. „Dafür stehen Kommunen mittlerweile auch nennenswerte Fördermittel zur Verfügung“, sagt Lörincz. Zwar verbreiteten sich mit Hilfe der KEAN diese Erkenntnisse zunehmend, Wachstumspotenzial bestünde aber weiterhin.

Dass die Kommunen als erste Maßnahme die Beheizung ihrer Freibäder zurückschrauben, sei kein Zufall. Lörincz nennt die städtischenBäderbetriebe „riesige Energiefresser“. Spaßbäder mit zusätzlichem Saunabetrieb hätten einen Energieverbrauch wie kleine Stadtviertel zumindest aber Straßenzüge, sagt er. „Wenn man davon ausgeht, dass ein Vier-Personen-Haushalt auf einen Gasverbrauch von etwa 20.000 Kilowattstunden pro Jahr kommt, lässt sich der Kilowattstundenverbrauch in Bäderbetrieben häufig im Millionenbereich beziffern.“ Er selbst plädiere für Frei- und Naturbäder und dafür, über Solarthermie im Sommer die bestehenden Freibäder zu heizen.

Wasser zu erwärmen, sei mit einem sehr viel höheren energetischen Aufwand verbunden, als Luft zu erhitzen. Das bringe das Element Wasser als Wärmespeicher einfach mit sich, sagt der diplomierte Bauphysiker. Dementsprechend hoch gestalte sich bei der Wassernutzung auch sein Einsparpotenzial.

„Jeder Einzelne kann was tun“

Kommunen müssten dennoch aufpassen, bei der Drosselung der Temperaturen Richtlinien der Wasser-Hygiene nicht zu missachten, so der Berater. So müsse gewährleistet sein, dass keine Keime oder Bakterien wie die gefährlichen Legionellen entstünden. „Das Wasser muss daher auf 60 bis 70 Grad aufgeheizt werden können, damit die Rohre und Armaturen damit dann durchgespült werden.“ Möglicherweise biete künftig die Entwicklung einer besonderen Filtertechnik Betreibern die Möglichkeit, kurzfristiger als bisher die Energieaufbereitung für Warmwasser zu reduzieren.

Lörincz sagt: Beim Energieverbrauch komme es auf jeden Einzelnen an. „Das gilt nicht nur für die Menschen, die in Behörden arbeiten, sondern für jeden Verbraucher.“ Wer das Büro verlasse, Licht und Heizung aber nicht runterdrehe, handele nachlässig. Wer einen Liter Wasser benutze, um sich nur eine Tasse Tee zu brühen, mache es nicht besser. Es gehe um die Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch die Arbeitgeber und die der Bürgerinnen und Bürger durch die Politik.

„Machen Sie nachts Ihr Modem oder Ihren Router aus? Warum nicht? Mich ruft dann in der Regel niemand an, und mein Handy ist ja auch noch da“, gibt Lörincz ein Beispiel. Das Einsparpotenzial, wenn alle mitmachten, sei noch viel größer als die 15 Prozent, die in Hannover als Richtschnur ausgegeben worden seien, so der 51-Jährige.

Braunschweig stimmt sich noch ab – 15 Prozent Einsparpotenzial „erstrebenswert“

Während die Stadt Hannover sich daran mach, den Sofortpunkteplan mit 25 Unterpunkten umzusetzen, sind die meisten Städte in unserer Region augenscheinlich noch in der Abstimmungs- und Prüfungsphase. So wie die Stadt Braunschweig. Sie verweist auf ein in Kürze erscheinendes aktualisiertes Klimaschutzkonzept, das dem Ziel einer Klimaneutralität bis zum Jahr 2030 Rechnung tragen soll.

Laut einem Sprecher halte man mit Blick auf eine zu befürchtende Gas-Mangellage und eine weitere Verschärfung des Preisdrucks bei den Energiekosten ein Einsparziel von 15 Prozent „für richtig und erstrebenswert“. Dabei orientiere sich die Stadt „auch an den Vorschlägen des Deutschen Städtetags, prüft Maßnahmen anderer Städte in Bezug auf eine Umsetzbarkeit in Braunschweig sowie eine eigene Vorschlagsliste aus den Dezernaten“, heißt es. Die Maßnahmen müssten jedoch immer hinsichtlich Nutzen und Folgewirkung betrachtet werden. Geprüft werde etwa die Reduzierung der Raumtemperatur in öffentlichen Gebäuden in der Heizperiode, so wie sie auch auf EU und Bundesebene diskutiert werde. Auch werde die Abschaltung der Außenbeleuchtung öffentlicher Gebäude erwogen. Die Stadt weist zudem darauf hin, dass man schon vor Jahren die Umstellung der Ampelanlagen auf LED-Technik vollzogen habe. Eine Maßnahme, die auch die Klimaschutz- und Energieagentur für richtig hält.

Auch die Stadt Wolfsburg will, wie berichtet, ihr Energie-Einsparpotenzial heben. Neben kühleren Schwimmbecken, der Abschaltung von Brunnen und einzelner Straßenlaternen sind es überwiegend Maßnahmen im Gebäudemanagement. Langfristig werde man das kommunale Energiemanagement stärken, um gesetzlichen Anforderungen aus dem Klimaschutzgesetz gerecht zu werden und auch Fördermittel zu generieren, teilte Oberbürgermeister Dennis Weilmann unserer Zeitung mit.

Salzgitter OB Klingebiel für „Rettungsschirm“

Wie auch die Stadt Braunschweig fordert der Oberbürgermeister der Stadt Salzgitter, Frank Klingebiel, einen finanziellen Rettungsschirm für „systemrelevante Gasversorger“, so wie es ihn in der Finanzkrise auch für Banken gegeben habe, Klingebiel, ebenfalls Präsident des Niedersächsischen Städtetags, sieht Bund und Land in der Pflicht, hier den Kommunen notfalls zur Seite zu springen. Konkrete Maßnahmen im Stile Hannovers hat die Stahlstadt bei Energieeinsparungen noch nicht abschließend getroffen, heißt es aus dem Rathaus. Man sei permanent dabei, Liegenschaften in eigener Hand „energetisch zu verbessern“.

Der Kreis Goslar hat schon jetzt konkrete Verhaltensregeln für die Beschäftigten der Kreisverwaltung herausgeben. So gelte laut Kreissprecher Maximilian Strache „Licht aus in nicht genutzten Räumen, auch in Teeküchen und WC-Anlagen“. Nicht genutzte Geräte seien vollständig auszuschalten, denn auch der Standby-Modus verbrauche Energie. „Des Weiteren werden wir über den Sommer weiterreichende technische Maßnahmen abstimmen, zum Beispiel Heizungssteuerung zur Absenkung der Raumtemperatur oder kein Warmwasser in den WC-Anlagen“, erklärt er. Der Regel-Kodex für die städtischen Bediensteten flankiere langfristigere Einsparmaßnahmen, zu denen ein nachhaltiges Gebäudemanagement gehöre, und ein intensiveres Energiemanagement. „Verbräuche werden erfasst, ausgewertet und kontrolliert“, heißt es vom Kreis.