Braunschweig. Eine Studie zeigt das Stadt-Land-Gefälle in der Region. In Braunschweig und Wolfsburg zahlen Mieter bis zu 13 Euro pro Quadratmeter.

Unsere Leserin Vanessa Hoffmeister fragt auf unseren Facebookseiten:

Wer soll denn solche Preise noch bezahlen? Wäre anständiger und bezahlbarer Wohnraum nicht sinnvoller für das Wachstum einer Stadt?

Die Antwort recherchierte Andre Dolle

Unsere Region spiegelt die deutschlandweite Entwicklung bei den Preisen für Neuvermietungen im Kleinen wider. Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) aus Bonn hat in einer Studie ein Stadt-Land-Gefälle ausgemacht. Gut, das ist an sich keine neue Erkenntnis. Die Zahlen belegen das Auseinanderdriften aber recht anschaulich. Demnach gilt für Braunschweig und Wolfsburg abgeschwächt, was auch für Metropolen wie München, Hamburg oder Frankfurt gilt: Die Mietpreise steigen immer weiter an. Das betrifft vor allem den freien Markt. Bei den Wohnungsgesellschaften, die es in Braunschweig, vor allem aber in Wolfsburg gibt, sind die Preise niedriger.

„Nicht mehr jeder Preis ist am Markt durch- setzbar. Einzelfälle gab es aber schon immer.“
„Nicht mehr jeder Preis ist am Markt durch- setzbar. Einzelfälle gab es aber schon immer.“ © Andreas Meist, Geschäftsführer von Haus und Grund Braunschweig

In den meisten Landkreisen in Deutschland sind die Mietpreise moderat. Auch das gilt in unserer Region. Zum Teil entwickelt sich der Mietmarkt zum Mietermarkt. Das gilt besonders für den Harz, wo Vermieter Probleme bekommen, ihre Wohnungen an den Mann zu bringen. Das gilt auch für Salzgitter. Insgesamt steigen die Mietpreise aber flächendeckend.

In einem Punkt unterscheidet sich die Region vom Rest der Republik: In Deutschland gibt es ein Nord-Süd-Gefälle bei den Mietpreisen, bei uns ist es umgekehrt.

„Der Druck wird zwar geringer, ist in Braun- schweig und Wolfsburg aber noch vorhanden.“
„Der Druck wird zwar geringer, ist in Braun- schweig und Wolfsburg aber noch vorhanden.“ © Timo Sass, Geschäftsführer des Mietervereins Braunschweig und Umgebung

Braunschweig und Wolfsburg

Laut BBSR-Experte Matthias Waltersbacher waren die Mietpreise in Braunschweig vor fünf Jahren mit knappen sechs Euro bei Neuvermietungen im Vergleich zu Großstädten günstig gewesen. Nun aber herrsche Dynamik: „Die Nachfrage steigt.“

„Auf dem privaten Wohnungsmarkt ist Wolfsburg die teuerste Stadt Niedersachsens.“
„Auf dem privaten Wohnungsmarkt ist Wolfsburg die teuerste Stadt Niedersachsens.“ © Matthias Waltersbacher, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

Lage, Lage, Lage. Das zählt in einer Großstadt wie Braunschweig besonders, sagt Timo Sass, Geschäftsführer des Mietervereins Braunschweig und Umgebung. „Im östlichen Ringgebiet und in der Innenstadt registrieren wir Mietpreise von bis zu 13 Euro bei neuen Verträgen.“ Er argumentiert im Sinne unserer Leserin: Die Stadt Braunschweig müsse ihre Bautätigkeit erhöhen. Dazu gehöre auch sozialverträglicher Wohnungsbau. „Die Quote muss 20 Prozent betragen.“ Die Stadt reagiert, will bis 2020 insgesamt 5000 neue Wohnungen bauen.

Auch die Stadt Wolfsburg will bauen: Bis 2020 sollen es 6000 Wohnungen sein. Jedoch räumte Oberbürgermeister Klaus Mohrs ein, dass diese Wohnungen schnell vom Markt absorbiert werden dürften. Die fantastische Entwicklung bis zum Abgasskandal bei VW sei nicht absehbar gewesen. Innerhalb von fünf Jahren entstanden 20 000 Jobs.

In Wolfsburg stiegen die Preise bei Neuverträgen auf dem privaten Markt 2016 um 6,5 Prozent, in Braunschweig um 9 Prozent. Sass sagt: „Die Mietpreise ziehen stärker an als Inflation und Gehälter.“ 2016 gab es einen Zuwachs bei Löhnen und Gehältern in Deutschland um 2,5 Prozent, die Inflation stieg um 0,3 Prozent. Der Mieterverein setzt Hoffnungen in die Mietpreisbremse. Die gilt in Wolfsburg und in Braunschweig seit Dezember 2016. Ob sie etwas bringt, wird sich zeigen.

Andreas Meist, Geschäftsführer von Haus und Grund Braunschweig, hält von der Mietpreisbremse nichts. Diese sei ein Hemmnis für Investitionen. Der Markt habe sich in Braunschweig und in Wolfsburg abgekühlt, sagt er und macht das an den Erfahrungen seiner Mitglieder, den Eigentümern, fest: „Als diese 2015 ihre Wohnungen inseriert haben, hatten sie nach drei bis vier Stunden einen neuen Mieter. Jetzt dauert das drei bis vier Tage.“

Salzgitter

BBSR-Experte Waltersbacher stuft die Mietpreise in der Stahl-Stadt als „sehr, sehr niedrig“ ein. Das gilt für den Vergleich mit anderen deutschen Großstädten. „Solche Preise findet man sonst nur noch in Großstädten im Ruhrgebiet“, sagt er. Es gebe zudem ein mangelndes Angebot an guten Wohnlagen. Sass vom Mieterverein bezeichnet Salzgitter als einen „schwierigen Markt mit hoher Leerstandsquote“.

Landkreis Gifhorn

Der Mietmarkt spielt im Kreis – wie in den anderen Landkreisen der Region auch – nicht die ganz große Rolle. Es gibt viele Eigentümer. Doch in den Speckgürtelgemeinden bei Braunschweig und Wolfsburg sowie in der Kreisstadt Gifhorn gibt es einen nennenswerten Mietmarkt. Und der ist mit mehr als zehn Prozent Steigerung bei Neuvermietungen sehr dynamisch. Waltersbacher: „Solche Werte gibt es sonst nur im Süden im Umfeld der Metropolen München und Stuttgart oder in Südhessen.“ Auch die 6,90 Euro als Durchschnittswert seien hoch.

Sass hat eine Erklärung: „Die Wolfsburger und auch die Braunschweiger wandern durch die hohen Mietpreise ins Umland ab, besonders nach Gifhorn, mit Abstrichen auch in den Kreis Helmstedt.“

Landkreise Peine, Helmstedt und Wolfenbüttel

„Moderates Mietniveau, moderate Steigerungen.“ So bringt Waltersbacher die Situation in den Landkreisen bei Neuverträgen auf den Punkt. „Der Markt kocht hier nicht gerade über, ist aber insgesamt intakt.“ Bei einem genaueren Blick erkennt Sass aber Unterschiede in den Landkreisen. So falle vor allem die Kreisstadt Helmstedt im Vergleich zu Lehre oder Königslutter ab. Im Kreis Wolfenbüttel sei der Süden eher schwach, die Kreisstadt beliebt.

Landkreise Osterode und Goslar

„Der Harz hat zu kämpfen“, sagt Meist. Die Bevölkerung gehe zurück, den Vermietern fehle das Geld, um die Wohnungen zu sanieren. „Ein Kreislauf“, sagt Meist. Das führe zu den niedrigen Werten bei den Mietpreisen.

Landkreis Göttingen

Die Studie sieht den Kreis als solitär, obwohl er mit Osterode fusioniert ist. Ohne die Uni-Stadt Göttingen liegt der Rest des Kreises laut Waltersbacher bei sechs Euro, die Stadt selbst bei guten acht Euro pro Quadratmeter.