Braunschweig. Wie viel Kohlendioxid ein Fahrzeug in seiner Lebenszeit abgibt, hängt stark von äußeren Bedingungen wie dem Strommix ab.

Unser Leser Lars Ohse aus Rickensdorf fragt:

Wie viel weniger produziert ein Elektro-Auto im Vergleich zum Verbrenner, wenn das E-Auto mit unserem Energiemix in Deutschland geladen wird?

Die Antwort recherchierte Johannes Kaufmann

130 Gramm Kohlenstoffdioxid (CO2) dürfen Autos in Deutschland seit 2015 gemäß einer Verordnung der EU im Durchschnitt pro Kilometer freisetzen. Ein ambitioniertes Ziel – der Golf 7 GTI von Volkswagen beispielsweise bringt es als Benziner laut Herstellerangaben auf mindestens 145 Gramm pro Kilometer. Um den Durchschnitt der Fahrzeugflotte zu senken, setzen die Autobauer verstärkt auf Elektro-Autos. Auf der Internetseite von VW findet sich beim E-Golf entsprechend zum CO2 die Angabe „0 g/km“.

Eine ziemlich unsinnige Angabe, denn sie gilt allein für das beim E-Auto nicht vorhandene Auspuffrohr. Aber auch Elektro-Mobilität ist nicht CO2-neutral, denn der Strom, mit dem die Batterie eines E-Autos geladen wird, muss irgendwie produziert werden. Und das wird er – wie unser Leser richtig anmerkt – in einem Mix aus emissionsarmen Erzeugungsmethoden wie Wind-, Solar- oder Kernenergie und durch das Verbrennen von Gas, Öl und Kohle, das viel CO2 freisetzt. Der Auspuff sitzt bei der Elektro-Mobilität somit nicht mehr am Auto, sondern am Kraftwerk.

Das Umweltbundesamt (UBA) hat für den Bedarf von einer Kilowattstunde (kW/h) aus Braunkohleverfeuerung gewonnenen Stroms 1151 Gramm abgegebenes CO2 errechnet. Bei Steinkohle kommt das UBA auf 863, bei Erdgas auf 391 Gramm. Den Gesamtwert für den deutschen Strommix beziffert das UBA für 2015 auf 534 Gramm CO2 pro kW/h.

Somit kommt der E-Golf bei einem von VW angegebenen Strombedarf von 12,7 kWh/100km also nicht auf 0, sondern auf knapp 68 Gramm CO2 pro Kilometer. Das ist immer noch deutlich weniger als beim Verbrenner. Allerdings sind solche Bedarfswerte grundsätzlich und bei Elektro-Autos ganz besonders mit Vorsicht zu genießen. Denn sie schwanken stark in Abhängigkeit von der Fahrweise, der Beschaffenheit der Straßen, der Steigung, den Verkehrsbedingungen und der zusätzlichen Verbraucher wie Heizung oder Lüftung, die bei Elektro-Autos einen bedeutenden Teil des Gesamtbedarfs an Energie ausmachen.

In einer Studie vom Oktober 2017 haben unter anderem Wissenschaftler der Technischen Universität Dresden die CO2-Emissionen von Elektro-Autos und Verbrennern unter verschiedenen Rahmenbedingungen verglichen. Dabei sind sie von einer Gesamtstrecke von 250 000 Kilometern und einem Bedarf von 20 Kilowattstunden pro 100 Kilometer beim Stromer sowie einem Verbrauch von 6,1 Litern Benzin beim Verbrenner ausgegangen.

Bei 550 Gramm CO2 pro kW/h kommen die Forscher für Stromer in Deutschland auf 27,5 Tonnen CO2 über die gesamte Betriebszeit. Der Verbrenner bringt es auf 35,7 Tonnen und schneidet damit um rund 23 Prozent schlechter ab als das E-Auto. In Japan kommt der Stromer wegen des weniger CO2-intensiven Strommixes laut der Studie sogar auf nur etwas mehr als die Hälfte der Emissionen des Verbrenners.

Elektro-Autos sind in der Herstellung klimaschädlicher

In China hingegen hat ein E-Auto zwar kein Benzin im Tank, dafür in gewisser Weise aber Kohle in der Batterie. Das führt zu dem womöglich überraschenden Ergebnis, dass der Verbrenner das Klima laut der erwähnten Studie mit knapp einem Drittel weniger Emissionen belastet als das Elektro-Auto. Im Reich der Mitte schlägt jede Kilowattstunde mit 1100 Gramm CO2 zu Buche. Die boomende E-Mobilität mag zwar die Luft in den Mega-Metropolen des Landes verbessern, dem Klima hilft dies aber offenbar nicht. Auch die beim Verfeuern fossiler Brennstoffe entstehenden Schadstoffe werden lediglich verlagert – von der Straße zu den Schloten der Kohlekraftwerke.

Und es kommt noch dicker: Denn zu einer sogenannten Lebenszyklusanalyse gehören nicht nur die Emissionen im Betrieb, sondern auch solche, die bei der Herstellung anfallen. Auch da schneidet das Elektro-Auto schlecht ab – vor allem, wenn es in China produziert wird. Das haben Wissenschaftler von der Tsinghua-Universität in Beijing berechnet. Ihr Vergleich von Verbrennern und Stromern der Mittelklasse ergab einen Unterschied von 60 Prozent bei den Emissionen im Herstellungsprozess – zu Ungunsten des E-Autos. Demnach kommt der Stromer bei der Produktion auf einen Klima-Rucksack, der etwa 14,6 Tonnen CO2 entspricht, beim Verbrenner sind es 9,2 Tonnen.

Ähnliche Studien gibt es auch zu anderen Produktionsstandorten. Eine Erhebung aus dem Jahr 2013 kam für die Produktion eines Mercedes der A-Klasse in Europa auf ein Äquivalent von 6,5 Tonnen CO2. Für die Elektro-Version wurden rund doppelt so hohe Emissionen von 13 bis 14 Tonnen errechnet. Für die USA kam eine andere Studie hingegen lediglich auf einen Unterschied von 6,4 zu rund 8,5 Tonnen CO2.

Entscheidend für den Unterschied sind laut der chinesischen Studie die elektronische Steuerung und vor allem die Batterie. Auf dieses Problem hat im vergangenen Jahr auch eine Untersuchung im Auftrag der Schwedischen Energieagentur aufmerksam gemacht. Darin haben Wissenschaftler des Schwedischen Instituts für Umweltforschung (IVL) errechnet, dass bei der Herstellung einer Lithium-Ionen-Batterie für Elektro-Autos pro speicherbarer Kilowattstunde zwischen 150 und 200 Kilogramm CO2-Äquivalent entstehen. Grund dafür sind unter anderem seltene und schwer zu fördernden Materialien wie Lithium, Kobalt und Neodym, die in Batterien enthalten sind.

Abhängig von der Größe des Akkus müssen auf die Lebensbilanz des E-Autos durch den Betrieb somit zwischen rund vier (Nissan Leaf mit 24 kW/h) und 15 Tonnen (Tesla Model S mit 86 kW/h) draufgeschlagen werden. Der bereits erwähnte Golf 7 hat mit seinen 145 Gramm CO2 pro Kilometer somit knapp 28 000 Kilometer Fahrtstrecke „Vorsprung“ vor einem Nissan

Leaf. Gegenüber dem Tesla sind es sogar 100 000 Kilometer.

Entscheidend für die Ökobilanz

ist das Gewicht

Wissenschaftler des Massachusetts Institute of Technology (MIT) wiesen 2016 in einer Studie im Fachjournal „Environmental Science&Technology“ auf die Bedeutung der Fahrzeuggrößen für einen sinnvollen Vergleich hin. Nach den MIT-Daten ist ein im Mittleren Westen der USA betriebener Tesla Model S pro Kilometer über den gesamten Lebenszyklus zwar deutlicher grüner als ein BMW der 7er Reihe mit Verbrennungsmotor. Unterboten wird er aber von kleineren Verbrennern wie dem Mitsubishi Mirage.

E-Autos sind somit nicht pauschal klimafreundlicher als Verbrenner – sie werden vom Gesetzgeber sowohl in den USA als auch in Europa aber so behandelt und entsprechend gefördert, steuerlich begünstigt oder von Öko-Sanktionen freigestellt.

2012 kam das Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) insgesamt zu dem Ergebnis, dass sich beim aktuellen Energiemix in Deutschland E-Autos und Verbrenner der Kompaktklasse in Sachen Klimabilanz etwa die Waage halten. Der Physiker und Umweltschützer Ulrich von Weizsäcker, Gründer des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt, Energie und Präsident Club of Rome, warnte im November vor den Jamaika-Sondierungsgesprächen sogar vor einem „Schnellschuss beim Verbrennungsmotor“. Beim aktuellen Strommix in Deutschland sei das Elektroauto „eher klimaschädlicher als der Verbrennungsmotor“.

Der Verein Öko-Institut in Freiburg hingegen kommt zu einem anderen Ergebnis. „Ersetzt man ein mittleres Dieselfahrzeug mit einer Lebenslaufleistung von 180 000 Kilometern durch ein vergleichbares Elektroauto, so spart man über die gesamte Lebensdauer des Fahrzeugs etwa ein Drittel der Treibhausgasemissionen ein“, heißt es in einem Gutachten des Vereins. Darin gehen die Autoren allerdings von einem stetig steigenden Anteil erneuerbarer Energien am Strommix aus. Für den Herstellungsprozess setzen die Freiburger einen Unterschied von fünf Tonnen CO2 an.

All das zeigt: Ein Vergleich der Öko-Bilanz von Elektro-Autos und Verbrennern ist ausgesprochen komplex. Jede Rechnung hängt von einer Menge Parametern ab – vom Ort der Produktion über die Herkunft der Rohstoffe bis zum Fahrstil des Fahrers. Je nachdem, wie diese Parameter gewählt werden, können die Ergebnisse solcher Rechnung sich stark unterscheiden. Nicht berücksichtigt wurde in den hier aufgeführten Beispielen die Lebensdauer von Batterien sowie ein mögliches Recycling. Eines allerdings ist sicher: Bei der aktuellen Batterietechnik steht der Trend zu mehr Reichweite im Widerspruch zu den politischen Klimazielen. Denn mehr Reichweite bedeutet größere Batterien. Ob Verbrenner oder E-Auto: CO2-Emissionen lassen sich vor allem durch geringeres Gewicht einsparen.