Braunschweig. Julia Becker, Aufsichtsratsvorsitzende der Funke-Mediengruppe, spricht über den Gemeinsam-Preis und die Rolle der Medien.

An diesem Donnerstag verleiht unsere Zeitung gemeinsam mit dem Braunschweiger Dom den 15. Gemeinsam-Preis für ehrenamtliches Engagement. Zum ersten Mal wird Julia Becker dabei sein, Aufsichtsratsvorsitzende der Funke-Mediengruppe, zu der unsere Zeitung gehört. Chefredakteur Armin Maus hat Julia Becker vorab Fragen zu den Themen Ehrenamt und Pressefreiheit gestellt.

Frau Becker, Sie haben – zuletzt bei Deutschlands bedeutendstem Fernseh-Preis „Die Goldene Kamera“ – für die Pressefreiheit Stellung bezogen. Es ist angesichts rechtlicher Einschränkungen und der Inhaftierung von Journalisten offensichtlich, dass wir uns Sorgen machen müssen, selbst im Herzen Europas. Was bedeutet diese Bedrohung für die Funke-Mediengruppe, deren Aufsichtsrat Sie vorsitzen?

Pressefreiheit und Journalismus sind unser Lebenselixier – sie sind quasi unsere Luft zum Atmen und die lässt sich niemand gerne abschnüren. Wenn die Pressefreiheit bedroht wird, dann fühle ich mich persönlich betroffen und mitunter sogar auch angegriffen. Ohne Presse- und damit Meinungsfreiheit ist eine freie Gesellschaft schließlich undenkbar! Das ist für mich Grund genug, jede Gelegenheit zu nutzen, um mich für dieses Thema stark zu machen. Für unsere Mediengruppe gilt, dass wir jeden Tag den Wert einer unabhängigen Presse deutlich machen: Durch exzellente Recherchen, fundierte Berichte, halt schlicht und einfach dadurch, dass wir guten Journalismus liefern!

Die Freiheit der Presse ist in Deutschland eine Realität, die Leser und Journalisten gelegentlich allzu selbstverständlich nehmen. Auch wenn die „Lügenpresse“-Vorwürfe inzwischen als politisches Totschlaginstrument entlarvt sind: Wie steht es aus Ihrer Sicht um den Rückhalt der Medien in Deutschland – und was müssen sie besser machen?

In Deutschland ist es um die Pressefreiheit vergleichsweise gut bestellt. Das ist ein unheimlich großer Schatz, den wir alle gemeinsam hüten müssen! Noch ist das Vertrauen der Menschen in etablierte Medienmarken wie die unseren hoch. Wir genießen eine hohe Glaubwürdigkeit, trotz der zunehmenden Angriffe vor allem aus dem rechten Milieu. Wir müssen aber ständig an uns arbeiten, wenn wir diesen Rückhalt auch zukünftig genießen wollen! Wir müssen uns jeden Tag aufs Neue fragen: Haben wir hier sauber recherchiert? Ist der Text präzise formuliert? Haben wir richtig priorisiert? Und natürlich müssen wir ständig daran arbeiten, besser zu werden. Ich finde zum Beispiel, dass wir noch konsequenter darauf eingehen sollten, was unsere Leserinnen und Leser lesen wollen. Und wir könnten vielleicht auch darin besser werden, Trends frühzeitig zu erkennen, bevor sie da oder schlimmstenfalls schon wieder weg sind.

Ein bisschen mehr Selbstbewusstsein würde uns aber sicherlich auch gut tun, à la „Tue Gutes und sprich darüber“. Denn unsere Redakteurinnen und Redakteure machen einen hervorragenden Job, die Qualität ihrer Arbeit ist exzellent, gerade auch bei der Braunschweiger Zeitung.

Die Presse wird auf Dauer nur dann frei und unternehmerisch unabhängig bleiben, wenn Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Unternehmen bereit sind, die Redaktionen durch Abonnements digitaler und gedruckter Publikationen und durch Anzeigenschaltungen zu finanzieren. Wir beobachten, dass unsere Zeitung noch nie so viele Leser hatte – aber die Zahl derer, die bereit sind, für Qualität zu bezahlen, geht zurück. Was ist die Antwort der Funke-Mediengruppe?

Wir wollen ja keine Almosen, sondern Leserinnen und Leser, die unsere Produkte gerne kaufen und lesen und Kundinnen und Kunden, die in unseren Medien gerne werben. Nur so funktioniert das. Ich bin fest davon überzeugt, dass es gerade auch der wirtschaftliche Druck und Wettkampf ist, der zu Leistung antreibt. Es stimmt, dass die Auflagenzahlen für gedruckte Zeitungen nahezu überall rückläufig sind – das lässt sich nicht leugnen. Was ich aber nicht glaube, ist dass die Bereitschaft für Qualität zu bezahlen, grundsätzlich zurückgeht. Es liegt nicht an der mangelnden Qualität der Texte und Informationen, dass weniger gedruckte Zeitungen verkauft werden, sondern an der sinkenden Praktikabilität von Papier in Zeiten der Digitalisierung. So sehr ich gedruckte Zeitungen liebe und es genieße, darin zu blättern – vieles ist gerade im täglichen Nachrichtengeschäft digital einfach schneller und einfacher! Die Menschen waren bisher nur nicht daran gewöhnt, für Qualität im Netz zu bezahlen.

Da spüren wir zum Glück langsam den Beginn einer Trendwende. Die Menschen haben mittlerweile durch Anbieter wie Netflix, Spotify und Co. „gelernt“, für digitale Inhalte zu bezahlen. Davon können wir profitieren, wenn wir noch schneller werden und genau hinhören und hinsehen, was die Leserinnen und Leser wollen! Die Antwort der Funke-Mediengruppe lautet deshalb: Qualität auf allen Kanälen!

Was halten Sie von Modellen der staatlichen Finanzierung von Qualitätsmedien?

Für eine ausgewogene und vielfältige Medienlandschaft brauchen wir beides: öffentlich-rechtliche und unabhängige Medien. Ich bin sehr froh darüber, dass wir in unserem Land diese beeindruckende Vielfalt haben! Ein Interesse daran, dass zum Beispiel Regionalmedien künftig staatlich finanziert werden, können wir alle nicht haben: Wir brauchen die unabhängige Berichterstattung!

Gibt es aus Ihrer Sicht so etwas wie eine moralische Verpflichtung der werbetreibenden Wirtschaft, Qualitätsmedien zu belegen? Wir haben gelegentlich den Eindruck, dass jeder die Bedeutung der freien Presse hochhält – bei der Anzeigenschaltung werden dann aber US-Unternehmen bedacht, deren Beitrag zum deutschen Gemeinwesen durch Steuern und Abgaben sehr überschaubar ist.

Jeder soll das tun, was für das eigene Geschäft das Beste ist. Das tun wir ja auch. Manche scheinen mir jedoch regelmäßig dem nächsten Hype zu verfallen, ohne zu prüfen, was wirklich das Beste für ihr Produkt oder Business ist. Das Werbeumfeld hat einen größeren Einfluss auf die Werbewirkung, als viele annehmen! Da brauchen sich unsere Produkte nun wirklich nicht zu verstecken – ganz im Gegenteil. Klasse statt Masse war schon immer eine gute Devise. Unsere Regionalmedien bieten ein qualitativ hochwertiges Umfeld - das wissen und schätzen unsere Werbepartner.

Sie kommen zur Verleihung des „Gemeinsam-Preises“ am 17. Mai nach Braunschweig. Offenbar ist Ihnen die Würdigung ehrenamtlicher Arbeit wichtig?

Sie liegt mir sehr am Herzen, denn von der ehrenamtlichen Arbeit lebt eine Gesellschaft ganz wesentlich, sie hält eine Gesellschaft zusammen. Ich bin immer wieder beeindruckt, welch eine Energie und wie viel Herzblut Menschen in ihre ehrenamtlichen Projekte investieren und wie unermüdlich sie dabei sind. Ich bin selbst schon seit langem für die Welthungerhilfe tätig und kann mich daher gut in die handelnden Personen hineinversetzen und ihre Motivation nachvollziehen. Es ist wichtig, dass das ehrenamtliche Engagement öffentlich gewürdigt wird – so stiftet man andere zum Mitwirken an und es motiviert auch die Ehrenamtlichen. So freue ich mich sehr, in diesem Jahr zum ersten Mal live bei der Preisverleihung in Braunschweig dabei zu sein.

Der Gemeinsam-Preis wird 15 Jahre alt. Wenige Sozialpreise zeigen vergleichbare Vitalität über so lange Zeit. Wie wichtig ist der lange Atem in einer guten Sache?

Wenn sich langer Atem für irgendwas lohnt, dann für die gute Sache! Meine Erfahrung ist, dass man ziemlich viel Durchhaltevermögen benötigt, wenn man etwas erreichen will – gerade, wenn es um das Gemeinwohl geht. Das ist übrigens auch im Journalismus so: Oftmals muss man lange „dranbleiben“, bis man eine gute Geschichte im Kasten hat. Nicht umsonst wird in Berlin ein renommierter Medienpreis unter dem Titel „Der lange Atem“ verliehen...

Es ist toll, wenn Auszeichnungen für ehrenamtliches Engagement Bestand haben. Das zeigt, dass dahinter ein Team steckt, das den richtigen Riecher hat und selbst mit Herzblut am Werk ist. Es ist wichtig, Öffentlichkeit für großartige Projekte im Sinne der guten Sache zu schaffen! Mit der Goldenen Bild der Frau verleihen wir ja in der Funke Mediengruppe übrigens noch einen weiteren Ehrenamts-Preis speziell für Frauen, der in diesem Jahr auch bereits in die 12. Runde geht.

Mit der Kategorie „Rückenwind“ zeichnet die Jury des „Gemeinsam“-Preises Unternehmen aus, die ehrenamtliches Engagement ihrer Mitarbeiter unterstützen. Eine Anregung auch für die Funke-Mediengruppe?

Ich bin sehr gespannt auf diese Kategorie und lasse mich immer gerne zu Neuem inspirieren!

Eine persönliche Frage: Ihr Mann ist der bedeutende Springreiter Otto Becker, Goldmedaillengewinner und Bundestrainer der deutschen Springreiter. Das Pferdeland Niedersachsen und der Turnier-Ort Braunschweig mit den Löwen Classics müssten Ihnen nahe sein!

Niedersachsen steht mir nicht nur als „Pferdeland“ sehr nahe. Ich mag die Landschaften, vor allem die ostfriesische Küste, und ich mag die Menschen. Und natürlich ist Braunschweig ganz wichtig für mich – mit seiner großen Geschichte, dem urbanen Leben und selbstredend der hervorragenden Zeitung....