Braunschweig. Die Grünen nehmen die Debatte um die VW-Milliarden-Buße zum Anlass und fordern auch bei anderen Konzernen mehr Steuer-Transparenz. Bemühungen bei der EU stocken.

Kann VW diese Milliarde eigentlich von der Steuer absetzen?

Das fragt unser Leser
Rainer Wolframm aus Gifhorn

Die Antwort recherchierte
Andre Dolle

Die Grünen in Niedersachsen fühlen Volkswagen auf den Zahn. Die Landtagsfraktion will wissen: In welchem Land zahlt der Konzern, der weltweit vertreten ist, wie viel Steuern? Einen entsprechenden Vorstoß machte Stefan Wenzel, Sprecher für Haushalt und Finanzen der Grünen-Fraktion, im Haushaltsausschuss. Das sagte er unserer Zeitung.

Anlass ist die Debatte um die VW-Milliarde. Hintergrund ist, dass VW wegen des Abgas-Skandals eine Milliarde Euro an das Land Niedersachsen zahlen musste. Nun drohen den VW-Standorten – darunter sind Wolfsburg, Braunschweig und Salzgitter – Millionenausfälle, weil VW die Summe offensichtlich von der Steuer absetzen darf. Unsere Zeitung berichtete als erste darüber.

VW könnte sich fast ein Drittel über die Steuererklärung zurückholen – 290 Millionen Euro. 150 Millionen würden zur Hälfte der Bund und die Länder über die Körperschaftssteuer stemmen. Niedersachsen selbst müsste nur acht Millionen Euro zahlen, den Rest über den Länderfinanzausgleich Nettozahler wie Bayern und Baden-Württemberg. 140 Millionen hätten die VW-Standorte als Mindereinnahmen über die Gewerbesteuer zu verkraften.

VW selbst hat noch nicht erklärt, ob der Konzern die Summe absetzen wird. Das muss er auch nicht. Es gilt das Steuergeheimnis. Ein Sprecher bezeichnete die Debatte als „Spekulation“.

Die Grünen fordern dennoch vehement mehr Transparenz. Wenzel sagte: „Wenn ein Konzern – wie bei VW und dem Abgas-Skandal – kriminell wird, muss das Steuergeheimnis zurückstehen.“ Wenzel hat bereits Einsicht in den Abschlussvermerk der Staatsanwaltschaft Braunschweig beantragt. Die Staatsanwaltschaft und VW einigten sich auf die Milliarde, die der Konzern an das Land Niedersachsen zahlte.

Wenzel sagte: „Während sich VW einen schlanken Fuß machen kann, tragen den größten Teil der Steuer-Mindereinnahmen Bund, Bundesländer und Standortkommunen.“

Laut den Grünen hat VW allen Anlass geboten, um genauer hinzuschauen. Seit Jahren sieht sich VW mit mehr oder weniger gut belegten Vorwürfen konfrontiert, der Konzern parke Milliarden in Steueroasen. Wenzel sagte nun: „Auch VW nutzt Schlupflöcher.“

Ende 2017 berichtete der „Spiegel“ darüber, wie VW im Steuerparadies Luxemburg ein verschachteltes, milliardenschweres Firmenimperium gebaut haben soll. Das Netz sei undurchschaubar, das Magazin verfolgte aber Beteiligungen im Wert von gut 17 Milliarden Euro im Großherzogtum zurück.

Die Grünen haben aber nicht nur VW im Visier. Sie wollen bei der Steuergestaltung von Konzernen insgesamt mehr Transparenz. Wenzel: „Wir fordern ein Country-by-Country-Reporting, um Umgehungstatbestände bei der Steuer oder auch die Nutzung von Steueroasen so schnell wie möglich vollumfänglich aufdecken zu können.“

Damit dreht Wenzel das große Rad. Geht es nach den Grünen, müssten auch Konzerne wie Apple, Facebook oder Google ihre Geschäftsdaten komplett und öffentlich offenlegen.

Die Finanzämter sind eigentlich schon jetzt in der Lage, Unternehmen auch dort zu besteuern, wo der Gewinn tatsächlich erwirtschaftet wird. Das ist der Kern des Country-by-Country-Reportings (CbCR). Die EU änderte ihre Amtshilferichtlinie, der Bundestag fügte einen neuen Paragrafen in die Abgabenordnung ein. Jedoch war und ist diese Informationspflicht der Konzerne bisher nicht öffentlich.

Bereits Ende 2014 offenbarte die Enthüllungsserie „LuxLeaks“, dass ein internes CbCR Steueroasen nicht verhindern würde. Der LuxLeaks-Skandal zeigte vielmehr, dass Luxemburgs Steuerbehörde mit den Konzernen gemeinsame Sache machte.

Und die Bundesregierung? Im Koalitionsvertrag vom 7. Februar 2018 hatten Union und SPD festgelegt: „Wir unterstützen eine gerechte Besteuerung großer Konzerne (...) Steuerdumping muss unterbunden werden.“ Im Koalitionsvertrag von 2013 fand sich bereits eine ähnliche Passage. Die CDU-Abgeordneten Mathias Middelberg und Stephan Harbarth warnten aber bereits vor einem unzumutbaren „Steuerpranger“. „Volle Transparenz“ würde die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Betriebe gefährden.