Hodenhagen. Der Feuerwehr-Flugdienst überquert in diesem heißen Sommer besonders häufig Niedersachsen. Ein Flug mit der Cessna.

Was war am 8. August 1975? Was war damals, was ist heute anders?

Das fragt Thorsten Ryl auf unseren Facebookseiten.

Die Antwort recherchierte
Andre Dolle

Es sind 34 Grad, am Flugplatz in Hodenhagen im Heidekreis bläst zur Abkühlung der Wind. Hinter hellen Schleierwolken zeichnet sich das Hellblau des Himmels ab. Ein paar Sportflieger stehen auf dem mit Rasen überwucherten Startfeld. In der Flugplatz-Gaststätte „Zum Fliegerstübchen“ sitzen ein paar Rentner auf der Terrasse im Schatten. Sie beobachten, trinken ihr Bier.

Die Cessna des Feuerwehr-Flugdiensts Niedersachsen ist etwas verspätet. Sie kommt hinter dem Tower hervor, rollt über das Start- und Landefeld. Die Maschine stoppt, die Rotorblätter hören auf, sich zu drehen. Die Besatzung mit Pilot Moritz Horn und Jürgen Rosummek von der Feuerwehr sowie dem Forstbeamten Andreas Engelhardt musste zuvor noch eine Extra-Runde über den Heidekreis drehen.

Pilot Horn und seine Kollegen fliegen im Sommer über große Gebiete in Niedersachsen, um frühzeitig Brände vor allem in Wäldern und Mooren zu erkennen. Bei guten Verhältnissen sehen sie aus den Fenstern ihrer Cessna bis zu 70 Kilometer weit und können aufsteigende Rauchsäulen erkennen.

Das sei aus der Luft einfacher als vom Boden aus, erklärt Horn. Über dem Wald, der von oben dunkel aussieht, kann die Besatzung den hellen Rauch gut erkennen. „Wenn die Feuerwehr dorthin fährt, kann sie von unten aus teilweise 400 Meter entfernt noch keinen Rauch sehen“, sagt Rosummek. Denn der Rauch setze sich vor einem hell bewölkten Himmel kaum ab.

Waldbrände ausfindig machen, das ist demnach die Aufgabe der Besatzung. In diesem heißen Sommer ist sie besonders gefordert. Die Männer sind Erstmelder. Sie stellen die genaue Waldbrand-Position fest, geben diese an die Leitstellen weiter. Sie geben Hinweise darauf, welche Wehren in welcher Stärke bei einem Brand eingesetzt werden sollen – schließlich haben sie die beste Sicht. Sie geben auch durch, in welche Richtung sich der Brand bewegt. Das dient dem Schutz der Feuerwehr am Boden. Sie lotsen die Fahrzeuge durch die Felder bis zum Einsatzort. „Das ist wie Schnitzeljagd“, sagt Pilot Horn. Mit seiner dunklen Fliegerbrille und dem Overall sieht er ein klein wenig aus wie Tom Cruise in „Top Gun“.

Vor mehr als 50 Jahren wurde der Feuerwehr-Flugdienst gegründet und ist einmalig in Deutschland. Das Team fliegt nicht täglich, sondern nach Bedarf. Wenn der Waldbrand-Gefahrenindex eine der beiden höchsten Stufen – vier oder fünf – anzeigt, kann die zuständige Polizeidirektion Lüneburg ein Überfliegen bestimmter Gebiete anfordern. Eines der beiden dafür genutzten Flugzeuge ist in Lüneburg stationiert, das andere in Hildesheim. Zu dritt macht sich das Team dann auf den Weg. Die Standardroute ist knappe 300 Kilometer lang.

Ein Flug mit der Cessna

weitere Videos

    Mittlerweile fliegen wir. „Guck mal da! Auf 14 Uhr. Ist das ein Traktor?“, fragt Pilot Horn. Staub wirbelt auf. Er ist aus 700 Metern Höhe zu erkennen. „Ja, da macht nur einer sein Feld“, sagt Rosummek, der neben ihm sitzt. Die Maschine ist eng, sie bietet Platz für bis zu sechs Personen in drei Zweierreihen. Es ist laut, stickig, jede Luftverwirbelung schüttelt die kleine Cessna durch. Die Besatzung trägt Kopfhörer, ist per Funk mit den Leitzentralen im Land verbunden.

    Die kleine Maschine, Typ Cessna 206 H, Baujahr 2007, hat 300 PS. Sie fliegt mit bis zu Tempo 240. „In einer Stunde sind wir überall in Niedersachsen“, sagt Horn.

    Am Tag zuvor hat die Crew Brände gesehen. Heute noch nicht. Per Funk meldet sich eine Leitstelle: „Wir haben Rauchentwicklung im Landkreise Uelzen, Bereich Rosche.“ „Alles klar, wir fliegen hin“, sagt Rosummek. Horn dreht ab, eigentlich hätte es mitten in die Heide gehen sollen. Rosche liegt im Osten der Lüneburger Heide.

    Aus der Entfernung ist Rauch zu sehen. Per Funk sind viele aufgeregte Stimmen zu hören. Dann wird klar: Die andere Cessna des Feuerwehr-Flugdienstes ist bereits unterwegs und näher dran am Einsatzort. „Das hätten wir mal früher klären sollen“, reagiert Horn leicht genervt. Wieder dreht er ab. An einem der heißesten Tage des Jahres geht es nun in der rot-weißen Maschine Richtung Wittingen und Brome im Landkreis Gifhorn.

    Bei jedem Kontrollflug ist auch ein Mitarbeiter der niedersächsischen Landesforsten dabei. Dieses Mal ist dies Engelhardt. Er macht das schon seit 25 Jahren, wie er sagt. Engelhardt sitzt hinter dem Piloten Horn. Er verfolgt auf einem Tablet die Route und kann im Falle eines Brandes direkt die Koordinaten durchgeben. Rosummek sagt: „Wir sind so etwas wie das fliegende Auge der Feuerwehr.“

    Potenzielle Waldbrandgebiete gibt es in Niedersachsen vor allem in den Mooren, Wäldern und in der Heide im Nordosten. Dort wüteten 1975 die größten Brände der Nachkriegsgeschichte. Darauf bezieht sich auch unser Leser. 8000 Hektar fielen dem Feuer damals zum Opfer. Fünf Feuerwehrleute kamen in den Flammen um. Infolge der Katastrophe wurde der Feuerwehr-Flugdienst weiter ausgebaut. Zwischenzeitlich waren mehr als die zwei aktuellen Kleinflugzeuge im Einsatz. Das Land stellt für den Feuerwehr-Flugdienst pro Jahr 75 000 Euro zur Verfügung – vor allem, um einsatzbedingte Kosten zu decken.

    Das Land verlässt sich bei der Kontrolle von Waldbränden jedoch nicht allein auf die Flüge. Mitarbeiter werten in der Waldbrandzentrale in Lüneburg Bilder von 20 Kameras aus, um Rauch zu entdecken. Das ist eine Reaktion auf die schweren Waldbrände von 1975. Von Jahresanfang bis Ende Juli musste das Team wegen 348 Bränden die Feuerwehr alarmieren. Im gesamten Vorjahr waren es nur 163 Mal. Die Brandgefahr ist auch in anderen Regionen in Niedersachsen in diesem Sommer enorm hoch.

    Pilot Horn fliegt seit fünf Jahren für den Flugdienst der freiwilligen Feuerwehr. Er arbeitet bei der Polizeihubschrauberstaffel. Per Funk meldet sich die Leitstelle in Soltau. Ein neuer Auftrag. Es geht um eine Rauchentwicklung an der A 7, zwischen den Abfahrten Soltau-Ost und Soltau-Süd. Wieder muss Horn beidrehen. Auf dem Boden schlängelt sich ein Güterzug durch die Landschaft. Auf die Frage, ob sie eigentlich einen Blick für die schöne Gegend haben, antwortet der Forstbeamte Engelhardt: „Wir sind total fokussiert.“

    Es geht aber locker zu an Bord der kleinen Propellermaschine. Man duzt sich – trotz großen Altersunterschieds. Rosummek reicht eine Tüte mit Pfefferminz herum.

    Von oben ist mitten in einem Waldstück eine kahle Fläche zu sehen. „Das ist eine ehemalige Brandfläche“, sagt Horn.

    Wir fliegen über Faßberg im Landkreis Celle. Der Flieger darf nicht überall kreisen. Es gibt sogenannte Beschränkungsgebiete der Bundeswehr. „Die haben ihre eigene Feuerwehr“, sagt Rosummek. In einem Schießgebiet wirbelt Staub auf, Panzer fahren.

    In der Ferne ist das Dach des Snowdomes in Bispingen zu sehen. Pilot Horn weist darauf hin. Dann fliegen wir über Munster und kreisen wenige Minuten später schon über der A 7 bei Soltau. Außer Kolonnen von Fahrzeugen ist nichts zu sehen. Wieder Fehlalarm. „Es kann sein, dass das die Bundeswehr war“, sagt Horn. Die haben jetzt Dienstschluss. Es ist kurz nach 17 Uhr.

    „Wir überfliegen gleich den Heidepark“, sagt Horn. „Solange die keinen Eintritt verlangen“, sagt Rosummek trocken.

    Wir fliegen nach Visselhövede, dann zurück zum Flugplatz nach Hodenhagen. 80 Minuten Flug sind vorbei. Eigentlich will die Besatzung tanken, doch ein Tanklaster blockiert den Zugang. „Dann eben morgen“, sagt Horn. „Noch reicht die Tankfüllung aus.“

    Waldbrände haben sie an diesem Tag nicht gesichtet. Sie werden zu einem weiteren Kontrollflug aufbrechen und am Abend in Hannover landen. Den Flugplatz in Hildesheim können sie wegen des Festivals Mera Luna nicht ansteuern. „Es gab immer wieder einzelne Brände in den vergangenen Tagen. Richtig spektakulär waren die aber nicht“, sagt Horn. „Hoffentlich bleibt das so.“