Braunschweig. Auch die Volksbanken stellen ähnliche Überlegungen an. Experten raten, Geld in Aktien und Anleihen anzulegen.

Die Geldpolitik des EZB-Präsidenten geht zulasten der Sparer, Versicherer und Rentenversicherer.

Das sagt unser Leser Helmut Krüger aus Fallersleben.

Zum Thema recherchierte
Hannah Schmitz.

Sparen lohnt sich kaum noch. Bankkunden parken deshalb immer mehr Geld auf ihren Tagesgeld- und Girokonten. Bei den 42 niedersächsischen Sparkassen sind die Einlagen im ersten Halbjahr um mehr als 2 Milliarden Euro auf 85 Milliarden Euro angewachsen. Zwei Drittel davon machen täglich fällige Gelder aus. „Diese Entwicklung bereitet uns große Sorgen“, sagte der Präsident der öffentlich-rechtlichen Institute, Thomas Mang, kürzlich. Allein etwa bei der Sparkasse Hildesheim-Goslar-Peine ist der Anteil an Geldern, die jederzeit abrufbar sind, seit der Finanzkrise von 42 auf 75 Prozent gestiegen, um mehr als ein Viertel.

Negativzinsen bei der EZB bezahlen

Die Sparkassen schwimmen im Geld – und haben damit ein Problem. Denn bei der EZB müssen sie seit 2014 Negativzinsen zahlen für dort geparktes Geld. Derzeit liegt der Einlagenzinssatz bei minus
0,4 Prozent. EZB-Präsident Mario Draghi hatte angedeutet, dass dieser negative Einlagensatz weiter ins Minus gesenkt werden könnte – möglicherweise schon bei der nächsten EZB-Sitzung am 12. September. Damit wollen die Währungshüter die Kreditvergabe und so die Wirtschaft im Euroraum ankurbeln. Das geht, wie unser Leser Helmut Krüger richtig anmerkt, einerseits zulasten der Sparer. „Die andere Seite der Medaille ist, dass Kredite extrem günstig aufgenommen werden können. Allerdings gibt es zu wenige, die Kredite aufnehmen wollen, also zu wenig Investitionen“, sagt Olaf Schlotmann, Professor für Ökonomie des Finanzsektors an der Ostfalia. „Die Deutschen sind eine Gesellschaft von Sparern. Hier gibt es keine Investmentkultur“, kritisiert er.

Bislang zahlen Privatkunden keine Negativzinsen

Bislang hätten die Banken Privatkunden verschont und nur Unternehmen oder vermögenden Privatpersonen Negativzinsen berechnet, erklärt der Finanz-Professor. Doch das kann sich ändern. So hatte neben Niedersachsens Sparkassen-Präsident Mang auch der Präsident des bundesweiten Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, Helmut Schleweis, im Interview mit dem „Handelsblatt“ gesagt, die Möglichkeiten der Sparkassen, die Geldpolitik der EZB abzupuffern, seien endlich. Sie verursache den öffentlich-rechtlichen Instituten immense betriebs- und volkswirtschaftliche Kosten. „Das muss jemand bezahlen“, sagte Schleweis. Allerdings liege es in der eigenen Verantwortung jeder einzelnen Sparkasse, über Preisgestaltungen zu entscheiden.

Bei den Sparkassen in unserer Region sieht man sich durch den Kurs der EZB gezwungen, „Überlegungen zur teilweisen Weitergabe der Negativzinsen“ anzustellen, sagt etwa Jürgen Twardzik, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Hildesheim-Goslar-Peine. Auch die Braunschweigische Landessparkasse behält es sich vor, angesichts „der aktuellen und fortlaufenden Geldpolitik der EZB“ diese auch fortlaufend zu bewerten. Rigoros schließt keine Sparkasse mehr Negativzinsen für Sparer aus. Für Unternehmen werden teilweise schon sogenannte Verwahrungsentgelte berechnet.

Auch die Volksbanken stellen Überlegungen an

Die Volksbanken in unserer Region stellen ebenfalls Überlegungen zum Negativzins an. So teilt etwa die Volksbank Wolfenbüttel mit: „Negativzinsen schließen wir grundsätzlich nicht mehr aus.“ Im Fokus stünden bei einer Einführung aber nicht die Privatkunden. Bei der Volksbank Brawo, größtes genossenschaftliches Institut unserer Region, sondiert man ebenfalls den Markt. „Bislang haben wir noch keine Entscheidung getroffen“, sagte ein Sprecher. Bei der Volksbank Harz sind Diskussionen zum Thema „noch nicht abgeschlossen“. Die Volksbank Braunlage plant nach eigenen Angaben nicht die Einführung von Minuszinsen, schließt sie für die Zukunft aber auch nicht generell aus. „Das ist nicht möglich, da auch wir die weiteren Entwicklungen und Handlungen seitens der EZB nicht sicher einschätzen können.“ Bei der Volksbank Südheide gibt es „grundsätzliche Überlegungen, ob, und falls ja, wie wir eine entsprechende Konditionengestaltung vornehmen“. „Aber konkrete Pläne gibt es nicht“, sagte ein Sprecher.

Die genossenschaftlich organisierte Direktbank PSD in Braunschweig gibt ebenfalls an, dass bei ihr keine Negativzinsen in Planung seien. Bei der Privatbank Bankhaus Seeliger in Wolfenbüttel sieht es hingegen anders aus. Nach Angaben eines Sprechers werden dort die EZB-Zinsen von minus 0,4 Prozent auf vermögende Privatkunden mit einem Guthaben ab 250.000 Euro bereits umgeschlagen. „Weitere Schritte der EZB werden auch uns zwingen, die Umlage der Negativverzinsung auszuweiten“, so der Sprecher. Die Vermögensgrenze kann also nach unten korrigiert werden.

Es kann auch an der Gebührenschraube gedreht werden

Nach Meinung von Professor Schlotmann sind Banken dazu gezwungen, die Negativzinsen entweder weiterzugeben oder an der Gebührenschraube zu drehen. „Sonst erodiert ihre Ertragskraft immer weiter“, so der Experte. Durch die lockere Geldpolitik der EZB sinken die Zinsüberschüsse der Banken, das schwächt wiederum deren Gewinne, weil sich der Rückgang kaum noch durch Provisionsüberschüsse oder das Kreditgeschäft kompensieren lassen. Zusätzlich steigen die Ausgaben zum Beispiel für die Digitalisierung.

Die Commerzbank ist dazu übergegangen, mit Firmenkunden über alternative Anlagekonzepte zu verhandeln, wie eine Sprecherin der Region Nord berichtete. „Um die Guthabengebühren zu umgehen.“ Wie auch die Deutsche Bank plane man nicht die Einführung von Negativzinsen „an die Millionen von Privatkunden“. Von Sparkassen heißt es ebenfalls, vorrangiges Ziel sei es, Kunden über Anlagealternativen zu beraten, damit das Geld nicht mehr auf den Konten liegt. „Dies ist für alle die beste Variante“, sagt Sparkassen-Vorstand Twardzik.

In den vergangenen Jahren hatten neben privaten Geldinstituten auch Sparkassen und Volksbanken, die wegen ihrer Größe noch mehr unter der Zinspolitik der EZB leiden als Privatbanken, auch in unserer Region Gebühren für Überweisungen oder etwa die Kontoführung erhöht. Offenbar ist hier jedoch erst einmal das Ende der Fahnenstange erreicht.

Sparer sollten Geld anderweitig anlegen

Schlotmann empfiehlt Sparern, ihr Geld anderweitig in Aktien oder Anleihen anzulegen, und hat wenig Verständnis für Menschen, „die 10.000, 20.000 oder 30.000 Euro auf ihrem Konto horten“. Denn ihnen droht nicht nur ein Negativzins von 0,4 Prozent, sie schreiben auch inflationsbedingt Verluste, wenn es keine Zinsen mehr auf ihre Geldeinlagen gibt. In unserer Region sind Negativzinsen für Sparer aber bisher nur Überlegungen. Schlotmann: „Die Banken haben natürlich Angst, dadurch Kunden zu verlieren. Denn wenn Gebühren kommen, dann wollen die Kunden erst einmal woanders hin.“