Braunschweig. Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza erklärt, warum das sogenannte Containern nicht legalisiert werden sollte.

Fremde Lebensmittel aus dem Müll zu fischen, bleibt weiterhin strafbar. Einen Antrag des Hamburger Justizsenators Till Steffen (Grüne) zur Legalisierung des sogenannten Containerns hatten die Justizminister der Bundesländer Anfang Juni bei einem Treffen in Lübeck mehrheitlich abgelehnt. Niedersachsens Justizminister Barbara Havliza (CDU) erklärt im Interview, die Hintergründe.

Die Diskussion um das sogenannte Containern wird sehr emotional geführt. Unser Leser Peter Ritter aus Schöningen fragt zum Beispiel: Haben die Minister einmal darüber nachgedacht, welche Wirkung die Ablehnung des sogenannten Containerns bei den Ärmsten der Bevölkerung auslöst?

Natürlich haben wir darüber nachgedacht. Das sogenannte Containern war auf der Justizministerkonferenz eines der am stärksten diskutierten Themen. Aber letztlich geht es doch um das Problem der Verschwendung von Lebensmitteln. Diese Verschwendung wird nicht reduziert, nur weil das „Containern“ straffrei gestellt wird.

Aber ist es nicht ein fatales Signal, wenn gerade die Ärmsten auch noch dafür bestraft werden, dass sie Lebensmittel einsammeln, die ohnehin auf dem Müll landen?

Das ist ein Schreckensszenario, das ich so nicht bestätigen kann. Das deutsche Strafrecht bietet viele Möglichkeiten, auf einen Einzelfall zu reagieren. Wenn sich also ein Bedürftiger aus der Not heraus Lebensmittel aus einem Supermarkt-Container geholt hat, wird dies in der Regel eher nicht sanktioniert. Mir ist auch nicht bekannt, dass die Staatsanwaltschaften mit derlei Verfahren überhäuft werden. Und wenn es Verfahren gibt, dann handelt es sich oft um Aktivisten, die auf das Problem der Lebensmittelverschwendung aufmerksam machen wollen.

Aber ist es nicht einfacher, das „Containern“ straffrei zu stellen?

Im Gegenteil: Es wird alles noch viel komplizierter. Nehmen wir an, das unerlaubte Entnehmen von Lebensmitteln aus den Abfallcontainern eines Supermarktes wäre kein Diebstahl mehr. Was würde denn passieren, wenn nun jeder Supermarkt ein Schloss an seinen Container anbringt – etwa um zu verhindern, dass jemand verdorbene Lebensmitteln entnimmt? Wer das Schloss aufbricht, der begeht eine Sachbeschädigung und macht sich trotzdem strafbar. Ich denke nicht, dass jemand eine solche Sachbeschädigung gutheißen möchte. Die gesamte Diskussion um eine Legalisierung des Containerns fällt dann in sich zusammen. Wollte man das Containern trotzdem legalisieren, dann müssten wir die Vorschriften über das Eigentum verändern.

Nur weil etwas im Müll landet, verliere ich nicht sofort das Eigentum daran. Denken Sie an den folgenden Fall: Wenn ich etwas im Papierkorb in einem öffentlichen Park entsorge, dann gebe ich mein Eigentum in aller Regel auf. Wenn ich etwas in meinem Hausmüll entsorge, zum Beispiel persönliche Unterlagen, dann werde ich eher nicht wollen, dass jemand darin herumstöbert, bevor der Müllwagen kommt. Diese Regelungen sind kompliziert. Änderungen sind noch komplizierter. Zu kompliziert, wenn man bedenkt, dass man dadurch bei dem Problem der Lebensmittelverschwendung keinen Zentimeter weiterkommt.

Welche Ansätze könnte es denn sonst geben?

Ganz sicher stehen auch wir Kunden in der Verantwortung. Muss wirklich noch um 18 Uhr die ganze Palette an frischen Waren im Supermarkt angeboten werden? Wer das erwartet, trägt zur Verschwendung bei. Denn Lebensmittel, die am nächsten Tag nicht mehr verkauft werden können, landen in den Abfalltonnen. Natürlich befürworte ich es aber auch, wenn Supermärkte mit den „Tafeln“ zusammenarbeiten. Oder wenn Supermärkte selbst Mitnehm-Aktionen anbieten. Das gibt es ja zum Teil auch. Wichtig ist, dass verdorbene Lebensmittel nicht unkontrolliert aus den Müllcontainern entnommen werden können.

Um die Lebensmittel-Verschwendung einzudämmen, könnten große Märkte dazu verpflichtet werden, nicht mehr verkäufliche Nahrungsmittel an Hilfsorganisationen abzugeben. Was halten Sie von diesem Vorschlag?

Auch das finde ich sehr gut. Wir Justizminister haben deshalb unter anderem die Agrar- und Verbraucherschutzminister gebeten, Wege zu prüfen, wie solche Vorgaben rechtlich funktionieren können. Das Strafrecht zu ändern, ist aber der falsche Ansatz.