Braunschweig. Der frühere Braunschweiger Domprediger Joachim Hempel spricht darüber, was die Menschen in Äthiopien von Deutschland und der EU erwarten.

Der frühere Braunschweiger Domprediger Joachim Hempel leistete zuletzt christliche Entwicklungshilfe in Äthiopien. Ein halbes Jahr lebte er dort. Dirk Breyvogel sprach mit ihm anlässlich des Besuchs von Bundespräsident Steinmeier in dem Land.

Herr Hempel. Was verbindet Sie mit Äthiopien?

Ich war als Vikar 1973/1974 schon einmal in Addis Abeba, an derselben evangelischen Kirche, die ich nun kommissarisch leiten durfte. Seitdem fühle ich mich diesem Land verbunden.

Domprediger Joachim Hempel, hier bei einem Leserforum unserer Zeitung im Juni 2018. Hempel war bis vor Kurzem noch in Äthiopien und leitete dort eine evangelische Einrichtung in der Hauptstadt Addis Abeba.
Domprediger Joachim Hempel, hier bei einem Leserforum unserer Zeitung im Juni 2018. Hempel war bis vor Kurzem noch in Äthiopien und leitete dort eine evangelische Einrichtung in der Hauptstadt Addis Abeba. © Philipp Ziebart/BestPixels.de | Philipp Ziebart

Erstmals seit Jahren wirkt der Frieden zwischen Äthiopien und Eritrea stabil. Täuscht das?

Nein. Es war schon erstaunlich, dass der Regierungswechsel friedlich verlief. Der Vorgänger von Premier Abiy Ahmed hatte eingesehen, dass er mit den Problemen des Landes nicht mehr zurechtkommt und nicht Teil der Lösung sein kann. Diese Einsicht hat geholfen.

Was zeichnet Abiy aus?

Er kann aufgrund seines Lebenslaufes und seines Alters sehr glaubwürdig als Versöhner auftreten. Er ist jung und gehörte nicht den alten Kadern an. Er ist politisch unbelastet, was ihm bei den Jungen viel Ansehen bringt. Zudem kommt er aus einer Familie, die all das verbindet, was Äthiopien gerne sein möchte – ein Land, indem unterschiedliche Bevölkerungsgruppen und Religionen friedlich zusammenleben. In einem Land mit 80 verschiedenen Ethnien und Nationalitäten ist das Verbindene Grundvoraussetzung, um das Land zu einen.

Wie empfinden Sie die aktuelle Charmeoffensive Deutschlands?

Es ist gut, dass der Bundespräsident jetzt da ist, aber es wurde auch höchste Eisenbahn. Es wat wichtig, dass sich Europa dieser neuen Entwicklung in Äthiopien prominent stellt. Denn die anderen, angefangen bei den Chinesen und Indern, sind alle schon dagewesen.

Was sollte Europa im Vergleich zu China anders machen, um die Menschen für sich zu gewinnen?

Erstmal kann man von den Chinesen etwas lernen: Alles, was mit kolonialem Gehabe und Besserwisserei zu tun hat, ist fehl am Platz und hilft Afrika nicht. Wichtig wäre jedoch ein koordinierteres europäisches Vorgehen. Theresa May hat ja schon versucht, mit den Afrikanern Post-Brexit-Verträge abzuschließen. Das kam dort nicht gut an.

Haben wir nichts aus den Zeiten des Kolonialismus gelernt?

Das Problem ist doch, dass die sogenannte „1. Welt“ glaubt, sie hätte die Rezepte für die „3. Welt“. Diese Zeit ist längst vorbei, denn in Afrika gibt es mittlerweile eine große, hochqualifizierte Intelligenz. Das größte Problem ist doch, dass das Wirtschaftswachstum vom Bevölkerungswachstum regelmäßig aufgefressen wird. Dadurch verbessern sich die Lebensbedingungen der Menschen nur langsam. Deswegen ist es so wichtig, dass Autobauer wie VW den afrikanischen Markt für sich entdecken. Dieser Teil der Weltkarte ist bisher noch zu weiß.