Braunschweig. Viele Politiker zeigen sich in unserer Umfrage überrascht über Gabriels Verzicht.

Es war wohl die schwerste Entscheidung seiner Karriere: Sigmar Gabriel übergibt die Kanzlerkandidatur und seinen SPD-Vorsitz an seinen populären Parteifreund Martin Schulz. Politiker aus unserer Region zeigten sich gestern in einer Umfrage unserer Zeitung überwiegend überrascht.

Spürbar bewegt berichtet Hubertus Heil, SPD-Fraktionsvize und Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis Peine/Gifhorn, über Gabriels Rücktritt vom Parteivorsitz und seinem Verzicht auf die Kanzlerkandidatur. Diese Entscheidung sei geprägt von einem starken Verantwortungsgefühl Gabriels gegenüber der SPD. Als Parteivorsitzender und Bundeswirtschaftsminister habe Gabriel, mit dem Heil befreundet ist, „viel bewegt“. Für viele sei Gabriels Verzicht „überraschend“ gewesen, ob auch für ihn – Heil –, das ließ der 44 Jahre alte Peiner trotz mehrfacher Nachfrage unbeantwortet. Gleiches gilt für die Frage, ob die Tatsache, dass Gabriel im Frühjahr erneut Vater werde, einen Einfluss auf dessen Rückzug gehabt habe.

Heil zufolge wird Gabriel bei den Bundestagswahlen erneut im Wahlkreis Salzgitter/Wolfenbüttel antreten; ob Gabriel nun auch für Frank-Walter Steinmeier Außenminister werde, sei „jetzt nicht das Thema“ gewesen, sagt Heil. Bei der SPD-Kanzlerschaft spricht sich der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion klipp und klar für Martin Schulz aus: „Keine Frage, er kann Kanzler.“ Schulz habe Erfahrungen „von der Kommunal- bis zur Europapolitik“. Richtig sei es, Schulz nicht nur zum SPD-Kanzlerkandidaten zu machen, sondern auch zum SPD-Bundesvorsitzenden – diesen zeichne eine „hohe Leidenschaft“ aus.

Für die SPD in Sigmar Gabriels Heimatstadt Goslar kommt sein Verzicht unerwartet. Petra Emmerich-Kopatsch, Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Goslar, erklärt: „Wir nehmen diese Entscheidung mit Respekt zur Kenntnis.“ Als Vorsitzender habe er die Partei geeint und viele Erfolge erzielt, so Emmerich-Kopatsch. „Ich bin froh, dass er wieder in unserem Wahlkreis Salzgitter-Wolfenbüttel antritt und wir damit weiter eine starke Vertretung unserer Industrie- und Forschungsregion im Bundestag haben“, sagt die Unterbezirksvorsitzende.

Für Michael Letter, Vorsitzenden des SPD-Unterbezirksverbandes Salzgitter, kommt der Kandidaturverzicht Gabriels „völlig überraschend“. „Ich will am Samstag nach Berlin reisen und bin bislang davon ausgegangen, dass die SPD die Bewerbung Gabriels dann offiziell verkünden wird.“ Persönlich habe er den Parteichef auch für den besseren Kandidaten gehalten: „Gabriel besitzt Durchsetzungskraft und ist zielorientiert – von Herrn Schulz weiß ich das nicht.“ Überdies geht Letter weiter davon aus, dass Gabriel bei der Nominierungskonferenz der SPD am 15. März in Wolfenbüttel erneut als Kandidat des Bundestagswahlkreises Salzgitter-Wolfenbüttel ins Rennen gehen wird. Werde er nun möglicherweise Außenminister, könnte das sein Image in der Region weiter aufwerten, ist Letter überzeugt.

Auch Salzgitters Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU) reagiert verblüfft auf den Kandidatur-Verzicht Gabriels. „Dies ist eine zutiefst persönliche Entscheidung, die sich Sigmar Gabriel als langjähriges politisches Schwergewicht sicher nicht leichtgemacht hat“, sagt das Stadtoberhaupt. „Mit Blick auf die nimmer endenden Diskussionen in der SPD über seine Kanzlerkandidatur kann ich seine Entscheidung menschlich nachvollziehen“, erklärt er weiter.

„Natürlich bin ich überrascht wie alle anderen. Es ist eine Entscheidung, für die ich großen Respekt habe“, sagt Wolfenbüttels Landrätin Christiana Steinbrügge. Aus Landkreissicht sei Gabriel ein Kenner der Region und habe immer auch ein offenes Ohr für die Anliegen der Region gehabt. Steinbrügge: „Sigmar Gabriel hat sich immer wieder auch vor Ort informiert, zum Beispiel wenn es um das Thema Flüchtlingsintegration oder um die Asse ging.“

Falk Hensel, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion in Wolfenbüttel, sagt unserer Zeitung: „Es ist schade, dass Gabriel als Kanzlerkandidat nicht zur Verfügung steht. Ein Kanzler aus der Region hätte uns gutgetan.“ Gabriel könne gut auf Menschen zugehen. „Er hätte diese Aufgabe gut gemacht. Auch als Parteivorsitzender hat er gute Arbeit geleistet und die Partei zusammengehalten“, so Hensel.