Laut DAK-Studie haben schon die Kleinen viel zu oft Gesundheitsprobleme. Ärzte warnen: Heuschnupfen nicht unterschätzen!

Kann übertragener Stress der Eltern – zum Beispiel aus Angst vor Jobverlust – bei chronischen Erkrankungen der Kinder eine Rolle spielen?

Das fragt unsere Leserin Marion June Lenz auf unseren Facebookseiten.

Die Antwort recherchierte Michael Ahlers

Hannover. Thomas Buck, Facharzt für Kinderheilkunde, Jugendmedizin, Allergologe und Pädiatrische Pneumologie aus Hannover, ließ beim Vorstellen der DAK-Studie zur Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen in Niedersachsen keinen Zweifel. „Wir brauchen mehr Prävention“, sagte Buck. Und Buck wie auch der Bielefelder Gesundheitsökonom Wolfgang Greiner machten das Problem deutlich: Diejenigen, die Informationen über Gesundheitsvorsorge besonders nötig hätten, seien am schwierigsten zu erreichen.

Was die DAK zusammen mit Buck und Greiner am Donnerstag in Hannover vorstellte, hatte ähnlich beispielsweise am 6. Februar in Düsseldorf für Nordrhein-Westfalen stattgefunden. „Jedes vierte Kind in NRW ist chronisch krank“, meldete etwa der WDR. Für Aufsehen sorgte auch in NRW das Stadt-Land-Gefälle. Die Abweichungen seien zu hoch, um sie allein damit zu erklären, dass mehr Ärzte in der Nähe auch mehr Arztbesuche zur Folge hätten, hieß es nun zur Lage in Niedersachsen bei der Präsentation der Studie. Denn die beruht auf den Versichertendaten von Kindern und Jugendlichen bis 17 bei der DAK in Niedersachsen. 51 Prozent aller bei der DAK versicherten Kinder und Jugendlichen leben in ländlichen, 49 Prozent in städtischen Gebieten. 2016 hatten nach den Daten 31 Prozent mehr Stadt-Kinder Zahnkaries als in ländlichen Gebieten, 14 Prozent mehr Fälle von Fettleibigkeit wurden registriert, 11 Prozent mehr Verhaltensstörungen und 10 Prozent mehr Depressionen. Überrascht von diesen klaren Abweichungen zeigte sich DAK-Niedersachsenchef Dirk Vennekold. „In städtischen Gebieten bekamen die Kinder mehr Medikamente verschrieben“, heißt es auf Seite 88 der Studie, darunter auch Schmerzmittel. Insgesamt sind außerdem etwas mehr Jungen von chronischen körperlichen Krankheiten betroffen als Mädchen.

Dass möglicherweise in ländlichen Gebieten die Lebensumstände für Kinder – trotz oft längerer Wege – gesundheitsfördernder sein könnten, deuteten die Fachleute an. In ihrer Bundesstudie zur Familiengesundheit hatte die DAK den Zusammenhang zwischen „Sozioökonomischem Familienstatus“ und Erkrankungshäufigkeiten herausgestellt. Kinderarzt Buck warnte, dass Kinder Probleme wie Übergewicht nicht ohne Rückendeckung der Eltern lösen könnten – und dass das Nichtlösen des Problems für das Kind in eine Depression führen könne. Auch die Frage unser Leserin zielt auf negative Einflussfaktoren. Die Studie spricht allgemein von „Familienassoziierten Determinanten für die Gesundheit und Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen“. Stress wird dabei ausdrücklich genannt, unter „Faktoren interner Natur“. Details liefert die Studie aber nicht.

Die DAK hebt die große Datenbasis ihrer Studie hervor. Andere Studien, so etwa seit 2003 vom Robert Koch Institut, hatten ebenfalls Risiken wie Bewegungsmangel oder Rauchen in der Schwangerschaft herausgestellt. Der Anteil der fettleibigen Kinder sei konstant, der Tageskonsum von zuckerhaltigen Getränken zurückgegangen, die Zahl der Gelegenheitsraucher im Alter zwischen 11 und 17 Jahren gesunken, hieß es 2018. Kurz: Es gibt offenbar auch Fortschritte.

„Kauft echte Nahrungsmittel“, appellierte Kinderarzt Buck am Donnerstag vor allem an die Eltern. Er warnte außerdem davor, Krankheiten wie Heuschnupfen zu unterschätzen. Auch Augenerkrankungen, etwa Schielen, müssten dringend behandelt werden.

All das setzt jedoch Aufklärung voraus. Die Realität in den Arztpraxen sieht oft anders aus. Wissenschaftler Greiner sagte, wer sich alleine keine Informationen verschaffe, der brauche eben Ansprache: in der Schule, in Vereinen, in Jugendzentren. Und Mediziner Buck berichtete von einer Mutter, die ihr angeblich wenig essendes Kind mit Säften hochpäppelte. Ob vom zuckerhaltigen Saft oder nicht, das Kind legte immer mehr an Gewicht zu.