Salzgitter. Im unterirdischen Labyrinth in Schacht Konrad arbeiten 1000 Menschen. Hier dröhnen die Maschinen. Es ist heiß und staubig. Ein Besuch unter Tage.

Unsere Leserin Sabrina Dürdoth schreibt auf unseren Facebookseiten:

Eine Frechheit ist das. Ich hoffe sehr, dass wir uns gegen den Atommüll wehren können.

Zum Thema recherchierte Andre Dolle

Mit vier Metern pro Sekunde fällt der Metallkäfig in die dunkle Tiefe – gehalten von einem Seil aus Stahl. Nach gut vier Minuten erreicht der Förderkorb die Bergwerkssohle in 1000 Metern unter Tage. Die Sicherheitsgitter scheppern, als sie von außen geöffnet werden. Mit einem „Glück auf“ begrüßt ein Mitarbeiter seine Kollegen und Besucher in Schacht Konrad. „Hände aus den Taschen“, sagt ein anderer und lacht. Der Ton hier unten ist rau, aber herzlich.

„Für das, was wir hier machen, gibt es weltweit keinen Vergleich.“
„Für das, was wir hier machen, gibt es weltweit keinen Vergleich.“ © Christian Islinger, Geologe, der Besuchergruppen durchs Bergwerk führt

Hier unten, tief unter dem vorwiegend landwirtschaftlich genutzten Stadtteil Salzgitter-Bleckenstedt, befindet sich das bislang einzig genehmigte Atommülllager in Deutschland. Es soll frühestens ab 2022 schwach- und mittelradioaktive Abfälle aufnehmen. Für hochradioaktive und daher Hitze erzeugende Abfälle wie abgebrannte Reaktorbrennstäbe ist Konrad nicht vorgesehen.

Das alte Eisenerzbergwerk ist derzeit Arbeitsplatz für etwa 1000 Menschen. Sie arbeiten im Vier-Schicht-Betrieb. Einer von ihnen ist Christian Islinger. Der Geologe führt Besucher durch Schacht Konrad. Er ist stolz auf seinen Job, nimmt Gäste gern mit unter Tage, um ihnen das beeindruckende Tunnelsystem näher zu bringen und die Arbeit vor Ort zu erläutern. Der Bergmann spricht übrigens nicht von Tunneln, sondern von Strecken.

Wir geben einen Einblick in das geplante Endlager Schacht Konrad

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Auf dem Schachtboden vor dem Förderkorb befinden sich noch immer Schienen, auf denen einst Loren nach oben und unten transportiert wurden. Bis 1976 gelangten so sieben Millionen Tonnen Eisenerz an das Tageslicht. Dann wurde das Bergwerk unwirtschaftlich.

Oberhalb der Abbaustätte liegt eine 400 Meter dicke Tonschicht, die eine wasserundurchlässige Barriere bildet. Weil Schacht Konrad daher für ein Bergwerk – auch im Gegensatz zur Asse – ungewöhnlich trocken ist, landete die Anlage auf die Liste der denkbaren Endlagerstätten für Atommüll. 1982 begann das Planfeststellungsverfahren, erst 2002 wurde die Betriebserlaubnis erteilt.

Wenige Meter hinter dem Förderkorbschacht ist in der Wand ein kleiner beleuchteter Schrein eingelassen. Hinter einer Glasscheibe steht staubgeschützt eine Figur der Heiligen Barbara. Sie ist die Schutzpatronin der Bergleute. Glück auf!

Sich von hier zu Fuß auf den Weg durch die Schachtanlage zu machen, wäre ein beinahe hoffnungsloses Unterfangen. Das zum Teil unbeleuchtete Labyrinth erstreckt sich auf 40 Kilometern Länge. Spezielle Geländewagen stehen bereit.

Unterwegs im Endlager Schacht Konrad bei Salzgitter

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    Islinger setzt sich ans Steuer. Es geht los. Die Strecken ähneln Buckelpisten, Erdwärme faucht einem an manchen Stellen wie ein Hitzeschwall ins Gesicht. Die Menschen in Schacht Konrad arbeiten unter extremen Bedingungen. Gute 30 Grad heiß ist es, im Sommer sind es auch 40 Grad und mehr. Es gibt kein Tageslicht, der Staub, die Lautstärke und das Schichtsystem setzen den Mitarbeitern zu. Doch egal, wer einem hier unten begegnet, ein freundliches „Glück auf“ gehört zum guten Ton dazu. „Viele arbeiten hier mit Stolz“, sagt Islinger mit bayerischem Akzent. Er kommt aus Regensburg. „Für das, was wir hier machen, gibt es weltweit keinen Vergleich.“

    Die Mitarbeiter müssen alle zwei Jahre einen Medizin- und Tauglichkeitscheck machen. Er umfasst unter anderem einen Hörtest, einen Sehtest und ein Belastungs-EKG. Wer 50 Jahre und älter ist, muss jedes Jahr ran. „Die körperliche Belastung der Kumpel ist enorm“, sagt Islinger. „Alleine vom Zusehen wird einem schon warm.“

    Für den Laien wirkt das Tunnelgeflecht nach einigen Kurven undurchschaubar. Schon nach einigen Rampen und Toren zwischen den Strecken ist die Orientierung verloren. Überall dröhnt es, treiben Arbeiter große Bohrer in die Wände. An einem Streckenstummel steht ein Bagger. Die Arbeiter daneben wirken winzig. Hier entsteht ein Waschplatz. Die Fahrzeuge, die unter Tage eingesetzt werden, sollen hier bald vom vielen Dreck befreit werden.

    Nach wie vor sind die Arbeiter unter Tage vorwiegend mit Sanierungsaufgaben betraut. Das gilt vor allem für die beiden Schächte. Sie sorgen dafür, dass das unterirdische Tunnelsystem sein Profil behält – fünf Meter Breite und sechs Meter Höhe. Im Laufe der Jahre drückt das gigantische Gewicht der Felsen die Hohlräume im alten Bergwerk zusammen. Mit riesigen Fräsern, sogenannten Teilschnittmaschinen, erweitern die Arbeiter die Querschnitte wieder und sichern sie mit riesigen Stahldübeln ab.

    Der Atommüll wird auf 850 Metern Tiefe in den Tunneln eingelagert. Die Tunnel werden ganz neu gebaut. Sie sollen so stabil wie möglich sein. Sechs dieser Tunnel sind fertig. Sie sind bis zu 1000 Meter lang. Die sechs Tunnel bieten Platz für 65 000 Kubikmeter. Genehmigt ist Schacht Konrad für 303 000 Kubikmeter Atommüll. Die anderen Tunnel werden während des laufenden Betriebs gebaut, also „just in time“. Über einen Zeitraum von 40 Jahren soll der Müll eingelagert werden.

    Die Tunnel sehen übrigens sehr unspektakulär aus. Wie ganz normale Tunnel eben. Sie sind dunkel, schon in wenigen Jahren steht hier Stahlcontainer neben Stahlcontainer. Dann werden die Tunnel mit Beton versiegelt. Da kommt keiner mehr heran.

    Noch ist viel zu tun: Zurzeit werden das Verwaltungsgebäude, Lager und Werkstätten errichtet sowie die bestehende Schachthalle erweitert. Die Pufferhalle und das Lüftergebäude mit Diffusor fehlen noch komplett. Der Betreiber, die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), muss auch noch die Umladehalle, in der LKW und Züge später mit Atommüll-Containern direkt hereinfahren sollen, bauen.

    Widerstand gegen das Endlager organisiert unter anderem die AG Schacht Konrad. Die AG feierte im vergangenen August 30-jähriges Bestehen. Ursula Schönberger ist seit Beginn mit dabei. „Wir haben erreicht, dass nicht schon seit Mitte der 90er Jahre die Transporte mit Atommüll über unsere Straßen gerollt sind“, sagt sie.

    Es sei einfach ein Fehler, ein altes Bergwerk zu einem Endlager umbauen zu wollen. „Das fällt den Betreibern auf die Füße“, sagt Schönberger. Immer wieder mussten die Verantwortlichen die Einlagerung zeitlich nach hinten verschieben. Sie ist sich sicher: „Je mehr Zeit ins Land geht, desto größer sind die Chancen, dass Schacht Konrad nie in Betrieb gehen wird.“

    Die AG Schacht Konrad hat zwei grundsätzliche Kritikpunkte am Projekt: Der Langzeitsicherheitsnachweis datiert aus den 80er Jahren. „Heute hat man ganz andere Anforderungen an ein Endlager“, sagt Schönberger. Zumindest bei der Frage der Langzeitsicherheit würden diese nicht mit einfließen. Der zweite Punkt ist, dass der Atommüll nicht rückholbar ist. Schönberger: „Dabei haben wir bei der Asse gesehen, dass bei der Lagerung von Atommüll viel schiefgehen kann.“

    Kritik und Dialog würden helfen, die Arbeit zu verbessern, sagt BGE-Sprecherin Monika Hotopp. Dass die BGE und die Bürgerinitiativen dabei nicht immer einer Meinung sind, sei ganz selbstverständlich.