Braunschweig. Nicht immer gilt das Hausrecht, wenn jemand trotz Attest eines Geschäfts verwiesen wird. Doch wie sieht es in der Pflege zuhause aus?

Darf der ambulante Pflegedienst darauf bestehen, dass ich eine Maske aufsetze – trotz eines Attests? Das fragt Leserin Rosemarie Manke aus Braunschweig. Dazu recherchierte Tanja Reeve:

Maske auf, Maske ab – das ist nun Alltag der Menschen in Deutschland geworden, seit das Corona-Virus im März das öffentliche Leben verändert hat.

Deshalb tragen wir eine Maske

Wir schützen uns gegenseitig mit einem Mund-Nasen-Schutz. Hauptaufgabe des Textils ist es, Tröpfchen abzufangen, bevor sie in die Luft gehen. Eine Maske schützt nicht den oder die Trägerin selbst, sondern die Umwelt.

Das Robert-Koch-Institut schreibt dazu: „Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung trägt dazu bei, andere Personen vor feinen Tröpfchen und Partikeln die man zum Beispiel beim Sprechen, Husten oder Niesen ausstößt, zu schützen (Fremdschutz). Wichtig ist hierbei, dass Mund und Nase bedeckt sind. Für diesen Fremdschutz durch Mund-Nasen-Bedeckung gibt es inzwischen erste wissenschaftliche Hinweise. (...) Der Eigenschutz durch Mund-Nasen-Bedeckung ist bisher wissenschaftlich nicht belegt.“ Eine Maske schützt also in erster Linie andere.

Und so lässt sich auch erklären, warum die Länder, so wie etwa Niedersachsen, auf eine Maskenpflicht im öffentlichen Raum setzen, wo ein Mindestabstand nicht eingehalten werden kann. Wenn jeder, der kann, eine Alltags-Maske trägt, sinkt das allgemeine Infektionsrisiko signifikant.

Warum gibt es eine Befreiung von der Maskenpflicht?

Nicht jede Person fällt unter die Maskenpflicht. „Den Betroffenen ist es häufig aufgrund von Lungenfunktionsstörungen, von physischen oder psychischen Behinderungen nicht möglich, den Mund und die Nase zu bedecken. Viele berichten uns, dass sie durch das Tragen einer Maske nicht nur erschwert atmen können, sondern auch die Gefahr von Asthmaanfällen, Ohnmachtsgefühlen und Panikattacken besteht, die den alltäglichen Einkauf im Geschäft mit Maske zur Unmöglichkeit oder akuten Lebensgefahr werden lässt“, schreibt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Braunschweigerin fühlt sich ungerecht behandelt

Auch Leserin Rosemarie Manke hat eine solche ärztliche Bescheinigung, dass sie aufgrund ihrer gesundheitlichen Konstitution von der Masken-Pflicht ausgenommen ist. Trotzdem bestehe ihr Pflegedienst darauf, dass sie eine Alltagsmaske in ihrer Wohnung aufsetzt, sobald eine Pflegerin oder ein Pfleger sich um sie kümmere. Und das stört Manke. Sie findet es sinnlos und sieht sich in ihren Grundrechten verletzt, sich zuhause frei bewegen zu können.

Sie beschreibt einen Besuch ihres ambulanten Pflegedienstes so: Sie steht aus ihrem Bett auf, setzt sich die Maske auf und geht ins Wohnzimmer. Dort setzt sie die Maske zur Einnahme von Medikamenten wieder ab, um dann wieder mit Maske ins Bad zu gehen. Im Bad nimmt sie die Maske ab, um sich das Gesicht zu waschen und setzt die Maske wieder auf das nasse Gesicht. Zum Abtrocknen wird die Maske wieder abgenommen, um sie danach wieder zu tragen. „Das ist doch sinnlos“, sagt sie.

Wie handeln die Betroffenen richtig?

„Mich stört es, dass der Infektionsschutz dabei praktisch nicht umsetzbar ist“, sagt Manke. Sie fühlt sich zudem ungerecht behandelt. Ihrer Aussage nach bestehe der Pflegedienst auf das Tragen der Maske trotz Attest, weil es um den Schutz der Pflegenden ginge. „Maskenpflicht gilt nicht in privaten Räumen“, sagt sie und pocht auf korrekte Schutzbekleidung für Pflegende.

Auf Nachfrage unserer Zeitung sieht sich ein Sprecher des niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung nicht zuständig: „Das klingt eher nach einer zivilrechtlichen Angelegenheit.“ Er betont: „Wir können im privaten Raum nichts regeln.“

Ähnlich verhalte es sich im Einzelhandel, erklärt der Sprecher weiter. Da stehe das Hausrecht über dem ärztlichen Attest. Ladeninhaber könnten Menschen ohne Maske, auch wenn der Verzicht medizinisch belegt ist, den Zutritt verwehren. So schreibt es das Ministerium außerdem auf seiner Homepage.

Hausrecht gilt nicht immer

Dieser Interpretation widerspricht die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen in einer Pressemitteilung zu Teilen. „Bei der Zutrittsverweigerung berufen sich die Betreiberinnen und Betreiber regelmäßig auf ihr Hausrecht. Grundlage dieses Hausrechtes sind eigentums- und besitzrechtliche Vorschriften. Danach können die Betreiberinnen und Betreiber frei bestimmen, ob und unter welchen Bedingungen sie anderen Personen Zutritt gestatten. Die Ausübung des Hausrechts ist jedoch nur im Rahmen des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zulässig. Das AGG schützt Menschen vor Diskriminierung und Benachteiligung“, begründet sie.

Allerdings greift das Gleichbehandlungsgesetz nur, wenn eine Behinderung vorliegt. Wenn eine Person wegen einer chronischen Krankheit ein ärztliches Attest erhalten hat, kann sie sich nicht auf das Gleichbehandlungsgesetzt beziehen, wenn ein Händler oder Busfahrer auf das Hausrecht pochen.

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Das Gesundheitswesen zuhause

Im Falle von Leserin Rosemarie Manke hat sie jedoch selbst das Hausrecht, wenn der ambulante Pflegedienst sie betreut. Das ist allerdings ein privater Ort – also nicht Gegenstand von Corona-Verordnungen.

Die Bundesanstalt für Arbeitsmedizin und Arbeitsschutz hat Empfehlungen für „gesichtsnahes Arbeiten“ ausgegeben – je ein medizinisch genormter Mund-Nasen-Schutz je Patient und Pfleger reicht bei Arbeiten mit Nähe zum Körper. Sollte der Patient keinen Mund-Nasen-Schutz tragen, wird Pflegern das Tragen einer FFP2-Maske empfohlen. Das alles gilt, wenn alle gängigen Hygieneregeln eingehalten werden – zum Beispiel die regelmäßige Händedesinfektion.

Das Landesgesundheitsamt Niedersachsen spricht in einem Merkblatt Empfehlungen für den Umgang mit Patienten aus, wenn diese infiziert sind. Welches Verhalten in der ambulanten Pflege angezeigt ist, wenn der Patient von der Maskenpflicht befreit ist, konnte das Landesgesundheitsamt zu Redaktionsschluss gegenüber unserer Zeitung noch nicht beantworten.