Braunschweig. In Niedersachsens Schulen sind gerade viele überfordert. Einiges hat sich schon gebessert, doch vor allem die Schul-Server sind oft noch ausbaufähig.

Server down, Nerven am Ende: Das Distanzlernen ist für viele Schüler nicht ganz einfach - für die Lehrer auch nicht. Anders als am ersten Tag nach den Weihnachts-Ferien läuft der Unterricht per Videokonferenz in dieser Woche schon besser. Stellenweise hakt es aber immer noch.

Florian Reetz beobachtet es daher mit Genugtuung: An vielen Schulen in Niedersachsen werden derzeit mit Hochdruck Server aufgerüstet, wird das WLAN verstärkt. „Es gibt an vielen Schulen aber immer noch Ruckeleien, auch regionale Unterschiede“, sagte der Chef des Landesschülerrates auf Anfrage.

Reetz selbst ist Abiturient, er genießt also – anders als Schüler aus den Jahrgangsstufen unter ihm – Präsenz-Unterricht an der IGS Heidberg in Braunschweig. Doch er hört sich viel um, erhält viele Reaktionen von Schülern aus ganz Niedersachsen. „Einige Schulen kriegen das mit dem Video-Unterricht gut hin“, sagte er. Doch es gebe immer noch Problemfälle. Oft sind es die Schul-Server, die für technische Probleme sorgen, wenn zum Teil Hunderte von Schülern gleichzeitig auf den Schul-Server zugreifen wollen, um am Video-Unterricht teilzunehmen.

Großteil niedersächsischer Schulen nutzt IServ

Dass es anders geht, zeige die IGS Heidberg selbst, so Reetz. Seine Schule habe nach Problemen in der vergangenen Woche erst am Mittwoch den Server nachgerüstet. „Nun klappt es reibungslos“, sagte er.

Ein Großteil der Schulen in Niedersachsen nutzt den Bildungsserver Iserv bei den Videokonferenzen. Die Schulen hätten die Zugriffe ihrer Schüler zeitlich besser verteilt, so habe es nur wenige Überlastungen gegeben, erklärte Iserv-Sprecher Frank Vollmer. Mehr Lastprobleme verursachten nach seinen Worten teils veraltete lokale Server an den Schulen. Ein Update sollte Abhilfe schaffen.

Er wolle keine Kritik an den Schulen äußern, sagte Vollmer. Die Firma aus Braunschweig mit ihren 110 Mitarbeitern wolle den Schulen vielmehr helfend zur Seite stehen. Aber dann sagte er doch: „Wir mahnen die Schulen an, dass sie ihre technischen Mittel aufstocken.“ Täglich mehr als zwei Millionen Teilnehmer nutzen das Videokonferenz-Tool der Braunschweiger an 4500 Schulen in ganz Deutschland, viele davon in Niedersachsen. In der Spitze sitzen bis zu 170.000 Schüler gleichzeitig in solchen Iserv-Videokonferenzen.

Mehr zu IServ:

FDP-Politiker Försterling: „Gut ist es noch lange nicht“

Björn Försterling, der Bildungs-Experte der FDP-Landtagsfraktion, sagte unserer Zeitung: „Es hakt noch gewaltig beim Videounterricht in Niedersachsen. Es fehlt an den Geräten für die Lehrkräfte, es fehlt an einer guten stabilen Netzanbindung für die Schülerinnen und Schüler, und oftmals sind die Server der Schulen zu alt und zu schwach. Natürlich ist es besser geworden in den letzten Monaten, aber gut ist es noch lange nicht.“

Laut Vollmer von Iserv ist die Technik schnelllebig. „Zum Teil sind Schulserver von 2018 für das Videokonferenz-System von der Kapazität her nicht ausreichend. Das hängt ganz von der Anzahl der Schüler an der jeweiligen Schule ab.“

Der Erfolg gibt den Braunschweigern Recht. Die Lernplattform Mebis zum Beispiel, die an Schulen in Bayern eingesetzt wird, hat häufiger mit technischen Problemen zu kämpfen. Lediglich am ersten Tag nach den Weihnachtsferien hatte Iserv größere Verbindungsprobleme, teils bekamen Schüler keinen Zugang, Videokonferenzen brachen zusammen oder ließen sich nicht starten. „Es gibt nur noch sehr vereinzelt Probleme mit der Software“, sagte Vollmer. Fünf Euro pro Schüler und Jahr kostet das System nach einer kostenlosen Einführungsphase. „Das ist weniger als das Kopiergeld pro Schüler“, so Vollmer.

IServ schuf das Videokonferenz-Tool zu Beginn der Corona-Krise

Iserv hat das Videokonferenz-Tool zu Beginn der Pandemie neu geschaffen. Zu Ostern war es fertig. Die Braunschweiger sind im Austausch mit System-Administratoren an den Schulen, wenn die dortigen Server nicht ausreichen. Vollmer sieht den Schwarzen Peter aber nicht bei den Schulen, sondern bei der Landespolitik und den Kommunen. „Da muss mehr kommen“, sagte er.

So sieht es auch die Lehrergewerkschaft Verband Bildung und Erziehung (VBE). Landeschef Franz-Josef Meyer beklagte, die tieferliegenden Ursachen der Serverprobleme würden nicht thematisiert. Viele Schulen warteten noch immer auf stabiles und schnelles Internet, Ausstattung aus dem Digitalpakt und gut funktionierende Lernplattformen für das Homeschooling.

„Sehr viel besser ausgestattet als im Frühjahr“

Meyer kritisierte, dass die Kommunen in Niedersachsen als Schulträger erst etwa zwölf Prozent der 470 Millionen Euro ausgeschöpft haben, die den Schulen aus dem Digitalpakt des Bundes zustehen. „Das geht leider sehr, sehr schleppend voran“, sagte er unserer Zeitung. So manche Schule könnte weit besser dastehen.

Mehr lesen: Niedersachsen hält trotz „Lockdowns“ seine Grundschulen offen

Kultusminister Grant Hendrik Tonne bezeichnete Meyer als einen „Getriebenen“. Der Minister zeige aber Einsatz, so Meyer. „Er ist derzeit als Handlungsreisender an Schulen in Niedersachsen unterwegs und schaut, wo man technisch noch nachrüsten kann.“

Der niedersächsische Schulleitungsverband allerdings betont, dass sich die Lage an vielen Schulen trotz Homeschooling beruhigt habe. Es lägen keine Erkenntnisse zu großen technischen Ausfällen mehr vor, sagte Verbandschefin Andrea Kunkel auf Anfrage. „Die Kollegien sind sehr viel besser ausgestattet als noch im Frühjahr. Wir sind alle viel erfahrener geworden.“

Doch auch jetzt stelle sich an so mancher Schule noch die Frage: „Habe ich einen leistungsfähigen Server? Habe ich einen System-Administrator, der helfen kann?“ Es gebe leider immer noch eine zu große Bandbreite, so Kunkel: „Es gibt vor allem viele größere Schulen und viele Gymnasien, an denen klappt der Video-Unterricht gut. Es hakt aber immer noch an anderen Schulen.“

Kunkel forderte mehr Unterstützung für die Schulen. Sie forderte die Kommunen auf, aus dem Digitalpaket des Bundes viel stärker zuzugreifen. Und mit Blick auf die dafür nötigen Anträge sagte sie: „Man muss den bürokratischen Prozess verschlanken.“

Reetz vom Landesschülerrat sieht aber auch die Lehrer selbst in der Pflicht. Es mangele nicht nur an fehlender Technik, sondern auch am Willen einzelner Lehrer. „Es gibt Lehrer, die einen 20 Jahre alten Laptop besitzen. Die Mikro-Qualität ist in Video-Konferenzen dementsprechend.“ Andere Lehrer würden einmal pro Woche einen Zettel mit Aufgaben bei Iserv einstellen und die Schüler machen lassen. „Das ist gerade für Unterstufenschüler, die noch nicht so gut selbständig arbeiten können, sehr gefährlich.“

Mehr aus den Schulen der Region: