Braunschweig. Polizisten dürfen tätowiert sein – aber nicht sichtbar. Einige Länder haben das Verbote bereits gelockert, in Niedersachsen wird noch diskutiert.

Sogar die Bundeswehr hat ihren Erlass auf Grund von Tattoos und Piercings schon lange angepasst. Warum nicht auch bei unseren Polizisten?

Das fragt unsere Leserin Katharina Preis via Facebook

Das Thema recherchierte
Greta Geißler

Berlin und Baden-Württemberg haben den Schritt bereits gewagt: Wer sich bei der Polizei in diesen beiden Bundesländern bewirbt, darf sichtbare Tätowierungen an den Unterarmen haben. In Berlin ist dies seit Anfang des Jahres möglich, in Baden-Württemberg sind dezente Tattoos bereits seit 2017 erlaubt – ausgenommen sind extremistische, sexistische, gewaltverherrlichende und religiöse Motive.

Von diesen Änderungen lassen sich andere Bundesländer wie Mecklenburg-Vorpommern jedoch nicht beeinflussen. Innenminister Lorenz Caffier (CDU) sagte am Montag vorerst Nein zu Tattoos und anderem sichtbarem Körperschmuck für Polizeibeamte. Caffier stellt sich jedoch nicht vollkommen gegen die Idee. Er sehe ein, dass die Beliebtheit und Akzeptanz des Körperschmucks in der Bevölkerung steigt und wünsche sich eine bundesweite Lösung, sagte der Minister.

Auch das Land Niedersachsen prüft nun eine mögliche Änderung der Vorschriften für Polizei-Bewerber. Bisher hieß es für alle angehenden Polizisten in Niedersachsen: „Eine Tätowierung darf auch bei Tragen eines kurzärmligen Uniformhemdes nicht sichtbar sein.“ Doch diese Vorschrift läuft zum 31.12. dieses Jahres aus. Der Anstoß zur Debatte kam von der FDP per mündlicher Anfrage an die rot-schwarze Landesregierung. Ein Abweichen von den strengen Vorschriften könne im Einzelfall vom jeweiligen Vorgesetzten entschieden werden, heißt es in der Antwort der Landesregierung. Angela Hübsch von der Gewerkschaft der Polizei in Niedersachsen (GdP) dazu: „Unterarm-Tätowierungen können in Fällen wie bei verdeckten Ermittlern, die in besonderen Szenen agieren, erlaubt werden.“

Klar ist: Die Lockerung der Vorschriften könnte ein Ansteigen der Bewerberzahlen bewirken. Nach einer Studie der Universität Leipzig ist mittlerweile jeder fünfte Deutsche tätowiert. „Es ist gesellschaftsfähig geworden“, sagt der Autor der Studie, Elmar Brähler. „Früher war es Ausdruck einer Randgruppe: Seefahrer, Zuhälter und Strafgefangene trugen Tätowierungen.“ Das Fazit einer weiteren Studie von der Hochschule der Polizei in Rheinland-Pfalz allerdings zeigt: Wenn ein Polizist sichtbar tätowiert oder gepierct ist, sinken Respekt und Vertrauen der Bürger. Zugleich steige das Einsatzrisiko des Beamten, weil sich manche Bürger eher widersetzen könnten.

In unserer Region sind vor allem jüngere Menschen empört darüber, dass das Verbot von sichtbaren Tattoos überhaupt noch gilt. „Wenn mir ein Ordnungshüter das Leben rettet, ist mir egal, ob er Piercings oder Tattoos hat“, kommentiert Nils Wendtland auf unserer Facebook Seite.

Auch Dennis Bebenroth, Geschäftsführer des Tattoo-Studios „Sorry Mom“ in Braunschweig wundert sich: „Ich kann gar nicht verstehen, warum die Polizei keine Tattoos an den Unterarmen der Bediensteten zulässt. Wer sich ein Tattoo stechen lässt, hält was aus – das passt doch sehr gut zum Beruf.“ Außerdem seien die Kunden viel mutiger geworden. „Da hat ganz klar ein Wandel stattgefunden. Unterarm-Tattoos sind inzwischen Standard“, so Bebenroth. Bedenken, einen Job zu finden oder den Chef zu schockieren, hätten dabei allerdings sehr viele.

Erstaunlich: Auch ein Polizist, der selbst tätowiert ist, sieht eine Lockerung des Verbotes kritisch. Enrico Burtz hat zwar eine Vielzahl an Tattoos, allerdings werden diese von der Kurzärmligen-Berufskleidung verdeckt. „Eine Uniform sollte möglichst einheitlich sein. Sichtbare Tattoos gehören für mich deshalb nicht dazu“, sagt der 36-Jährige. Er warnt auch davor, sich mit den sichtbaren Tattoos eine weitere Karriere zu verbauen: „Ein Tattoo trägt man ein Leben lang. Auffällige Frisuren oder den Bart kann man hingegen abschneiden, wenn es verlangt wird.“

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Niedersachsen rät, vor einer Veränderung der Vorschriften zunächst die mögliche gesetzliche Regelung in Nordrhein-Westfalen abzuwarten. Dort hatte ein Fall eines Kommissaranwärters mit großflächiger Löwenkopf-Tätowierung die Diskussion um ein mögliches neues Gesetz ausgelöst. Der Anwärter hatte in einem Eilverfahren Recht bekommen, dass seine Tätowierung kein Ausschlussgrund für den Polizeidienst sei. Das Land NRW geht in Berufung und will vom Oberverwaltungsgericht klären lassen, ob ein neues Gesetz notwendig ist. Es hatte argumentiert, dass die im Sommer sichtbare Tätowierung die Autorität und die Neutralität von Polizisten beeinträchtigt.