Braunschweig. . Umweltschützer und Jäger fordern mehr Einsatz für den Lebensraum von Feldhasen in Niedersachsen.

Einzeln ins Gras geduckt warten die Junghasen auf ihre Mutter. Kurz kommt sie zum Säugen vorbei, dann verschwindet sie wieder. Nicht nur Füchse und andere Räuber können den Kleinen gefährlich werden. Ganz wichtig ist das Wetter – denn anders als bei den Kaninchen gibt es keinen schützenden Bau. Ist es nass und kalt, sterben viele Junghasen an Krankheiten oder sie erfrieren, vor allem im Frühjahr. Doch im vergangenen Jahr hat der trockene und warme Frühling den Feldhasen gut getan, glaubt man der Zählung der Jäger.

Elf Hasen leben ihnen zufolge im Durchschnitt auf Niedersachsens Feldern und Wiesen pro Quadratkilometer. Damit sei der Hasenbesatz gegenüber den Vorjahren konstant geblieben, sagte Florian Rölfing, Sprecher der Landesjägerschaft (LJN) in Hannover. Als Besatz wird die Menge einer bestimmten Niederwildart bezeichnet.

Rechtzeitig kurz vor Ostern veröffentlichte der Landesjagdverband die Zahlen für 2018 aus der Wildtiererfassung Niedersachsen. Dabei gab es regional, wie in den Jahren zuvor, große Unterschiede: So wurden im Norden und Nordwesten – hier leben bundesweit die meisten Hasen pro Fläche – bis zu 75 Feldhasen pro Quadratkilometer erfasst. Im waldreichen Süden waren es bei den Zählungen vom vergangenen Frühjahr wieder deutlich weniger. „Die Ursachen für die regional unterschiedlichen und über die Jahrzehnte teils ungewöhnlichen Entwicklungen der Hasenbesätze geben den Forschern immer noch Rätsel auf“, heißt es dazu aus dem Landesumweltministerium. Auch in unserer Region, die zu den südlichen und östlichen Landesteilen zählt, sind die Hasenbesätze relativ stabil geblieben – allerdings „auf niedrigem Niveau“, wie das Ministerium betont. Betrachte man einen etwas längeren Zeitraum, werde jedoch ein Abwärtstrend klar erkennbar: In den „traditionellen Niederwildregionen westlich der Weser und entlang der Elbe“ etwa, so das Ministerium, sei die Zahl von Feldhasen pro Quadratkilometer in den letzten zehn Jahren deutlich zurückgegangen.

Der Lebensraum schwindet

Zu verantworten hat das vor allem der Mensch. Durch die Intensivierung der Landwirtschaft wurde es eng für die Langohren. Sie sind auf eine abwechslungsreiche Landschaft angewiesen – mit nahrhaften Wildkräutern und Gräsern sowie ausreichend Rückzugsmöglichkeiten: Diese Lebensräume werden zusehends seltener, denn gerade die Ackerflächen haben sich stark gewandelt. Tiefe Furchen, in sich die Tiere ducken und die ihnen als Kinderstube dienen könnten, gibt es immer weniger. Auch die Abstände, in denen die Felder mit Landmaschinen beackert werden, sind immer kürzer geworden. „In den vergangenen drei Jahrzehnten haben die Mechanisierung der landwirtschaftlichen Bearbeitung, Flurbereinigung, große Schlagflächen, die Reduktion auf wenige Anbaufrüchte und der Verlust von Wildkräutern den Lebensraum für die Tiere der Agrarlandschaft stark beeinträchtigt“, fasst das Umweltministerium die Lage zusammen.

Für den Naturschutzbund Deutschland (Nabu) steht fest, welche Schlüsse daraus zu ziehen sind: „Solange sich an dieser negativen Entwicklung nichts ändert, wird nicht nur die Nahrungsgrundlage der sympathischen Langohren immer weiter eingeschränkt, auch seine Versteckmöglichkeiten gehen verloren“, sagt Pressesprecher Philip Foth vom Nabu Niedersachsen. Vor allem Jungtiere litten, da es ihnen an Deckung und damit an Schutz vor Feinden fehle.

„Gerade in der ausgeräumten, intensiv agrarisch genutzten Bördelandschaft im Braunschweiger Land“, so der Nabu-Sprecher, sei es wichtig, die „Strukturvielfalt“ der Landschaft etwa durch die Anlage von Blühstreifen, Hecken, Brachen oder durch das Belassen von Wegeseitenrändern zu erhöhen. Davon würden auch viele andere heimische Tierarten, etwa bedrohte Vögel wie der Kiebitz oder die Feldlerche, aber auch Bienen und andere Insekten profitieren. Zudem könnten die Rückzugsmöglichkeiten und das Nahrungsangebot für Feldhasen durch eine „Extensivierung der Landwirtschaft“, also einen deutlich geringeren Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden wesentlich verbessert werden.

Jäger sehen die Politik gefordert

Die niedersächsischen Jäger sehen vor allem die Politik gefordert, mehr für bessere Lebensbedingungen der Feldhasen zu tun. Sie müsse „Anreize für eine wildtierfreundliche Landwirtschaft“ schaffen, teilte Helmut Dammann-Tamke, Präsident der Landesjägerschaft, in einer Pressemeldung mit. Konkret fordert er die Förderung von Blühstreifen und anderen struktur­gebender Landschaftselemente sowie die „Entbürokratisierung von Antragsverfahren für die Landwirte und Flächenbewirtschafter“. Wenn die Europäische Union ihre Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) nach 2020 neu ausrichte, bestehe die große Chance, Förderfehler der Vergangenheit zu revidieren, so Dam­mann-Tamke.

Bereits seit 2015 verpflichtet die sogenannte „Greening“-Richtlinie der EU die Landwirte, auf fünf Prozent ihrer Ackerfläche Gräser, Kräuter oder Wildblumen sprießen zu lassen. Hierfür erhalten sie EU-Förderungen, die sie beim Land beantragen können.

Jäger fordern Fangjagd auf Räuber

Aus Sicht des niedersächsischen Umweltministeriums reicht eine Verbesserung des Lebensraumes allerdings nicht aus, damit sich zukünftig wieder mehr Hasen pro Hektar tummeln. Auch Raubtiere machen ihnen das Leben schwer. Daher heißt es aus dem von Olaf Lies (SPD) geleiteten Haus: „Es sollten alle zur Verfügung stehenden und den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Möglichkeiten genutzt werden, die Populationen der Prädatoren und hier vor allem des Fuchses auf ein angepasstes Maß abzusenken.“

Auch die Landesjägerschaft fordert zum Schutz des Hasen eine „intensive Bejagung von Prädatoren wie Fuchs, Marder und anderen Beutegreifern“. Ein wichtiges Instrument, so die Jäger, sei hierbei die „Fangjagd“, also die Verwendung von Fallen, um Tiere lebend zu fangen oder unmittelbar zu töten. Der Präsident der Landesjägerschaft forderte „ein klares politisches Bekenntnis zur dieser Art der Jagd“. Die von Tierschützern scharf kritisierte Fallenjagd unterliegt in den Bundesländern unterschiedlichen Regelungen.

Gerade im intensiv agrarisch genutzten Braunschweiger Land ist es wichtig, die Strukturvielfalt der Landschaft zu erhöhen.
Philip Foth