Braunschweig. Ein Experte warnt: Die Verantwortlichen wiegen sich möglicherweise in falscher Sicherheit. Sehr große Flächenbrände könnten nur schwer zu bekämpfen sein.

Wir können froh sein, dass wir ein dichtes Netz an Feuerwehren haben. Europaweit sucht man vergebens nach ehrenamtlichen Feuerwehren in jedem Ort.

Das schreibt Steven Ralphs auf unseren Facebook-Seiten.

Zum Thema recherchierte
Andre Dolle

. In Griechenland bedroht ein riesiger Waldbrand die Menschen in der Nähe von Athen. In Schweden kämpfen Rettungskräfte darum, dass sich die Situation nicht weiter verschlimmert. Bei Potsdam hat ein Großaufgebot von Polizei, Feuerwehr und Bundeswehr eine Feuersbrunst in einem Kiefernwald gestoppt.

Die Sommer werden zunehmend heißer und trockener. In Niedersachsen gilt laut Innenministerium derzeit bis auf den Landkreis Rotenburg/Wümme die maximale Waldbrandgefahr-Stufe fünf. Und wie gut ist das Land gegen Feuersbrünste gewappnet?

Das Landesinnenministerium ist stolz auf das Warnsystem. Sprecher Matthias Eichler sagt: „Für die Vorsorge in der waldbrandgefährdeten Region, der Lüneburger Heide, steht ein hochauflösendes, digitales Kamerasystem zur Verfügung.“ An 17 Standorten würde die Waldbrandzentrale in Lüneburg auf
20 Kameras zurückgreifen und so 400 000 Hektar Wald überprüfen können. Außerdem verfüge der Feuerwehrflugdienst des Landesfeuerwehrverbandes über zwei Aufklärungsflugzeuge.

Diese sind von Lüneburg und Hildesheim aus seit Mittwoch über Niedersachsen unterwegs. Die beiden Flugzeuge hätten schon abgeschafft werden sollen, sagt Johann Georg Goldammer, Leiter des Zentrums für globale Feuerüberwachung am Max-Planck-Institut für Chemie in Freiburg. Europas einziger Waldbrand-Professor sagt: „Gut, dass Niedersachsen die beiden Flugzeuge behalten hat.“ Zwar habe Niedersachsen als eins von wenigen Bundesländern nach Brandenburg das Kamerasystem eingeführt. Jedoch könne man sich darauf alleine nicht verlassen. „Die Kameras stehen leicht erhöht auf Türmen. Sie sehen Rauch, aber keine Wärmequellen.“ Das sei von der Luft aus aber möglich.

Goldammer sagt daher: „Niedersachsen steht, was das Warnsystem vor Feuern betrifft, gut da.“

Der FDP-Fraktion im Landtag reicht das nicht aus. Sie hat eine Kleine Anfrage an die Landesregierung gestellt, die unserer Zeitung vorliegt. Eine Antwort steht noch aus. Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Jan-Christoph Oetjen, sagt: „Um Groß- und Waldbrände effektiv zu bekämpfen, ist die Unterstützung durch Löschen aus der Luft unersetzlich. Niedersachsen muss hier dringend vorsorgen und sich gleichzeitig möglichst für ein bundesweites Konzept stark machen.“

Hier setzt auch Waldbrand-Professor Goldammer an. Er sieht Mängel bei der Brandbekämpfung in Niedersachsen. Das Land habe kein Löschflugzeug. Die Brandbekämpfung ist Ländersache. Es gebe seit 2014 sogar keins mehr in ganz Deutschland. Kein einziges.

Zwar könne die Bundeswehr oder die Bundespolizei aushelfen. „Dort sind gute Piloten“, sagt der Professor. „Aber keine Waldbrand-Spezialisten.“ Und echte Löschflugzeuge hat die Bundeswehr eben auch nicht.

Die Leistung der Feuerwehr honoriert Goldammer – wie unser Leser. In Schweden kämpfen derzeit 52 Helfer aus Niedersachsen gegen die Waldbrände. Die Braunschweiger Feuerwehr rückte zur Bekämpfung des Waldbrands bei Potsdam aus. Allerdings könnte die Feuerwehr besser ausgerüstet sein, sagt der Professor. „Wendige und geländegängige Kleinfahrzeuge fehlen.“ Ebenso hapere es mit Blick auf Waldbrände bei der Ausbildung.

Goldammer fürchtet, dass sich die Verantwortlichen in falscher Sicherheit wiegen würden. In Niedersachsen konnten zwar in den vergangenen Tagen bereits einige Brände aus der Luft geortet und erfolgreich bekämpft werden. Dabei handelte es sich aber meist nur um Brände mit einer Ausdehnung von bis zu 1500 Quadratmetern – die auf Ernteflächen durch überhitzte Maschinen entstanden sind.

Große Flammenmeere habe es laut Goldammer zuletzt Mitte der 70er-Jahre bei Waldbränden in Niedersachsen gegeben, seither blieb Deutschland weitgehend verschont. Der Waldbrand-Professor warnt aber: „Jetzt spüren wir den Klimawandel, der zunehmend extreme Wetterlagen mit sich bringt.“ Also auch extreme Hitze und Dürre. Es sei ein Unding, dass ein reiches Land wie Deutschland sich keine Löschflugzeuge leiste.

Es müsse ja nicht gleich ein Löschmonster wie der US-Supertanker „The Spirit of John Muir“ sein, ein umgebauter Jumbojet, der mit 74 Tonnen Wasser den Inhalt eines Swimmingpools binnen weniger Sekunden auf Brandnester kippen kann. Und es müssten auch nicht 16 Löschflugzeuge für 16 Länder sein. Goldammer sagt: „Die Bundesländer sollten sich für die Anschaffung zusammentun, um gemeinsame Finanzierung und Nutzung abzustimmen.“ Es werde nicht überall gleichzeitig brennen.