Hildesheim. . Wegen anhaltender Trockenheit prüfen die Harzwasserwerke die Nutzung der jahrhundertealten Teiche im Oberharz.

Nicht auszudenken, wenn es noch einmal einen langen warmen Sommer gibt wie 2018. Haben die zuständigen Behörden einen Zukunftsplan, der künftig für solche Wetterereignisse greift?

Das fragt unsere Leserin Anne Nientit-Wunsch aus Wolfsburg.

Die Antwort recherchierte Johannes Kaufmann

Nein, das Dörrobst auf den Tischen der Journalisten sei nicht symbolisch gemeint. Das versicherte Dr. Christoph Donner, Technischer Geschäftsführer der Harzwasserwerke, am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Hildesheim.

Thematisch passte es allerdings gut. Denn der Grund für den Pressetermin war die anhaltende Trockenheit. Im Oktober habe es mit 88 Millimetern erneut unterdurchschnittlichen Niederschlag im Harz gegeben, und für die kommenden vier Wochen sagen die Prognosen des Deutschen Wetterdienst weiterhin trockene Verhältnisse voraus. Ohne die Talsperren hätte die Dürre schon jetzt enorme ökologische Auswirkungen gehabt, sagt Donner: „Die Flüsse werden zu 20 bis 90 Prozent von uns aufgefüllt. Ohne das Wasser aus den Talsperren wären bereits einige Abschnitte trockengefallen.“

Die Ampel zeige Orange, so Donner zur aktuellen Situation. In Zahlen bedeutet das: Die Stauseen im Harz sind mit insgesamt 58,2 Millionen Kubikmetern Wasser nur noch zu 32 Prozent gefüllt. „Im Mittel liegen wir zu dieser Zeit im Jahr bei 110 Millionen Kubikmetern“, sagt der Ressourcenexperte in der Abteilung Wasserwirtschaft, Frank Eggelsmann.

Eggelsmann ist seit 38 Jahren bei den Harzwasserwerken. Aber selbst für ihn ist die Situation außergewöhnlich. „Im Sommer dieses Jahres gab es den niedrigsten Zufluss, den wir je hatten“, sagt er. Damit werde dieDürre vermutlich als Extremereignis eingestuft, das alle 200 Jahre eintritt. Zugleich verwies er aber auch auf die extreme natürliche Schwankung bei Niederschlagsmengen. An der Messstation Clausthal-Zellerfeld bewege sich diese im September beispielsweise zwischen 2 und 404 Millimetern. Genau solche Schwankungen sollen Talsperren auffangen.

Die Trinkwasserversorgung ist nicht gefährdet

Grund zur Panik bestehe nicht, versicherte Dr. Donner: „Es geht nicht um die zwei Liter Trinkwasser, die wir täglich brauchen. Die Trinkwasserversorgung ist nicht gefährdet. Es geht um die Gesamtlast.“ Denn die Stauseen im Harz sorgen nicht nur für fließendes Wasser bei rund zwei Millionen Endverbrauchern, darunter viele in unserer Region von Goslar bis Wolfsburg. Auch Industriebetriebe wie die chemische Fabrik Kömmerling in Langelsheim, die Landwirtschaft sowie Klärwerke sind auf Wasser aus dem Harz angewiesen. Darüber hinaus sorgt der Abfluss aus den Stauseen dafür, dass die Ökosysteme im unterliegenden Flusssystem stabil gehalten werden können.

In diesem Bereich der sogenannten Unterwasserabgabe prüfen die Harzwasserwerke Maßnahmen für den Fall, dass die Trockenheit weiter anhält. In Absprache mit dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) könne die Abgabe von Wasser in die Flussläufe reduziert werden, sollten die Füllstände der Stauseen weiter sinken.

Ganz aktuell prüfen die Harzwasserwerke darüber hinaus, ob kurzfristig auf die Trinkwasserreserven des UNESCO-Welterbes Oberharzer Wasserwirtschaft zurückgegriffen werden könnte. „Das besteht aus 64 größeren Teichen und einem Grabensystem. Im Gebiet der oberen Innersten gibt es Kapazitäten, die in den Flusslauf abgeleitet werden könnten“, erklärt Eggelsmann. Die Optionen würden noch in dieser Woche geprüft und dann womöglich bereits in der kommenden Woche genutzt.

„Die Teiche sind kein technisches Denkmal in einem Freiluftmuseum, sondern noch immer ein Teil der Wasserversorgung“, stellt Donner fest. Zwar befänden sich die Anlagen auf dem technischen Stand von vor 300 Jahren, sie könnten aber noch immer so genutzt werden, wie ihre Erbauer das damals vorgesehen hätten.

Eine weitere Sofortmaßnahme ist das Zurückfahren der Trinkwasserproduktion der Eckertalsperre. Die noch immer zu mehr als 50 Prozent gefüllte Granetalsperre soll die Last von zusätzlichen 100 Litern pro Sekunde übernehmen. Im Norden soll außerdem stärker Grundwasser gefördert werden.

Mittelfristig soll eine geringere Unterwasserabgabe die Füllstände stabilisieren. Darüber hinaus müssten die Harzwasserwerke sich aber auch langfristig auf Veränderungen durch den Klimawandel einstellen, sagt Christoph Donner und nimmt damit Bezug auf die Frage unser Leserin. Nach aktuellem Wissensstand werde der Klimawandel zwar nicht zu weniger Niederschlag führen, wohl aber zu mehr Extremwettereignissen wie Dürren und Hochwasser. „Um diese Extreme besser abfangen zu können, prüfen wir einen Ausbau des Verbundsystems“, so Donner. Auf diese Weise könne künftig das Wasser noch besser zwischen den Stauseen verteilt werden. Deutlich umstrittener dürfte der Bau neuer Talsperren sein. „Das wird in der Öffentlichkeit sehr kritisch gesehen. Deswegen traut sich da in Deutschland derzeit keiner ran“, sagt Donner.

Die Harzwasserwerke können ein Lied von dieser Skepsis singen. Bis in die Mitte der 1980er Jahre gab es Pläne zum Bau einer Staumauer im Siebertal, das unter anderem in den Landkreisen Goslar und Göttingen liegt. Das Projekt scheiterte am Widerstand der Harzer Bevölkerung. „Das Siebertal ist zweifellos ökologisch sehr wertvoll“, gesteht Donner ein. Trotzdem solle eine Nutzung zumindest durchrechnen.

Denkbar seien auch zwei kleine Stauwerke in den „Schussrinnen“ oberhalb Goslars, die eine permanente Hochwassergefahr für die Stadt darstellten, weil sie Niederschläge aus den Bergen ableiteten. Derzeit erarbeite man mit Forschungspartnern das Projekt „Wasserspeicher Harz“. So wolle man sich für den Klimawandel wappnen und zugleich die wirtschaftliche Attraktivität das Harzes verbessern. „Die sichere Wasserversorgung am Harzrand wird womöglich bald zu einem Standortfaktor werden“, so Donner.