Lebenstedt. Ein Lehrer aus Salzgitter versprach bessere Noten gegen Nacktfotos. Warum wurde er wegen Bestechlichkeit belangt statt wegen Sexualdelikten?

Dass hier nur die Bestechlichkeit juristisch verfolgt wird und nicht das perverse Verhalten dieses Menschen, ist echt der Hammer. Da hat dieser gestörte Pädagoge also Einspruch (gegen den Strafbefehl) eingelegt. Auf was hofft er, auf Freispruch?

Dr. Jörg Bendisch, Braunschweig

Die Antwort recherchierte Erik Westermann

Warum wurde der Lehrer der Gottfried-Linke-Realschule aus Salzgitter, der einer 14-jährigen Schülerin im Gegenzug für die Übersendung eines Nacktselfies eine bessere Zensur angeboten haben soll, per Strafbefehl „nur“ wegen Bestechlichkeit verurteilt? Unsere Zeitung berichtete am Mittwoch über den Fall. Christian Wolters, Sprecher der Braunschweiger Staatsanwaltschaft, erklärt die Sicht der Anklage: „Das Vorgehen des Mannes ist sicherlich eine Grenzüberschreitung und moralisch mehr als fragwürdig. Aber deshalb ist nicht jede distanzlose Äußerung grundsätzlich strafbar.“ Der Lehrer hat es offenbar zumeist vermieden, juristische Grenzen zu überschreiten. Ob durch Glück oder ganz bewusst.

Für den Straftatbestand der Erpressung hätte das Opfer „einen Vermögensnachteil“ erleiden müssen, erklärt Staatsanwalt Wolters. Eine Nötigung sei noch denkbar gewesen. Doch der Lehrer drohte wohl nicht explizit genug mit einem „empfindlichen Übel“, wie es im Gesetzestext heißt, um das Mädchen zur Herausgabe eines zweiten Bildes zu bewegen. Weil ihm das erste Nacktfoto ohne das Gesicht nicht reichte.

Zuvor hatte er der 14-Jährigen eher einen positiven Effekt in Aussicht gestellt: nämlich eine bessere Zensur. Dass er als Amtsträger im juristischen Sinne diesen Vorteil anbot, werten die Ermittlungsbehörde und das Amtsgericht Salzgitter als Bestechlichkeit, die mit einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe zur Bewährung geahndet wurde.

Der Mittdreißiger verhielt sich offenbar durchaus geschickt in den Chats, die er mit einem Dutzend minderjähriger Schülerinnen über mehrere Jahre unterhielt; die Jüngste elf Jahre alt. Er lotete Grenzen aus, machte offen und versteckt Andeutungen und Angebote. Auch anderen Mädchen soll er in Aussicht gestellt haben, sie könnten ihre Noten mit Nacktbildern oder „Küsschen“ aufbessern.

Der Fall, für den er letztlich verurteilt wurde, macht die Methode deutlich: Er eröffnet der 14-Jährigen, ihre Note bei einer Klassenarbeit stünde zwischen „ausreichend“ und „mangelhaft“. Für eine bessere Zensur müsse sie sich „etwas Cooles“ einfallen lassen. Dann fragt er explizit: Aber „Blasen ginge wohl zu weit?“ Keine direkte Aufforderung also. Als das Mädchen dies bejaht, schlägt er stattdessen ein Nacktfoto vor. Die 14-Jährige lässt sich darauf ein.

Nur ein Beispiel unter vielen. Der Lehrer scheint sich seiner Position sicher gewesen zu sein. „Ein heißes Profilbild hast du“, schreibt er einer Schülerin. Als eine Minderjährige schildert, sie sei verliebt in einen Jungen, chattet er: „Flirten kann man trotzdem. Das ist ja nichts Schlimmes. Und wenn man dafür sogar ne bessere Zensur bekommt…“ Wieder eine andere soll er versucht haben am Po zu berühren. Offenbar riskierte er sogar, ein Foto zu versenden, das ihn beim beim Sex mit einer Kollegin zeigt. Um dann zu fragen: „Willst du gar nicht wissen, welche Lehrerin?“

Nur durch Zufall wurden die Chats vor rund zwei Jahren öffentlich. Der Lehrer wurde offenbar umgehend suspendiert. Den aktuellen Strafbefehl mit der Bewährungsstrafe hat er nicht akzeptiert. Sobald ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, wird das Disziplinarverfahren gegen ihn wieder aufgenommen, erklärt ein Sprecher der Landesschulbehörde. Dass der Realschullehrer in diesem Fall noch im Dienst verbleibt, scheint kaum vorstellbar. Auch, weil der Mann erst vor einigen Monaten wegen des Besitzes von Kinder- und Jugendpornografie zur Zahlung einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen verurteilt wurde.

Konkrete sexuelle Handlungen mit minderjährigen Chat-Partnerinnen hat es den Ermittlungen zufolge aber nicht gegeben. Nur schlüpfrige Offerten. Hätte sich ein Mädchen darauf eingelassen und wäre aus Andeutungen Realität geworden, hätte der Anklagevorwurf wohl auf Missbrauch gelautet.