„Wer bessere Lebensbedingungen für Tiere und erträgliche Margen für Landwirte, Umweltverträglichkeit und hohe Qualität will, der muss klare Regeln festlegen.“

Was für eine Frage! Natürlich wollen wir gesunde Lebensmittel! Den Tieren soll es gut gehen und Böden und Gewässern auch. Die Landwirte sind wichtig und müssen von ihrer Arbeit leben können. So weit scheinen sich in Deutschland alle einig zu sein.

Aber der Landwirtschaft geht es schlecht. Das haben unsere Bauern der widerstrebenden Gesamtgesellschaft mit ziemlich rustikalen Mitteln näher gebracht: Zeitweise sahen deutsche Innenstädte aus wie eine Freiluftmesse der Traktorenindustrie.

Offensichtlich funktioniert die Lebensmittelwirtschaft für fast alle ganz gut – für die Händler, die Verarbeiter, für die Verbraucher. Nur die Natur kommt vielfach zu kurz, weil immenser Preisdruck und eine in Teilen ökologisch indifferente Agrarpolitik zur Industrialisierung der Landwirtschaft zwingen. Und viele Landwirte stehen mit dem Rücken zur Wand. Je schlechter ihre Böden sind, je kleiner ihre Betriebe sind und je höher ihr Anteil an gepachteten Flächen ist, desto angespannter ist ihre Lage.

Die Bauern haben sich angewöhnt, ihre Not nicht mehr still zu dulden. Mit dem gewohnheitsmäßigen Klagen, das sie angeblich besser beherrschen als jeder andere Berufsstand mit Ausnahme der Lokführer, hat das nichts mehr zu tun. Wer mit Landwirten spricht, der hört begründete Sorgen um die Zukunft. Junge Leute, viele von ihnen studierte Agrarfachmänner und -frauen, überlegen sich zweimal, ob sie den Familienbetrieb übernehmen. Wer hart arbeitet und das volle unternehmerische Risiko trägt, der braucht die Gewissheit, dass es sich lohnt. Das hat mit Geld zu tun, aber auch mit Wertschätzung für die geleistete Arbeit.

Die Probleme sind mannigfaltig. Nur wenige Beispiele seien genannt. Die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse sind zu niedrig, die Macht der Giganten der Lebensmittelindustrie zu groß, die ständige Verschärfung der Vorschriften und bürokratische Gängelung macht es Bauern schwer. Und dann haben viele von Ihnen auch den Eindruck, ihre Leistung für eine sichere, regionale Nahrungsmittelversorgung werde bis hinein in die dörfliche Nachbarschaft hinein missachtet.

Die Kanzlerin hat früher und besser als Landwirtschaftsministerin Klöckner verstanden, dass es so tatsächlich nicht weitergehen kann. Wir werden Angela Merkel vermutlich mehr vermissen, als es sich die meisten von uns heute vorstellen können. Sie besitzt die seltene Fähigkeit, die Sprengkraft eines Problems zu erkennen, komplexe Gemenge zu analysieren und Menschen zusammenzubringen, die etwas verändern können.

So kommt die Zukunftskommission Landwirtschaft ins Spiel, die jetzt ihre Arbeit aufnahm. In diesem Gremium sitzen zum ersten Mal überhaupt alle am Tisch, an denen die Zukunft der Landwirtschaft hängt. Zehn Vertreter der Landwirtschaft, vom Deutschen Bauernverband bis zum Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Acht Vertreter von Wirtschaft und Verbrauchern, zwischen Lebensmittelindustrie und Verbraucherschutz. Sieben Vertreter von Umwelt und Tierschutz aus den wesentlichen Öko-Verbänden. Und nicht zuletzt sechs Wissenschaftler, die zu den Besten ihres Fachs gehören. Das Gremium ist hochrangig besetzt. Der erste Erfolg der Zukunftskommission ist damit beschrieben: Es gibt sie, und sie hat Gewicht.

Ob die Kommission eine Chance für die zukunftssichere Landwirtschaft ist, hängt ein wenig am Geschick des Vorsitzenden. Prof. Peter Strohschneider ist gelernter Mittelalterforscher. Mit militanter Kleinstaaterei kennt er sich aus. Und wer den Wissenschaftsrat und die Deutsche Forschungsgemeinschaft erfolgreich geleitet hat, dem ist durchaus zuzutrauen, eine 32-köpfige Runde zu bändigen.

Die Größe des Gremiums entspringt der Notwendigkeit, alle relevanten Player am Tisch zu haben, ist aber auch ein Risiko. Das Gruppenfoto auf der Treppe des Kanzleramts sieht aus wie die Tourneebesetzung der Fischer-Chöre. Falls jeder der teilnehmenden Interessenvertreter sein eigenes Lied singt, wird am Ende kein harmonischer Akkord herzustellen sein. Wir sollten uns nichts vormachen: Es sind Interessen, die sich zum Teil ausschließen. Preisgünstige Lebensmittel und höchste ökologische Standards sind nur zwei von vielen Antagonisten.

Wenn es gut läuft, kann die Zukunftskommission ein guter Ratgeber sein, der dauerhaft tragfähige Kompromisslinien sichtbar macht. Durch Diskussion komplexer Zusammenhänge kann sie die Politik aus der Klemme befreien, in die sie regelmäßig durch das Silo-Denken gerät. Der Widerstand vieler Landwirte gegen die Düngemittelverordnung etwa hat viel damit zu tun, dass sie nicht zu Ende gedacht war. Die Bauern beklagen, dass sie nun Getreide ernten, das zu wenig Protein enthält und für die Mühlen nur nach Beimischung proteinreichen Getreides aus dem Ausland für Backprodukte brauchbar wird. Es ist ein Lehrbeispiel: Wer bei der Gesetzgebung den Gesamtzusammenhang aus den Augen verliert, macht schlechte Politik.

Hoffentlich gibt sich in den Kabinetten des Bundes und der Länder niemand der Illusion hin, die Kommission könne notwendige politische Richtungsentscheidungen ersetzen. Wer bessere Lebensbedingungen in der Tierhaltung und erträgliche Margen für die Landwirte, Umweltverträglichkeit und hohe Produktqualität will, der muss bereit sein, klare Regeln festzulegen. Ministerin Klöckner hat bisher davor zurückgeschreckt. Mit Goodwill-Aktionen nach dem Muster Tierwohl-Label wird sich aber nicht viel bewegen lassen.

Landwirtschaftspolitik braucht mehr Mut. Das kann von Mindestpreisen bis zum Verbot aggressiver Preiswerbung für Lebensmittel im Einzelhandel reichen. Die Lage vieler Landwirte ist zu ernst, um die Dinge laufen zu lassen.