Braunschweig. Daten-Experte Thomas Kürner nennt Voraussetzungen für den neuen Standard: Man muss zusätzliche Stationen aufbauen.

Mit dem Smartphone in Sekundenschnelle Videos laden: Mit dem neuen Mobilfunkstandard G5 – die Abkürzung steht für „Fünfte Generation“ – soll das kein Problem mehr sein. Die Zeit zwischen Senden und Empfangen von Daten soll auf ein Minimum reduziert werden. Bis 2022 sollen 98 Prozent aller Haushalte von der neuen Technik erreicht werden. Über die Voraussetzungen dafür sprach Andreas Eberhard mit Professor Thomas Kürner. Er leitet die Abteilung Mobilfunksysteme des Instituts für Nachrichtentechnik der TU Braunschweig.

Funklöcher sind ja kein unbekanntes Phänomen in unserer Region. Wovon wird abhängen, ob es auch bei 5G dabei bleibt?

Das wird davon abhängen, wie viele Stationen man aufbaut. Die neuen Frequenzen, die zur Versteigerung stehen, haben eine grundsätzlich geringere Reichweite als man sie von den bisherigen Mobilfunknetzen kennt. Allein durch die höheren Frequenzen würden die Funklöcher – ohne zusätzliche Basisstationen – nicht geschlossen. Man wird zusätzliche Stationen aufbauen müssen. Nur weil man 4G durch 5G ersetzt, schließt man noch keine Funklöcher. Im Gegenteil: Da man künftig höhere Datenraten hat – 100 Megabit statt 50 pro Sekunde – braucht man noch mehr Leistung, um in die Gebiete vorzudringen, die jetzt schon nicht versorgt sind. Man braucht ein dichteres Netz.

Wird der neue Mobilfunkstandard wirklich unseren Alltag revolutionieren, oder doch erst einmal nur die Arbeit der Industrie?

Für die hohen Datenraten und die geringen Verzögerungszeiten von 5G sehe ich zunächst einmal Anwendungen im Bereich der Industrie. Etwa können Roboter in Produktionsbetrieben am Fließband drahtlos vernetzt werden. Da braucht man kurze Reaktionszeiten, um alles fein aufeinander abzustimmen. Da kann ich mir den Einsatz sehr gut vorstellen.

Und der Ottonormalverbraucher?

Den könnte es eines Tages tangieren, wenn es etwa um virtuelle Realität bei Computerspielen geht. Auch da braucht man diese kurzen Latenzzeiten.

Wann wäre das denn realistisch?

Das hängt davon ab, wie schnell sich die Anwendungen am Markt entwickeln und wie schnell der Netzausbau voranschreitet. Die Ausbauversplichtungen sehen 2022 bis 2024 als Ziel vor. Aber aus früheren Erfahrungen kann man sagen: Es vergehen immer drei bis fünf Jahre, bis neue Mobilfunkstandards ihre volle Leistung entfalten.

Welche Hardware braucht man, um die Vorzüge von 5G zu nutzen?

Um echte 5G-Technologie zu netzen, braucht man ein neues Smartphone. Aber zwischen 4G und 5G gibt es keinen harten Schnitt. Zum ersten Mal bei einem Generationsübergang wird keine neue Technik verwendet. Die Basis für die Übertragung, das OFDM-Verfahren, das auch im W-Lan drinsteckt, bleibt dieselbe. In Smartphones – die meisten Deutschen kaufen sich ja alle drei bis vier Jahre ein neues – wird diese Technik in ein paar Jahren standardmäßig enthalten sein.

Wird das klassische Telefonnetz durch so ein leistungsfähiges Netz nicht irgendwann überflüssig?

Das ist eine spannende Frage. Die Zahl der Mobilfunkanschlüsse steigt immer mehr. Schon heute gibt es mehr Sim-Karten als Einwohner in Deutschland. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Festnetzanschlüsse. Ob das eine das andere irgendwann vollständig ersetzt, ist schwer zu sagen. Aber der Trend ist da.

Gilt das auch fürs Kabel-Internet?

Da ist es schon noch anders. Die erreichbaren Übertragungsgeschwindigkeiten – drahtlos und drahtgebunden – bewegen sich zwar aufeinander zu, aber die Datenraten im drahtgebundenen Internet sind immer noch deutlich höher und das wird wohl auch noch auf Jahre hinaus so bleiben.

Manche Berichte lesen sich so, als wäre 5G die Antwort auf alle Fragen der Digitalisierung. Sind diese Erwartungen nicht überzogen?

Ich glaube, ein Stück weit schon. Man hat meist nur die höhere Leistungsfähigkeit im Blick. Aber wenn ich sehe, dass es immer noch große weiße Flecken gibt, oder wenn ich mir angucke, wie die Internet- und Mobilfunk-Versorgung in den Zügen ist, dann wäre es schon ein Fortschritt, wenn die bestehende Technologie weiter ausgebaut wäre. das würde schon weiterhelfen. Die Aussicht auf noch höhere Datenraten nützt mir nichts, wenn ich jetzt im ICE sitze und die Verbindung abbricht.

Unsere Leserin Agnes Mohrmann fragt: Was halten Sie von Warnungen vor Gesundheitsbelastungen durch elektromagnetische Strahlung durch die 5G-Technologie?

Das ist ein schwieriges Feld. Bis heute konnten keine Schäden nachgewiesen werden. Ich sage immer: Mobilfunk gibt es flächendeckend und in der Masse seit fast 30 Jahren. Wenn es schädliche Langzeitfolgen gäbe, hätten die bis heute schon massiv auftreten müssen.