Braunschweig. Bei den Löhnen sind die Unterschiede zwischen Ost und West immer noch groß. Auch in unserer Region liegen die Einkommen weit auseinander.

Was wird denn in Wolfsburg im Schnitt brutto/netto verdient? Inwieweit verfälschen denn die hohen VW-Manager den Wert? Das wäre interessant zu erfahren. Denn was ein Großteil der VW-Arbeiter brutto bekommt, ist ja im Grunde bekannt...

Das fragt unser Leser Chris Görlitz auf unseren Facebookseiten

Die Antwort recherchierte unser Reporter Andre Dolle

Zwischen Wolfsburg und der Stadt Helmstedt sind es Luftlinie keine 27 Kilometer. Wenn es jedoch um das Einkommens-Niveau geht, das in Wolfsburg und dem Landkreis Helmstedt gezahlt wird, liegt eine kleine Welt dazwischen. 4622 Euro brutto im Monat verdienten Vollzeitbeschäftigte in Wolfsburg Ende vergangenen Jahres im Mittel. Im Landkreis Helmstedt war es fast nur halb so viel – 2720 Euro.

Bundesweit landet die VW-Stadt damit auf dem Treppchen – Platz 3 von 401 Landkreisen und kreisfreien Städten. Der Kreis Helmstedt hingegen kommt auf Rang 325.

Wolfsburg und Görlitz sind auch nicht allzu weit voneinander entfernt. 320 Kilometer Luftlinie sind es. Görlitz und Umgebung sind dagegen mit 2183 Euro Schlusslicht aller Kommunen in Deutschland. Der große Abstand zeigt: Knappe 30 Jahre nach dem Mauerfall bleiben die Gehälter im Osten klar hinter denen im Westen zurück.

Dass die Einkommen in den neuen Ländern tendenziell unter denen in den alten Ländern liegen, überrascht nicht allzu sehr. Denn die generelle Wirtschaftskraft im Osten ist immer noch geringer. Je Einwohner liegt die Wirtschaftleistung in den neuen Bundesländern momentan bei 73,2 Prozent der alten Bundesländer. Das hatte die Bundesregierung jüngst bereits bekanntgegeben. Die Lohn- und Gehaltsanalyse der Bundesagentur für Arbeit komplettiert das Bild nun.

Ein entscheidender Grund dafür hat laut Bundesregierung wiederum auch Einfluss auf das Gehaltsniveau: die „Kleinteiligkeit der ostdeutschen Wirtschaft“ und ein Mangel an Konzernzentralen und Standorten großer (Industrie-) Unternehmen, hieß es.

Das erklärt auch die hohen Einkommen in unserer Region. Volkswagen hat seinen Konzernsitz in Wolfsburg, Standorte in Braunschweig und Salzgitter. In Salzgitter sind außerdem Bosch, Alstom, MAN und die Salzgitter AG vertreten. In Salzgitter gibt es zwar eine vergleichsweise hohe Arbeitslosenquote. Wer in der Industrie arbeitet, verdient hier aber gut.

Mit Blick auf unsere Leserfrage ist zu sagen: Ja, die VW-Manager verfälschen das Bild. Dabei können sie statistisch noch nicht mal richtig erfasst werden. Wie die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg mitteilt, lassen sich Löhne und Gehälter im Osten lediglich bis 5700 Euro pro Monat und im Westen bis 6500 Euro erfassen. Alles, was über diesen Beträgen liegt, kann nicht berücksichtigt werden. Der Grund ist die Beitragsbemessungsgrenze für die Rentenversicherung. Diese liegt bei den schon genannten Beträgen. Der Top-Manager bei VW, aber auch der Manager im mittleren Management beim Automobil-Konzern werden in puncto Gehalt also nicht berücksichtigt. Der Unterschied zwischen Wolfsburg und Landkreisen wie Helmstedt oder – noch krasser – Görlitz ist also noch größer, als er über die üblichen Statistiken angegeben werden kann.

Auffällig ist, dass viele VW-Standorte weit vorne in der bundesweiten Einkommens-Liste der Arbeitsagentur sind. Nicht nur für Wolfsburg mit Platz 3, Salzgitter mit Platz 12 und Braunschweig mit Rang 64 gilt dies. Ingolstadt, Sitz von Audi, liegt in Deutschland sogar auf dem ersten Platz.

In großen Firmen wie VW gibt es meist mehr gut bezahlte Führungsposten und lukrative Jobs für besser qualifizierte Fachkräfte. In Ingolstadt mit 130 000 Einwohnern arbeiten 44 000 Beschäftigte bei Audi. Mehr als 4000 Euro sind ebenfalls in den Wirtschaftsmetropolen München und Stuttgart oder am Finanzplatz Frankfurt drin.

Auf der anderen Seite steht das deutlich niedrigere Gehaltsniveau im Osten. Wobei der Kreis Görlitz nicht einmal zu den schon ganz und gar deindustrialisierten Landkreisen gehört. In Ostsachsen sorgen aber die Abwanderung junger Leute und teils schlechte Verkehrsanbindungen für Probleme. Zum Beispiel auch in dünn besiedelten Gegenden in Vorpommern lagen die mittleren Verdienste Ende 2017 nur um die 2200 Euro. „Von gleichwertigen Lebensverhältnissen kann in Deutschland nicht gesprochen werden“, kritisiert die Linken-Arbeitsmarktexpertin im Bundestag, Sabine Zimmermann.

Aber auch in Niedersachsen ist nicht alles gut. Der Median-Wert von 3087 Euro liegt unter dem in Deutschland von 3209 Euro. Nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) fällt in Niedersachsen mit 23 Prozent fast jeder vierte Beschäftigte in den Niedriglohnsektor. Das sei mehr als der westdeutsche Durchschnitt von 19,3 Prozent, hieß es vom DGB. Der Gewerkschaft zufolge ist auch die Beamtenbesoldung ausbaufähig. Ein Beispiel: Ein Hauptbrandmeister oder eine Kriminalkommissarin verdiene in der Endstufe der Besoldungsgruppe A9 in Niedersachsen im Jahr knapp 640 Euro weniger als im Nachbarland Bremen.

Die Bundesagentur für Arbeit hat unserer Zeitung auch aufgelistet, wie unsere Region nicht nach Arbeitsort, sondern nach Wohnort innerhalb Niedersachsens dasteht. Demnach liegen Wolfsburg, Gifhorn, Helmstedt, Braunschweig, Wolfenbüttel, Salzgitter und Peine in dieser Reihenfolge an der Spitze der 47 Landkreise und kreisfreien Städte in Niedersachsen. Klaus Oks von der Agentur für Arbeit sagt: „Im Südosten Niedersachsens wohnen die Menschen mit den höchsten Einkommen im Land.“