Braunschweig. Wildschweine könnten sich hierzulande an verseuchten Essensresten auf Rastplätzen infizieren. Niedersachsen weitet die Jagd aus.

Die Landwirtin Susanne Dreyer aus Isenbüttel bemerkt:

Wir sehen die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest mit großer Sorge.

Die Antwort recherchierte Eske Hansen

Die Afrikanische Schweinepest ist auf dem Vormarsch. Das beobachten Schweinehalter in unserer Region, wie die Landwirtin Susanne Dreyer vom Bio-Betrieb „Der Hof“ in Isenbüttel mit wachsender Sorge.

Der Virus breitet sich in Osteuropa weiter aus, und die Fälle infizierter Wild- und Hausschweine häufen sich. Die Seuche ist über Georgien und Russland in die EU eingeschleppt worden, inzwischen wurde sie in sechs Mitgliedstaaten nachgewiesen. In Polen ist die Schweinepest bis westlich der Hauptstadt Warschau vorgedrungen. Zwischen Ende November und Anfang Januar gab es in Polen nach Angaben des Friedrich-Löffler-Instituts (FLI) 279 neue Fälle bei Wildschweinen.

In Tschechien, wo sich die Seuche auf die Region Zlin an der slowakischen Grenze konzentriert, wurden seit Ende November 25 neue Fälle registriert. Im vergangenen Jahr gab es laut FLI im Baltikum, in der Ukraine, in Rumänien, Polen und Tschechien insgesamt 248 Krankheitsausbrüche bei Hausschweinen und 3859 bei Wildschweinen.

Für die erkrankten Tiere endet das Virus innerhalb von zehn Tagen in 90 Prozent der Fälle tödlich. Eine Gefahr für den Menschen bestehe laut FLI aber nicht. Übertragen wird der Virus vor allem über das Blut, aber auch andere Körperflüssigkeiten. Der Übertragungsweg von Wildschwein zu Wildschwein brauche länger. Doch mit Hilfe des Menschen sei die Schweinepest in der Lage, große Sprünge zu machen, erklärt Elke Reinking, Pressesprecherin des Friedrich-Löffler-Instituts. Der Mensch spiele bei der Verbreitung der Krankheit eine große Rolle. Durch verseuchte Essensreste aus Osteuropa, die hier entsorgt und von Wildschweinen gefressen würden, könne sich die Schweinepest schnell verbreiten.

Ein Impfstoff gebe es bislang nicht. Prognosen seien angesichts der sprunghaften Verbreitung nicht möglich, so Reinking. Umso wichtiger seien hygienische Vorsichtsmaßnahmen in den Schweinebetrieben. Auch Jäger, die nach Osteuropa reisen, sollten verstärkt auf die Desinfizierung ihrer Ausrüstung achten.

Niedersachsen hat eine besonders große Wildschwein-Population. Daher reagierte das niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz mit der verstärkten Jagd auf Wildschweine. In diesem Zusammenhang soll die Schonzeit für Schwarzwild aufgehoben werden, kündigte Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast an. Für die Jagd auf Wildschweine sind 3,5 Millionen Euro eingeplant.

„Veterinärmediziner fragen nicht mehr, ob die Seuche zu uns kommt, sondern, wann“, so Helmut Dammann-Tamke, Präsident der Landesjägerschaft Niedersachsen. Um das Virus einzudämmen, soll Experten zufolge statistisch gesehen künftig nur noch ein Wildschwein auf einer Fläche von 200 Hektar leben. „Das ist in Niedersachsen illusorisch“, sagt der Jäger. Es klinge zwar so einfach, doch die große Population und die Beschaffenheit der Wälder mache es unmöglich. In den Stadtgebieten rund um Braunschweig und Wolfsburg, wo Wildschweine bereits eine Plage sind, sei die Jagd aus Sicherheitsgründen gar nicht möglich. Daher müsse man andere Jagdmethoden wie die Lebendfangfallen in Betracht ziehen. Dammann-Tamke plädiert zusätzlich für eine sorgfältige Abfallwirtschaft an den Autobahnraststätten und Müllentsorgungs-Prämien für Fernfahrer. Dann komme es darauf an, den Ausbruch der Schweinepest so früh wie möglich zu erkennen. Bürger und Jäger seien gefordert, tote Wildschweine sofort zu melden. Dass die Krankheit nicht auf die Hausschweine übergreift, hält Dammann-Tamke für möglich. „Hier sind die Schweinehalter gefragt.“ Denn viele Landwirte seien auch Jäger und müssten auf strenge Hygienevorschriften achten.

Das treibt derzeit auch die Schweinehalter der Region um, erklärt Ulrich Löhr, Vorsitzender des Landvolks Braunschweiger Land. „Die Ausbreitung der Schweinepest sitzt wie ein latenter Kloß im Hals“, weiß er. Als Achse nach Osteuropa hält er die Autobahn 2 für besonders riskant.

Löhr begrüßt den Umgang des Landwirtschaftsministeriums mit dem Thema: „Bei der neuen Ministerin stoßen die Landwirte auf offene Ohren.“ Mit größeren Hinweisschildern an den Autobahnen, der verstärkten Wildschweinjagd und umfassende Informierung fahre man die richtige Strategie.

Besonders gefährdet sind Biobetriebe, wo die Schweine im Freien gehalten werden. Bei Bio-Landwirtin Susanne Dreyer in Isenbüttel leben 40 Schweine in Gruppen auf eingezäunten Flächen mit doppeltem Wildschutzzaun. Sie habe noch keinen Kontakt zwischen Wildschweinen und ihren Schweinen beobachtet, der eine Ansteckung voraussetzt. „Eine reale Gefahr ist das nicht, ausschließen kann man es natürlich nicht“, sagt die Landwirtin.

Trotzdem überprüfen die Betreiber des Hofes die Desinfektionsmatten, um die Hygiene zu gewährleisten. Doch wenn es durch einen akuten Fall der Schweinepest in Deutschland zur strikten Stallpflicht kommen sollte, wird es eng auf dem Hof in Isenbüttel. „Wir haben nicht die Kapazität, alle Schweine unterzubringen“, so Dreyer.

Schweinehalter Jürgen Lüddeke aus Ilsede ist entspannter. Er hält über tausend Mastschweine in einem geschlossenen Stallsystem. Es sei ja nicht das erste Mal, dass die Landwirte in einer solchen Situation seien, sagt er. Mit verschärfter Hygiene und dichter Informationslage würden schon die richtigen Maßnahmen ergriffen. In einem modernen Schweinemastbetrieb seien die Auflagen durch das Veterinäramt ohnehin schon sehr hoch. „Ich sehe mich gut gewappnet“, so der Landwirt. Kritisch sieht er den fehlenden Impfstoff, der seiner Meinung nach von der Politik zurückgehalten werde. „Wir Schweinehalter hängen in der Luft und können nur das Beste hoffen“, klagt er.