Braunschweig. Beim Leserforum unserer Zeitung ging es um den Umgang von Medien mit der AfD, Kritik an Medien und die Haltung von Journalisten.
Ein Besucher unseres Leserforums fragt:
Haben die Medien mit ihrer Berichterstattung der AfD zugearbeitet?
Zum Thema berichtet Jens Gräber
Die AfD, die bei der Bundestagswahl aus dem Stand ein Ergebnis deutlich über der 5-Prozent-Hürde erreicht hat, beschäftigte viele Zuhörer beim Leserforum unserer Zeitung zum Thema „Journalismus heute – was ist wichtiger: Haltung oder Nachricht?“. Auf die Frage eines Zuhörers nach der Rolle der Medien beim Aufstieg der rechtskonservativen AfD hatten die Podiumsgäste allerdings keine eindeutige Antwort.
Jörg Quoos, Chefredakteur der Zentralredaktion der Funke Mediengruppe, reagierte einerseits selbstkritisch: „Wir haben in einer allgemein aufgeregten Atmosphäre vielleicht manche Äußerung von AfD-Politikern zu hoch gehängt.“ Zur Strategie der Partei gehöre es, zu provozieren. Da sei Vorsicht angebracht, um ihr nicht in die Hände zu spielen. Andererseits fragte Quoos zurück: „Unterschlagen wir so etwas, bevormunden wir dann nicht unsere Leser?“
Auch Anja Reschke, Leiterin des Ressorts Innenpolitik beim NDR, sprach von einem Dilemma. „Die Medien schaffen Aufmerksamkeit für die AfD – vielleicht manchmal zu viel. Aber bestimmte Äußerungen ihrer Politiker würden nicht wirken, wenn sie nicht bei Bürgern auf fruchtbaren Boden fielen.“
In einem Punkt jedenfalls war sich Printjournalist Quoos ganz sicher: „Boykottieren bringt nichts. Wir müssen fair bleiben, auch im Umgang mit der AfD.“ Er forderte mehr Vertrauen in das Urteil der Bürger. Die Republikaner oder die Schill-Partei hätten sich zum Beispiel selbst entzaubert, weil sie eben keine Antworten auf die Probleme der Menschen im Angebot gehabt hätten.
Die Vorsitzende des Braunschweiger Presseclubs, Claudia Gorille, die zusammen mit Armin Maus, Chefredakteur unserer Zeitung, das Leserforum moderierte, sprach Quoos und Reschke auf die Kritik an, die Medien seit Jahren massiv entgegenschlage – nicht nur von der AfD.
„Das verwundert mich immer noch. Bei Panorama wollten die Mächtigen immer gar nicht unbedingt vorkommen, und jetzt wird uns vorgeworfen, wie wären regierungsnah“, sagte Reschke, die das NDR-Magazin moderiert. Ihr falle auf, dass diese Vorwürfe vor allem bei polarisierten Debatten aufkämen, zum Beispiel über die Flüchtlingskrise. „Das verstört einen schon“, sagte auch Quoos. Dabei sei die Vorstellung, dass Medien etwa Berichte über Flüchtlinge von der Regierung absegnen ließen, absurd.
Grundsätzlich, so Reschke, sei es jedoch zu begrüßen, wenn Bürger Dinge kritisch hinterfragten – und das gelte auch für die Berichterstattung von Medien.
Von Moderatorin Gorille mit einer Studie konfrontiert, wonach Medien in der Flüchtlingskrise nicht neutral berichtet hätten, waren Quoos und Reschke unterschiedlicher Meinung. Quoos sprach von Versäumnissen. „Es gab eine Art Euphorie, in der auch wir es vielleicht versäumt haben, Probleme und negative Folgen der Entwicklung zu thematisieren.“ Reschke dagegen gab zu bedenken, dass es keine monatelange, einhellig positive Berichterstattung über die ankommenden Flüchtlinge gegeben habe. „Spätestens ab Herbst 2015 gab es ja auch in den Medien Kritik.“
Auf den Vorwurf eines Zuhörers, die Grenze zwischen Nachricht und Kommentar verwische immer mehr, betonte Chefredakteur Maus, eine Grundregel des Journalismus sei, dies klar voneinander zu trennen. Geschehe das nicht, sei das ein Fehler.
Diskussion über Journalismus im Leserforum
Haltung allerdings, da herrschte auf dem Podium Einigkeit, brauche jeder Journalist. „Haltung ist ja nicht Meinung“, sagte Reschke. „Ich bin Journalistin auf dem Boden des Grundgesetzes, deshalb achte ich Werte wie Meinungsfreiheit, Menschenwürde oder den Schutz von Minderheiten.“ Auch Quoos betonte: „Wir als Medien stehen ein für die Werte, die sich diese Gesellschaft gegeben hat.“ Das gelte für seriöse Medien unabhängig ihrer politischen Ausrichtung.