Braunschweig. Der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hielt die Festrede zur Verleihung des Gemeinsam-Preises und dankte allen Ehrenamtlichen.

Wir müssen die Gesellschaft zusammenhalten! Jeder kennt diesen Appell aus Sonntagreden, auch Hubertus Heil. Ein Satz, der zum Standardrepertoire gehört, wie er einräumt. Aber oft wird er eben nicht mit Leben erfüllt. Und dann bleibt vieles ganz und gar im Nebel: Wie geht das eigentlich – die Gesellschaft zusammenhalten?

Dieser Frage ging Heil, der neue Bundesminister für Arbeit und Soziales, in seiner Festrede zur Verleihung des Gemeinsam-Preises nach. Er schilderte zunächst eine scheinbar widersprüchliche Situation: Einerseits gehe es Deutschland im internationalen Vergleich ausgesprochen gut. „Wir sind ein reiches, starkes Land. Wir haben den höchsten Beschäftigungsstand seit der Wiedervereinigung“, sagte er. Doch es gebe auch eine andere Seite: „Viele Menschen sind geplagt von Ängsten über die Zukunft. Sie machen sich Sorgen, was der Wandel der Arbeitswelt durch die Digitalisierung mit uns anstellen wird.“

Heil machte klar, dass er in der Digitalisierung auch große Vorteile sieht. Sie biete beispielsweise Chancen für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung. „Die Digitalisierung wird sich ökonomisch durchsetzen, weil sie riesige Produktivitätsfortschritte verspricht, und es wird in vielen Branchen einen wahnsinnigen Umbruch geben“, sagte er. „Dass das vielen Sorgen bereitet, dürfen wir nicht unterschätzen. Leider werden diese Sorgen und Ängste von politischen Scharlatanen missbraucht. Einige politische Kräfte haben die Angst zum Geschäftsmodell gemacht, suchen Sündenböcke und träumen sich in eine vermeintlich gute Vergangenheit zurück. Aber das ist nicht die Antwort. Die Antwort der Mehrheit in diesem Land, der Anständigen, der Vernünftigen, der Demokratinnen und Demokraten muss eine andere sein: nicht nur widersprechen, sondern etwas tun, um diesen Ängsten entgegenzutreten!“

Zwei Dinge sind Hubertus Heil zufolge entscheidend, um die Forderung nach dem Zusammenhalt der Gesellschaft mit Leben zu erfüllen: Zum einen eine lebendige Zivilgesellschaft, ein Bürgertum, das sich selbst organisiert und allen das Gefühl gibt, Teil dieser Gesellschaft zu sein. Zum anderen bedürfe es eines funktionierenden Staates.

Gemeinsam-Preis 2018 im Braunschweiger Dom

weitere Videos

    „Unser Staat ist ein Glücksfall der deutschen Geschichte, denn nach Artikel 20 des Grundgesetzes ist die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“, so Heil. Dahinter stehe das Prinzip des sozialen Rechtsstaates, der bürgerliche Freiheitsrechte und soziale Bürgerrechte verbinde. „Beides kommt zusammen – das freiwillige Engagement von Bürgern und die Frage: Wo ist der Staat? Ein soziales Gemeinwesen wird nicht durch den Staat mit Leben erfüllt, sondern durch Solidarität. Und das setzt die Fähigkeit voraus, mitmenschlich zu sein, mitzufühlen, sich in andere hineinzuversetzen. Herzensbildung kann der Staat nicht verordnen.“

    Er lobte ausdrücklich jene Unternehmen, die ihren Mitarbeitern Raum für bürgerschaftliches Engagement geben. Dies sei nicht nur gut für die Gesellschaft, sondern auch für die Unternehmen selbst – denn wer sich für andere engagiere, der sei nachweislich lebensfroher, so Heil. „Es gibt zugleich auch die staatliche Verantwortung, dafür zu sorgen, dass Raum da ist, über das Verhältnis von Arbeit und Leben neu nachzudenken. Passt der 8-Stunden-Tag überhaupt noch? Wir brauchen mehr Flexibilität im Arbeitsleben. Menschen auszupressen, führt nicht zu produktiven Ergebnissen“, sagte er.

    Die Gemeinsam-Preisverleihung im Dom Die Gemeinsam-Preisverleihung im DomEhrenamt halte die Gesellschaft zusammen. „Und das geht nur, wenn sich Menschen für Menschen engagieren – und zwar freiwillig. Diese Menschen stehen sonst nicht im Rampenlicht, aber heute gehören sie da hin, damit andere es ihnen nachtun. Sie sind diejenigen, die dieses Land glücklicher machen. Neben dem Staat übernehmen sie die Aufgabe, Hoffnung zu machen in einer Zeit, in der viele Sorgen haben.“