Braunschweig. Prof. Dr. Daniel Goldmann ist Experte für effiziente Ressourcennutzung an der TU Clausthal. Er weiß, was unsere Region besonders macht.

Effizienter Umgang mit Ressourcen ist die Zukunft. Aber sie kommt nicht von allein. Prof. Dr. Daniel Goldmann ist Leiter des Instituts für Aufbereitung, Deponietechnik und Geomechanik an der TU Clausthal und weiß, wo die Chancen liegen – und wo die Hindernisse. Das Gespräch führte Volontär Frank Spyra.

Recycling ist ein großes Themenfeld. Was fällt alles darunter?

Recycling ist ein zentraler Baustein der Circular Economy. Circular Economy ist dabei noch mehr als die klassische Kreislaufwirtschaft. Neben dem eigentlichen Recycling geht es hierbei zunächst auch um die Vermeidung von Abfällen, etwa von Verpackungsmaterial oder um die Verlängerung der Lebensdauer von Produkten wie zum Beispiel Handys.

Recycling im engeren Sinne spielt auch für das Design der Produkte, in der Produktion und der Nutzung eine Rolle. Aber auch in der Logistik treten bereits Fragen des Recyclings auf.

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Große Mengen, die heutzutage an Verpackungsmaterial im Versand eingesetzt werden sind ebenso ein Problem, wie jene im Bereich bestimmter Produktverpackungen.

Ein anderes Problem ist etwa, dass rund ein Drittel der Lebensmittelproduktion im Müll landen, vieles davon unverdorben – da muss richtig viel passieren. Initiativen wie Foodsharing können da Abhilfe schaffen.

Worin bestehen die Hürden, die es zu überwinden gilt?

Hier gibt es verschiedene Ebenen. Es werden ständig neue Produkte entwickelt. Die Recycling-Technik muss da mitziehen.

Eine weitere Baustelle ist, dass die Abfälle auch dort landen müssen, wo sie hingehören. Hier ist der Bürger gefragt. Die Circular Economy ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Rechtliche Vorgaben verlangen zum Beispiel, dass 65 Prozent der elektronischen Altgeräte gesammelt werden müssen. Wir erreichen hier gerade einmal eine Sammelquote von 45 Prozent. Bei Handys liegt die Quote sogar zum Teil nur bei 25 Prozent.

Menschen fahren in den Wald, um ihren Kühlschrank loszuwerden, anstatt ihn kostenlos abzugeben. Jeder Elektrohändler ist verpflichtet, Elektroschrott kostenlos anzunehmen. Aber die Menschen müssen das wissen. Der Informationsfluss findet zu wenig statt. Hier ist auch die Presse gefragt.

Was lässt sich dagegen tun?

Unser Institut kooperiert beispielsweise für Sammelaktionen mit den Kreis-Wirtschaftsbetrieben Goslar. Hier haben wir sehr gute Erfahrungen mit neuen Methoden, etwa einer Art „drive through“ gemacht. Das bauen wir aus auf Basis der dabei stattfindenden Gespräche mit den Bürgern. Es ist wichtig die Bürger zu informieren aber auch zu hören, was Verbraucher sich im Hinblick auf Sammelsysteme und –aktionen wünschen.

Prof. Dr.-Ing. Daniel Goldmann ist Leiter des Instituts für Aufbereitung, Deponietechnik und Geomechanik (IFAD). 
Prof. Dr.-Ing. Daniel Goldmann ist Leiter des Instituts für Aufbereitung, Deponietechnik und Geomechanik (IFAD).  © PrivatTU Clausthal

Es ist häufig genug nicht eine Frage des Geldes, wenn es um die richtige Steuerung von Abfallströmen geht. Bei einer Aktion haben wir drei Euro für ein altes Handy geboten. Die Reaktion darauf fiel bescheiden aus. Danach haben wir Bratwürste für Handys geboten. Das lief wesentlich besser, auch wenn eine Bratwurst deutlich weniger kostet. Aber der Eventcharakter hat etwas gebracht. Gute Erfahrungen haben wir auch mit bekannten Personen gemacht, die für unsere Aktionen werben.

Müllfluencer?

In gewisser Weise schon, auch wenn das Wort Müll natürlich einen abwertenden Beigeschmack hat. Es hat sich auch herausgestellt, dass die Berichterstattung in regionalen Zeitungen bislang mehr bewirkt als der Weg über die sozialen Medien. Die über-60-Jährigen sind sehr umweltbewusst. Sie glauben gar nicht, wie viele über-80-Jährige bei solchen Sammelaktionen erscheinen.

Unter den jüngeren, etwa unter-27-Jährigen, gibt es zwei große Gruppen. Einerseits die Hochaktiven, die sich beispielsweise auch bei Fridays for Future engagieren. Andererseits gibt es diejenigen, denen das Thema dem Anschein nach völlig egal ist.

Aber es gibt auch viele junge Menschen, die tolle Aktionen auf die Beine stellen – Foodsharing-Projekte, die ähnlich wie die Tafeln funktionieren, aber andere Zielgruppen erreichen.

Im August 2020 wurde das sogenannte Containern gerichtlich verurteilt. Was ist Ihre Sicht darauf?

Das ist eine ziemlich schräge Geschichte. Meiner Ansicht nach gebe ich mein Eigentum an einer Sache auf, wenn ich sie wegwerfe. In Frankreich ist man da weiter. Dort ist es verboten, Lebensmittel, die noch verzehrbar sind, wegzuwerfen. Wir müssen dringend etwas dagegen unternehmen, dass unverdorbene Lebensmittel weggeworfen werden.

Stattdessen sollte es Regelungen geben, die dazu animieren solche Lebensmittel abzugeben. Das Container-Verbot ist jedenfalls diametral dem entgegengesetzt, was eigentlich zu tun wäre.

Welche politischen Rahmensetzungen braucht es, um die nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu stärken?

Dazu braucht es ein ganzes Bündel an Maßnahmen. Zusätzlich müssen aktuelle Regelungen angepasst werden, die momentan als Hemmnis fungieren.

Ein Beispiel: Eine Gruppe der internationalen, studentischen Umweltorganisation Oikos wollte vor einiger Zeit Elektroaltgeräte sammeln. Das ist aber nach der aktuellen Rechtslage gar nicht zulässig, da nur Hersteller, deren Beauftragte und Vertreiber sowie öffentlich-rechtliche Entsorger dazu befugt sind. Diese Beschränkung wurde eigentlich berechtigter Weise eingeführt, um schwarzen Schafen, illegaler Abfallwirtschaft, einen Riegel vorzuschieben. Im beschriebenen Fall verhinderte es eine sinnvolle Aktion.

Nun können Gesetze nicht grundsätzlich alle Eventualitäten berücksichtigen. Um Verbesserungspotentiale zu heben, ist die Idee entstanden, sogenannte Reallabore einzurichten und zu betreiben, in denen räumlich und zeitlich begrenzt experimentiert werden kann, wie es bessergehen könnte. Aus den Ergebnissen lassen sich dann Schlüsse für die Anpassung von rechtlichen Regelungen ziehen. Die niedersächsische Landesregierung, besonders das Umweltministerium, unterstützen entsprechende Ansätze. Das könnte ein Impuls für den Rest der Republik sein.

Wie steht es um die Recycling-Wirtschaft in unserer Region?

Der Raum rings um den Harz ist eine internationale Vorreiter-Region, ein Silicon-Valley des Recyclings. Deutschland ist generell eine der vier führenden Nationen in diesem Bereich, zusammen mit Belgien, Japan und China. Und unsere Region ist wiederum in Deutschland führend.

Grundlage hierfür ist, dass der Harz eine uralte Rohstoffregion ist. 1700 Jahre Bergbau am Rammelsberg in Goslar haben da ihre Spuren hinterlassen. Zudem wurde die Thematik in Niedersachsen von der Politik auch früh aufgegriffen. Seit 1988 gibt es die Niedersächsischen Kommissionen im Umweltbereich. Geführt vom Umweltministerium sind dort auch andere Ministerien vertreten sowie Unternehmen, Handwerkskammern, Wissenschaftler, Gewerkschaften, Umweltverbände und. andere zivilgesellschaftliche Akteure. Dort werden Fragen zur Abfallwirtschaft, Ressourceneffizienz, Chemikalienpolitik und mehr verhandelt.

In der Kommission gilt das Einstimmigkeitsprinzip, daher können Prozesse dort einige Zeit in Anspruch nehmen. Aber von dort aus gehen Impulse in die Gesetzgebung des Landes, die sich auch auf Bundesebene und dann auf EU-Ebene niederschlagen. Niedersachsen ist in Deutschland, was diese Themen angeht, absolut stark.

Können Sie Leuchtturmprojekte in unserer Region nennen?

Gerne. Beispielsweise ist die Region stark, was das Recyceln von Elektroschrott angeht. Aus der damaligen Preussag ging beispielsweise das Unternehmen Electrocycling hervor. Das ist das größte europäische Unternehmen dieser Art.

Dazu gibt es große Kapazitäten was die Rückgewinnung von Metallen anbelangt. Im Ostharz in Sachsen-Anhalt hat sich ein richtiger Aluminiumrückgewinnungscluster gebildet. Novelis und Trimet haben sich dort beispielsweise angesiedelt.

In Salzgitter gibt es mit der Salzgitter AG einen der führenden Stahlproduzenten, der mit seinem neuen SALCOS-Prozess bei der Herstellung auf Wasserstoff setzt. Auch hierbei werden Recyclingprozesse eine relevante Rolle spielen.

Wie geht es weiter?

In Zukunft wird in unserer Region auch das Thema der zirkulären Batterieproduktion weiter in den Vordergrund rücken. Bereits jetzt gibt es ein breit aufgestelltes Bündnis aus Wirtschaft und Wissenschaft, das daran arbeitet. Die TU Braunschweig und Clausthal sind daran beteiligt, ebenso die Ostfalia und einige Fraunhofer Institute. Dazu kommen etwa zwei bis drei Dutzend Unternehmen. Hier geht es um geschlossene Kreisläufe und das geht eben nicht ohne Recycling von Produktionsrückstände und alten Produkten.

Allein unser Institut ist derzeit mit acht großen Forschungsprojekten in diesem Feld tätig. Mit mehr als einem Dutzend weiterer Projekte im Recycling von anderen Abfällen. Und wir sind nicht allein. An der TU Clausthal, die sich vollständig dem Schwerpunkt Circular Economy verschrieben hat, sind mehr als 30 Professuren allein mit Fragen des Recyclings und der Kreislaufwirtschaft beschäftigt.

Mit der TU Braunschweig und der Hochschule Ostfalia sind weitere starke Forschungspartner im Braunschweiger Land aktiv und mit diesen und vielen anderen Partnern betreiben wir das Recyclingcluster REWIMET bereits seit mehr als 10 Jahren. Hier sind viele neue Technologien entwickelt und in die Praxis umgesetzt worden. Eine win-win-win-Situation: Umweltschutz-Ressourcensicherung und neue Arbeitsplätze.

Nun stehen wir an der Schwelle, die gesamte Gesellschaft mitzunehmen und eine „Circular Region“ aufzubauen. Das funktioniert nur, wenn alle mitmachen und insofern arbeiten wir daran, vom Kindergarten bis in die Seniorenheime alle zu erreichen und einzubinden.

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