Braunschweig. Der Braunschweiger Klimatologe Stephan Weber erklärt, warum sich das gesundheitsschädliche Gas an heißen Sommertagen vermehrt bildet

Von „katastrophalen Ozonwerten“ in Teilen Deutschlands hatte Wetterexperte Jörg Kachelmann am Dienstag im Deutschlandfunk gesprochen. Für Kinder und Jugendliche seien diese „wirklich gefährlich – mit zum Teil irreversiblen Schäden für die Lunge“. Am selben Tag warnte auch das Umweltbundesamt (UBA), es könne in dieser Woche zu Überschreitungen der „Alarmschwelle“ von 240 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft kommen. Ab diesem Wert besteht laut UBA ein „Gesundheitsrisiko für die Gesamtbevölkerung“.

Auch wenn die allerschlimmsten Befürchtungen an den glutheißen Tagen Dienstag und Mittwoch nicht eingetreten sind – die Alarmschwelle wurde in Deutschland knapp nicht erreicht – waren die Ozonwerte doch ausgesprochen hoch, auch in unserer Region.

Tägliches Auf und Ab der gemessenen Ozonwerte

„Der Auf- und Abbau von Ozon hält sich normalerweise die Waage, allerdings kommt der Abbauprozess an derart sonnenreichen Tagen nicht hinterher“, erklärt Klimatologe Stephan Weber von der TU Braunschweig.
„Der Auf- und Abbau von Ozon hält sich normalerweise die Waage, allerdings kommt der Abbauprozess an derart sonnenreichen Tagen nicht hinterher“, erklärt Klimatologe Stephan Weber von der TU Braunschweig. © Andreas Eberhard | Andreas Eberhard

Zusammen mit Stephan Weber von der TU Braunschweig werfen wir einen Blick auf die Braunschweiger Messwerte der Lufthygienischen Überwachung Niedersachsen. Die Zahlen der Mess-Station im Stadtteil Broitzem zeigen ein tägliches Auf und Ab. Der Professor für Klimatologie und Umweltmeteorologie lenkt die Aufmerksamkeit auf die täglichen Höchstwerte, gemessen jeweils am Nachmittag. „Während die Ozonkonzentration am Samstag mit einem Maximalwert um die 80 Mikrogramm noch recht überschaubar ist, sehen wir Anfang der Woche eine deutliche Steigerung“, sagt er. An den Gluthitzetagen Dienstag und Mittwoch wurden am frühen Nachmittag jeweils 148 Mikrogramm pro Kubikmeter gemessen. „Das ist zwar immer noch unterhalb der sogenannten Informationsschwelle, allerdings etwa das Doppelte des Üblichen. Insofern sind das schon außergewöhnlich hohe Werte.“ Die Informationsschwelle liegt bei 180 Mikrogramm pro Kubikmeter. Empfindliche Bevölkerungsgruppen, etwa Asthmatiker oder Hochbetagte, sollten ab diesem Wert ihren Aufenthalt im Freien einschränken.

Wie kommen die hohen Ozonwerte zustande?

Ozon-Konzentration in Deutschland – Höchststände am 20. Juli.
Ozon-Konzentration in Deutschland – Höchststände am 20. Juli. © UBA | Jürgen Runo

Entscheidend für die vermehrte Ozonbildung an den heißen Tagen sind Weber zufolge weniger die Temperaturen als die heftige Sonnenstrahlung. Damit das unsichtbare und geschmacksneutrale Gas entsteht, müssen aber auch bestimmte „Vorläuferstoffe“ vorhanden sein: An erster Stelle nennt der TU-Forscher Stickoxide aus dem Auspuff von Fahrzeugen – und zwar als „ganz wesentlicher“ Faktor. Außerdem verweist Weber auf bestimmte flüchtige Lösungsmittel – etwa aus Lacken, Klebstoff oder Reinigungsmitteln.

Neben den menschgemachten gibt es aber auch natürliche Vorläuferstoffe für Ozon – etwa aus Pflanzen. „Während die Vegetation im Allgemeinen einen positiven Einfluss auf die Luftqualität hat, produzieren manche Arten bestimmte Kohlenwasserstoffverbindungen, die zur Ozonbildung beitragen.“ Besonders unter Trockenstress würden diese Stoffe von den Pflanzen vermehrt abgegeben. Deshalb empfiehlt Weber, beim Pflanzen von Bäumen zu berücksichtigen, welche Arten – er nennt Eichen, Robinien, Platanen – potenziell zu vermehrter Ozonbildung beitragen.

Die Vorläuferstoffe, erklärt er, werden unter Sonnenlicht zerlegt, so dass etwa aus dem im Straßenverkehr ausgestoßenen Stickstoffdioxid (NO2) einfaches Stickstoffmonoxid (NO) und ein freies Sauerstoffatom (O) entstehen. Letzteres reagiert dann mit dem Luftsauerstoff (O2) zu Ozon (O3). „Die Vorläuferstoffe sind in unserer Luft jederzeit vorhanden“, so Weber. „An sonnenreichen Tagen wird die Ozonbildung aber deutlich angeheizt. Und das führt zu den hohen Konzentrationen, die wir erleben.“

Der Zusammenhang zwischen Sonneneinstrahlung und Ozonbildung lässt sich auch an der Ozon-Deutschlandkarte des UBA für Mittwoch, 20. Juli, nachvollziehen. „Der breite rote Streifen über Westdeutschland, der die höchsten Konzentrationen des Gases anzeigt, ist der gleiche Bereich, an dem die Sonneneinstrahlung am Mittwoch für höchste Temperaturen gesorgt hat“, sagte Ute Dauert, Leiterin der UBA-Abteilung zur Beurteilung der Luftqualität, am Mittwoch im Gespräch mit unserer Zeitung.

Neubildung und Abbau kommen aus dem Gleichgewicht

Ozon-Messwerte in Braunschweig.
Ozon-Messwerte in Braunschweig. © Jürgen Runo | Jürgen Runo

Das tägliche Auf und Ab der Ozonwerte – gut zu erkennen auf unserem Schaubild zu den Braunschweiger Messwerten – erklärt der Braunschweiger Forscher Weber damit, dass das Ozon gleichzeitig zu seiner Entstehung auch permanent wieder abgebaut wird – und zwar, indem sich der beschriebene Entstehungsprozess in entgegengesetzter Richtung vollzieht. „Dieser Auf- und Abbau“, sagt der Braunschweiger Klimaforscher, „hält sich normalerweise die Waage, allerdings kommt der Abbauprozess an derart sonnenreichen Tagen schlicht nicht hinterher.“ Dadurch baut sich die Konzentration in der Luft immer weiter auf – Sommertag für Sommertag.

Wie Weber erläutert, braucht es, auch um das Ozon abzubauen, die Stickoxide, die zu seiner Bildung geführt haben. Das führt zu einem auf dem ersten Blick paradox erscheinenden Umstand: Ozon bildet sich zwar oft an Straßen und in den Städten, wenn es aber durch Luftströmungen in die Natur gelangt, hält es sich dort besonders lange – weil das Stickstoffmonoxid zum Abbau „fehlt“. „Dort, wo der Verkehr rauscht, sehen wir den Ausstoß der Vorläuferstoffe und die Bildung des Ozons, aber natürlich findet auch eine Verdriftung statt.“ Daher, so der Stadtklimatologe, seien hohe Ozonkonzentrationen nicht auf bestimmte Hauptverkehrsschwerpunkte beschränkt. Laut Umweltbundesamt werden die höchsten Ozonwerte sogar regelmäßig „am Rand von Städten und in angrenzenden ländlichen Gebieten“ gemessen. Auch die regelmäßig auf dem Wurmberg im Harz erzielten sehr hohen Ozonwerte erklärt die Behörde damit.

Ozonloch und erhöhte Werte – „Das sind zwei Paar Schuhe“

Mit dem „Ozonloch“ haben die derzeitigen hohen Ozonwerte Weber zufolge übrigens nichts zu tun. „Zwischen der bodennahen Ozonbildung und der Ozonschicht in der Stratosphäre liegen gut und gerne 25 Kilometer. Das sind zwei Paar Schuhe.“ Die Auf- und Abbauprozesse „da oben“ seien ganz andere als „hier unten“.

Das „Ozonloch“, also die Beschleunigung des Ozon-Abbaus in der schützenden Ozonschicht, die man in den 1980er und 90er Jahren beobachtet hatte, konnten erfreulicherweise gestoppt werden – wesentlich durch das Verbot von FCKW in Kühlschränken oder als Treibmittel in Sprühdosen. Eine gute Ozon-Nachricht, auch wenn, wie Weber berichtet, „die Effekte von damals aufgrund der Langlebigkeit dieser Chlorverbindungen immer noch zu sehen sind“.

Dagegen hält der Wissenschaftler es für wahrscheinlich, dass wir in unseren Breiten künftig öfter mit hohen Ozonwerten zu tun bekommen. „Die Prognosen der Klimamodelle sind ja ziemlich eindeutig“, sagt er. Hitzewellen, Trockenheit und sonnenreiche Wetterlagen werden demnach aller Voraussicht nach an Häufigkeit zunehmen – und mit ihnen das Potenzial für vermehrte Ozonbildung. „Wenn wir da nicht emissionsseitig gegensteuern“, so Weber, „müssen wir davon ausgehen, dass die Problematik eher zunehmen wird“.

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