Braunschweig. Zweimal kam die Show „Wetten, dass..?“ aus Braunschweig. Samstag steigt nach fast 34 Jahren das Finale des Klassikers.

Vielleicht ist es ja wirklich die letzte große Samstagabendshow, die morgen Abend zu Grabe getragen wird. Manch einen hat sie fast 34 Jahre seines Lebens begleitet – so lange gab es sie.

Auf Spitzen-Zuschauerzahlen von 23,4 Millionen (erreicht im Februar 1985, die damalige DDR natürlich nicht eingerechnet) kommen heutzutage nur noch Spiele der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei einer WM (wohlgemerkt inklusive der neuen Bundesländer). Da geht also heute tatsächlich mit „Wetten, dass..?“ ein Kapitel deutscher Fernseh-Geschichte zu Ende, das ist gar keine Frage.

Darf, soll oder muss man das Aus nun bedauern? Da scheiden sich die Geister. Letztlich haben die Zuschauer entschieden – mit sinkenden Quoten, zuletzt waren es noch um die sechs Millionen. Das ist wenig im Vergleich zu früher, aber immer noch mehr, als andere Samstagabend-Shows meist haben. Gleichwohl, und so argumentiert auch das ZDF: Angesichts von zwei Millionen Euro Produktionskosten pro Sendung steht der Aufwand nicht mehr im gewünschten Verhältnis zum Erfolgs-Ertrag.

Über die Gründe für den dramatischen Quoten-Sinkflug der vergangenen zwei bis drei Jahre kann man trefflich spekulieren – oder gar streiten. Sitzt die Familie heute nicht mehr wie damals am Samstagabend in trauter Eintracht geschlossen vor der Glotze? Gibt es heutzutage sowieso viel zu viele Fernsehprogramme, so dass kaum eine Sendung noch zum vielbeachteten Event werden kann, über das man montags im Büro spricht? Fällt es den Leuten längst schwer, sich drei Stunden auf eine Sendung einzulassen?

Hat es der oft als uncharmant und nervös bezeichnete Markus Lanz nicht geschafft, in die großen Schuhe des eher weltgewandten, erfahrenen und selbstsicheren Thomas Gottschalk zu schlüpfen? War Cindy aus Marzahn als Assistentin wirklich die richtige Nachfolgerin von Michelle Hunziker? Ach ja, und machen all die Stargäste nicht sowieso immer nur Werbung in eigener Sache?

Der Auftritt von Michael Jackson vor 15 Jahren war ein Knaller

Ja, es waren oft Weltstars in der Sendung zu Gast. Man denke nur an den Auftritt von Michael Jackson vor 15 Jahren, damals eine Sensation. Hat da eigentlich jemand gemeckert, dass der Mann angeblich Werbung für sich macht? Oder wollten die Leute seinen einmaligen Auftritt in einer deutschen Live-Unterhaltungsshow einfach nur nicht verpassen? Und da erhebt sich gleich die nächste Frage: Haben die Zuschauer „Wetten, dass..?“ wegen der Wetten eingeschaltet oder vielleicht doch wegen der Stargäste, die oft aus Hollywood kamen?

So viele Fragen, so wenig Antworten. Man weiß es halt nicht genau. Vermutlich stimmt alles ein bisschen. Jeder hat darauf seine eigenen Antworten. Das ist so ähnlich wie beim Fußball, wo ja auch in jedem Fan ein Bundestrainer steckt.

Was man aber genau weiß: Zweimal wurde die Show aus der Braunschweiger Volkswagen-Halle übertragen, im Januar 2002 und im November 2009. Robbie Williams, Lady Gaga, Mick Jagger, Sebastian Vettel und Anastacia waren seinerzeit die Top-Gäste in Braunschweig. Vor allem die erste der beiden Sendungen (sie hatte 15 Millionen Zuschauer) ist bis heute in Erinnerung geblieben – aus zwei Gründen.

Erstens: Die junge Sarah Connor, gerade mit „From Sarah with love“ bekannt geworden, trat in einem transparenten Kleid auf, und die ganze Nation fragte sich: Hatte sie was drunter oder nicht? Ganz genau weiß man es übrigens bis heute nicht. Und zweitens: Thomas Gottschalk hatte seine Stadtwette auf dem Burgplatz gegen die Braunschweiger erwartungsgemäß verloren und schrieb daraufhin einen exklusiven Verriss über seine eigene Sendung für unsere Zeitung, der als Aufmacher auf der Titelseite erschien.

Auszug: „Vor seinen Stargästen warf sich der Moderator wie üblich in den Staub. Er war in seinem Element, als es darum ging, der Sängerin Sarah Connor unter den Rock zu gucken. Er alleine weiß nun, ob sie Strumpfhosen trug oder nicht.“ Diese Montag-Ausgabe vom 28. Januar 2002 war die bis dahin meistverkaufte unserer Zeitung. Tja, damals war das Spektakel noch Tagesgespräch ...

Man könnte viele Seiten mit bunten Geschichten über „Wetten, dass..?“ füllen. Was gab es da für Skandale, Aufreger, Kurioses, Schönes! Zum Beispiel der Auftritt von Karlheinz Böhm im Mai 1981, der die Geburtsstunde seiner Aktion „Menschen für Menschen“ war. Oder die „Buntstift“-Lüge 1988, als ein Satire-Redakteur vorgab, die Farbe von Buntstiften am Geschmack erkennen zu können – er linste unter seiner Augenbinde hindurch und war sicher sehr stolz auf sich. Oder US-Popstar Cher: Die Frau trat 1987 als scharfe Rockerbraut in Motorradjacke, Stiefeln und Strapsen auf.

Vor vier Jahren verlor die Show plötzlich das Unbeschwerte

Ein Drama ereignete sich im Dezember 2010: Der Hobby-Kunstturner Samuel Koch (damals 23) verunglückte schwer, als er versuchte, mit Sprungstelzen über fahrende Autos zu springen. Seither ist er gelähmt. Die Sendung wurde abgebrochen.

„Wetten, dass..?“ hatte plötzlich das Leichte, Fröhliche, Unbeschwerte verloren. Thomas Gottschalk entschied wenig später, die Moderation abzugeben. Es war, wie man heute weiß, der Anfang vom Ende. Samuel Koch hat sich entschieden, am Samstag in der letzten Sendung dabei zu sein. Dafür gebührt ihm Respekt.

Das ZDF setzt künftig verstärkt auf Krimis am Samstagabend

Doch wie soll es weitergehen am Samstagabend? Das ZDF macht sich wenig Illusionen, der Sender setzt künftig vor allem auf Krimis zur Primetime. Ab und zu darf Carmen Nebel nochmal ran – mit ihrer musikalischen, eher klassischen und weichgespülten Show. Und man will es mit ein paar neuen Shows versuchen, darunter „Das Spiel beginnt!“ mit Johannes B. Kerner im März.

Aber damit nochmal acht oder gar zehn Millionen Zuschauer vor der Glotze versammeln? Stefan Raab mit seinen lauten Shows auf ProSieben oder RTL mit dem „Supertalent“ oder den „Superstars“ sitzen nicht erst seit gestern in den Startlöchern im Rennen um die Einschaltquoten. Da gucken eher die Jüngeren zu. „Verstehen Sie Spaß?“ ist in der ARD ebenfalls seit Jahren eine feste Größe, und Florian Silbereisen findet im Ersten auch stets sein – meist älteres – Publikum.

Da wird auch ein Johannes B. Kerner im ZDF wenig ausrichten können. Wetten, dass?