Dirk Toepffer führt seit 2017 die CDU-Fraktion im Landtag. Im Interview spricht er über Schwarz und Rot, über unsere Region und die Nord-LB.

Braunschweig. Dirk Toepffer, Rechtsanwalt aus Hannover und seit 2008 Landtagsabgeordneter, gilt als ein Aktivposten der Koalition von SPD und CDU in Niedersachsen. Mit Toepffer, der seit dem November 2017 Fraktionschef ist, sprachen Armin Maus und Michael Ahlers.

Herr Toepffer, als CDU-Fraktionschef im Landtag wirken Sie ganz zufrieden. Die Regierungsarbeit läuft zwar nicht ohne Reibungen, aber die Große Koalition wirkt doch insgesamt ganz stabil.

Es wäre ja traurig, wenn es reibungslos wäre. Dann würden wir etwas falsch machen. Wenn unterschiedliche Parteien mit unterschiedlichen Programmen zusammen regieren, muss es ja mal Reibungen geben. Ich kann sagen: Große Koalition in Niedersachsen macht wirklich Spaß. Von Tag zu Tag mehr. Ich frage mich manchmal, wie man das wieder auseinander kriegt…

Das ist ja ein wunderbares rosarotes Bild, aber das Lagerdenken gibt es ja schon noch: die Roten, die Schwarzen...

Klar, muss es ja. Aber dass man in zwei Lagern existieren und eine erfolgreiche Politik machen kann, ist gut. Das Bündnis ist inzwischen mehr als eine Zweckgemeinschaft. Das sehen Sie auch an den Abgeordneten der Region. Anfangs waren das Abgeordnete von SPD und CDU, die gegenseitig schauten, wer sich mehr für die Region einsetzt. Mittlerweile ist es so, dass die regionalen Abgeordneten in bestimmten Fragen zusammenarbeiten, zum Beispiel beim Paläon. Da wissen wir dann, wenn wir mit dem dafür zuständigen Wissenschaftsministerium nicht eine Lösung für das Paläon erarbeiten, dann haben wir beide Regierungsfraktionen gegen uns. Das ist schwierig. Zu Beginn dieser Legislaturperiode bin ich übrigens zum ersten Mal zum Paläon gefahren. Ich habe mir Zeit genommen und war schier begeistert. Viele, die eine skeptische Haltung dazu vertreten, waren noch gar nicht da.

Die Mehrheit der Großen Koalition im Landtag ist riesig, die Stimmung angeblich auch gut. Warum gibt es dann diese Mutlosigkeit beim Thema Kommunalreform? Stattdessen wird eine Regierungskommission zu Verwaltungsstrukturen eingesetzt, bei der aber vermutlich wenig herauskommen wird. Warum erzählt auch diese Landesregierung permanent, dass eine Kommunalreform von unten kommen muss? Das hat schon Uwe Schünemann (CDU) als Innenminister gesagt, jetzt sagt es Boris Pistorius (SPD)…

Ich glaube nicht, dass diese Haltung grundsätzlich falsch ist. Wenn man eine solche Gebietsreform macht, dann muss die von den betroffenen Menschen ja angenommen werden. Das gilt gerade in einer so selbstbewussten Region wie dieser. Diese Region ist außerdem extrem vielfältig, sie ist stark in Wirtschaft und Forschung. Ihr keine Gebietsreform aufzudrücken, ist ein Stück weit auch schlichtweg Respekt. Es ist außerdem eine historisch gewachsene Region. Als ich Bürgermeister Pink besucht habe, hat der mir erstmal voller Stolz von Wolfenbüttel erzählt. Die Ideen zu einer Reform müssen vielleicht nicht unbedingt unten entwickelt werden. Aber sie müssen zumindest unten bei allen Lagern Akzeptanz finden.

Herrn Pink wollten Sie vom Austritt aus der CDU abhalten. Aber zurück zur Kommunalreform: Das Land könnte dabei ja zumindest eine moderierende Rolle einnehmen, auch das tut es nicht.

Es gibt soweit ich sehe nichts Großes, was man moderieren könnte. Da würde ich die Landesregierung eher in der Pflicht sehen, die Stadt Salzgitter stärker zu unterstützen. Da stehen 3000 Wohnungen leer. Die Zuzugssperre für Flüchtlinge war zwar ein richtiger und wichtiger Schritt. Es ziehen aber auch viele Sozialschwache zu, weil es günstig Wohnungen gibt.

Was schlagen Sie vor?

Wir müssen Salzgitter und die Region wirtschaftlich stärken, um Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen. Dazu gehört aber auch, dass Salzgitter bei der Umgestaltung von 3000 leerstehenden Wohnungen nicht alleine gelassen wird. Bei der Umgestaltung muss auf eine gesunde gesellschaftliche Entwicklung geachtet werden.

Niedersachsen hat seit dem Abschaffen der Bezirksregierungen 2004/2005 keine regionale Mittelbehörde mehr, anders als etwa Bayern, Baden-Württemberg, Hessen oder Nordrhein-Westfalen. Und einig ist die Koalition beim Thema Behördenaufbau keineswegs. Die SPD will zumindest eine Art kleine Mittelbehörde und hat Ämter für regionale Landesentwicklung ins Leben gerufen, die CDU hat da gewaltig gebremst. Auch das hat doch etwas mit Landesentwicklung zu tun.

Die Ämter für regionale Entwicklung waren von uns anfangs nicht gewollt, aber ich gestehe zu, dass die vier Landesbeauftragten an der Spitze dieser Ämter gute Arbeit machen. Aber dass man deshalb wieder eine Mittelbehörde aufbauen müsste, erkenne ich nicht. Das Land ist nicht daran kaputtgegangen, dass wir sie nicht mehr haben.

Gerade in der Wirtschaftsförderung hängt doch aber viel an der Aktivität des Landes. Nehmen Sie den Südniedersachsen-Plan. Da gibt es ein funktionierendes Projektbüro und Landesmittel. Diese Mittel werden dann auch abgerufen. Dieser Plan kam von der SPD-Seite in der Koalition.

Dieser Plan scheint zu funktionieren, das gebe ich zu. Aber das brauchen wir sicher nicht in allen niedersächsischen Regionen. Manche wollen das auch gar nicht.

In Ihrer Koalition gibt es ein neues Europaministerium. Das hat allerdings nicht das Gewicht, wie es etwa das Wirtschaftsministerium oder das Umweltministerium haben. Brauchen wir dieses Ministerium wirklich?

Gerade in der jetzigen Zeit halte ich das für extrem wichtig. Ich war ja sogar im Schattenkabinett von Bernd Althusmann als Europaminister vorgesehen, insofern bin ich befangen (lacht). Aber ich finde: Europa ist wichtiger denn je, das muss man auch sichtbar machen. Viele andere Bundesländer haben so ein Ministerium ja auch. Zur Struktur will ich aber eines anmerken: Beim wichtigen Thema Wirtschaftsförderung stellen wir als Fraktion fest, dass es ein Problem mit Zuständigkeiten gibt. Der Umwelt- und Bauminister macht eben auch etwas Wirtschaftspolitik, dann natürlich der Wirtschaftsminister, dann auch Europaministerin Birgit Honé – und das Landwirtschaftsministerium kommt ja auch noch dazu. Da würde ich mir wünschen, dass alle Ressorts noch stärker miteinander arbeiten. Und nicht so sehr darauf schauen, die politischen Lorbeeren einzufahren. Aber ein Zurück zu Mittelbehörden brauchen wir dafür nicht.

Das große Thema der jüngsten Wochen und Monate ist die Nord-LB. Sie sitzen im Verwaltungsrat der Sparkasse Hannover, haben also einen guten Einblick. Es hieß ja lange, die Sparkassen hätten keinerlei Neigung, der Nord-LB nochmal Geld hinterherzuwerfen. Der Sparkassenverband Niedersachsen zählt zu den Trägern der Nord-LB. Nun soll die Rettung doch von der Sparkassenseite kommen – zusammen mit bis zu 2,5 Milliarden Euro vom Land..

Wir haben eine Bank, die in eine Schieflage geraten ist. Wir haben eine Landesregierung, die auf diese Schieflage reagieren muss. Es gab drei Szenarien: Den Einstieg privater Investoren, die Abwicklung der Bank oder eben den Einstieg des Sparkassen-Lagers. Das gewählte Szenario ist aus meiner Sicht das Richtige. Das private Modell wäre nicht finanzierbar gewesen. Die Abwicklung der Bank wäre für das Land nur vordergründig am günstigsten gewesen, und die volkswirtschaftlichen Folgen aber wären fatal gewesen. Wir sind aber noch nicht über den Berg. Jetzt ist erstmal die EU in Brüssel am Zug...

Innerhalb des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes gab es ja auch andere Stimmen. Aber der Präsident hat die Mitglieder bei der entscheidenden Versammlung wohl in den Abgrund blicken lassen. Wie es heißt, hätte ohne die Rettungsaktion möglicherweise das gesamte gemeinsame Sicherungssystem von Banken und Sparkassen in Frage gestanden.

Die niedersächsische Sparkassenlandschaft hat nicht nur Freunde in Deutschland. Es war in der Tat nicht so, dass alle mit wehenden Fahnen zu unserer Rettung herbeigeeilt sind.

Ein anderes Motiv war es wohl auch, die „Sortenreinheit“ in der Banken- und Sparkassenlandschaft in Niedersachsen herzustellen. Es ist ja nicht Aufgabe einer Landesbank, eine Sparkasse als „Anstalt in der Anstalt“ zu betreiben, so wie es die Braunschweigische Landessparkasse ist. Seinerzeit war das ein Kompromiss. Die Region forderte eine eigene Sparkasse. Was passiert denn, wenn die EU erklärt, dass der Sparkassenverband nicht als privater Kapitalgeber für die Nord-LB anerkannt werde?

Dann müssen wir uns etwas Neues einfallen lassen.

Und falls der angekündigte Businessplan für eine geschrumpfte Nord-LB nicht genehmigt wird?

Dann müsste man sehen, woran das gelegen hat, und da an dem Punkt ansetzen. Aber wir gehen davon aus, dass der Plan genehmigt wird.

Der Sparkassenverband sagt ganz klar, wir wollen die Eigenständigkeit der Braunschweigischen Landessparkasse. Die Landesregierung sagt dazu ja, mittelfristig. Aber es geht ja immer auch um einen Preis. Wie kann es gelingen, die BLSK in kommunale Trägerschaft zu überführen?

Diese Sparkassenlandschaft in Deutschland ist schon etwas einmaliges. Nicht umsonst will die Region die Landessparkasse erhalten und möglichst übernehmen. Die Zukunft der BLSK war bei der gesamten Frage der Rettung der Nord-LB einer der wichtigsten Punkte. Die jetzt gefundene Lösung ist erst einmal ein sehr gutes Signal, weil erstmal alles bleibt wie es ist – und nicht schwieriger wird. Was ein Problem ist, ist das Datum 2022. Bis dahin soll ja geklärt sein, wie die BLSK aus der Bank herausgelöst wird. Ich möchte aber nicht, dass diese Frage zum Spielball des nächsten Landtagswahlkampfes wird. Daher hoffe ich, dass die Große Koalition vorher eine Lösung findet. Ich würde mir persönlich zwar wünschen, dass es eine kommunale Trägerschaft gibt. Mir fehlt aber derzeit die Fantasie, wo das Geld dafür herkommen soll. 200 bis 300 Millionen Euro soll es alleine kosten, eine eigene IT aufzubauen. Bisher läuft das über die Nord-LB. Dazu braucht man wie man hört 600 bis 700 Millionen Euro Eigenkapital. Wir reden also von mindestens einer Milliarde. Die kann sicher nicht von den Kommunen in der Region kommen. Wenn man zu dem Schluss kommt, dass es nicht funktionieren kann, dann sollte man schnell andere Lösungen finden. Sonst haben wir eine Dauerdiskussion.

Die Kapitalspritze für die Nord-LB soll auf Pump über eine Beteiligungsgesellschaft des Landes finanziert werden. Warum kann das Land den Kommunen nicht auch helfen?

Land und Sparkassen haben in einem langen und aufwendigen Prozess ein Modell für eine zukunftsfähige Nord-LB gefunden. Dabei mussten vielfältige rechtliche, aber auch Fragen zu den bisherigen und künftigen Geschäftsprozessen geklärt werden. Die meisten dieser Fragen waren alles andere als trivial. Die Braunschweigische Landessparkasse ist nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich derart eng mit der Nord-LB verflochten, dass die Trennung beider Institute wiederum eine Vielzahl komplexer Fragen aufwerfen wird, von denen wir heute noch keine Vorstellung haben. Ob, wie und in welchem Umfang das Land den Kommunen unter die Arme greifen kann, sollte man vernünftigerweise besprechen, wenn feststeht, wie genau eine Herauslösung vollzogen werden soll.

Sie haben eingangs von Ihrem Antrittsbesuch beim Paläon erzählt. Bei der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz waren Sie auch. Der Landesrechnungshof hat der Stiftung wiederholt schwere Vorwürfe gemacht, von Protz und Verschwendung bis zu rechtswidrigen Förderungen. Es kam sogar die Idee auf, das Ganze sei mittlerweile der politisch motivierte Feldzug eines einzelnen Senatsmitglieds. In einem Landtagsausschuss wurde das Thema jüngst von der Tagesordnung genommen, offenbar auch aus Verärgerung über das Vorgehen des Rechnungshofs.

Die Unabhängigkeit des Rechnungshofs ist ein hohes Gut. Sicher muss alles sauber aufgearbeitet werden, das zuständige Wissenschaftsministerium ist ja auch dabei. Ich habe mir aber die Arbeit der Stiftung genau angeguckt. Sie macht eine gute Arbeit. Die Aussage, dass Gelder zweckwidrig verwandt worden seien, kann ich nach allem, was ich weiß, persönlich nicht nachvollziehen. Ich sehe keine Förderungen gegen den Stiftungszweck. Auch hat sich in der Stiftung niemand aus Eigennutz bereichert. Manche Kritik wird da sehr leichtfertig erhoben.

Dirk Toepffer studierte Jura in Hannover, wo er am 6. Juni 1965 auch geboren wurde. Seit 2002 führt Toepffer den CDU-Kreisverband Hannover, 2008 kam er als Abgeordneter in den niedersächsischen Landtag. Mit dem Antritt der neuen Koalition wurde er im November 2017 CDU-Fraktionsvorsitzender. Er lebt mit Frau und Sohn in Hannover-Wettbergen.

Er gilt als Vertreter einer liberalen Großstadt-CDU, ist aber auch viel im gesamten Land unterwegs. Er ist Rechtsanwalt. 2006 kandidierte er für die CDU zum Oberbürgermeister, unterlag aber gegen Stephan Weil (SPD). Einer seiner Schwerpunkte im Landtag war Wirtschaftspolitik.