Rhumspringe. Die Rhumequelle zwischen Duderstadt und Herzberg vereint Naturschutzgebiet, Naherholung, Kultstätte und Stoff von Legenden: Ein Porträt

Sie ist Trinkwasserquelle, Biotop und ein Naherholungsgebiet: Die Rhumequelle bei Rhumspringe zwischen Herzberg und Duderstadt. In jüngster Zeit war sie jedoch vor allem eines, nämlich ein Objekt des Streits exemplarisch quasi für die Frage, ob wichtige Orte durch private Personen verwaltet und verkauft werden dürfen oder ob sie in öffentliche Hand gehören.

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Das Alter der Quelle lässt sich nur sehr schwer bestimmen, weiß Hans-Georg Ehlert, Vorsitzender der Rhumequelle AG und zuständig für den Naturschutz im Bereich der Quelle. Erwiesen ist hingegen, dass die Quelle den Hauptanteil ihres Wassers aus den Versickerungen der Harzflüsse Oder und Sieber bezieht. Die Rhumequelle gilt als eine der ergiebigsten Karstquellen Mitteleuropas. Zugleich ist sie die größte Quelle im gesamten europäischen Raum.

„Von einer Karstquelle spricht man, wenn 94 Prozent des der Quelle zugeführten Wassers unterirdisch verlaufen“, erklärt Ehlert weiter. Der trichterförmige Quellkopf mit seinen zahlreichen Nebenquellen sei mit einer Quellschüttung von 2.000 Litern pro Sekunde die drittstärkste Quelle in Deutschland (nach Aachtopf und Blautopf), wie die AG Rhumequelle beschreibt.

Die Rhumequelle friert nie zu

Aus dem trichterförmigen Hauptquelltopf von rund 20 Metern Durchmesser und etwa neun Metern erforschter Tiefe sowie den rund 360 Nebenquellen fließen jede Sekunde, je nach vorausgegangener Wettersituation, zwischen 900 und 5.500 Liter Quellwasser in den hier beginnenden Fluss Rhume. Die Wassertemperatur beträgt ganzjährig konstant 8 bis 9 Grad Celsius, daher friert der Quellsee im Winter nie ein.

„Rund 10 bis 15 Prozent des Wassers der Quelle werden von der Eichsfelder Energie und Wasserversorgungsgesellschaft (EEW) zu Trinkwasser gemacht. Da jährlich mit dem unterirdischen Trinkwasser aber auch 40.000 bis 50.000 Tonnen Kalk und Gips zutage gefördert werden, benötigt man bestimmte Filter, so genannte Osmosegeräte, zur Filterung des Wassers von den Feststoffen“, so Ehlert.

Rhumequelle: Name beruht auf Nixe „Rhuma“

Ihren Namen erhielt die Rhumequelle übrigens durch eine Sage. So soll der Bereich der Quelle das Reich der Nixe Rhuma sein, die sich der Legende nach einst in den jungen Riesen Romar aus der verfeindeten Burg am Römerstein verliebt und mit ihm einen Knaben gezeugt haben soll. Als der Vater der Nixe davon erfuhr, soll er sie wutentbrannt in eine Höhle verbannt haben. Erst nach vielen Jahren gelang es Rhuma schließlich, auf unterirdischen Wegen dem Einflussbereich des Vaters zu entrinnen und als Wasserstrom ans Tageslicht zu gelangen. Diese Stelle nennt man noch heute die „Rhumequelle“.

Aus dieser Sage heraus entwickelte sich auch eine besondere Tradition, die besonders die Mädchen aus Rhumspringe freut: Alle zwei Jahre wird im Herbst ein neues Mädchen aus dem Ort dazu auserkoren, die Nixe Rhume zu verkörpern. „Leider konnten wir diese Tradition zuletzt 2019 durchführen. Die Pandemie machte uns hier und bei den anderen Veranstaltungen rund um die Rhumequelle einen Strich durch die Rechnung“, bedauert der Vorsitzende Ehlert.

Wohnort für viele Tiere

Auf Grund ihrer Lage dienen die Rhumequelle und ihre Umgebung auch vielen heimischen Tierarten (unter anderem Pirol Eisvogel und Wasseramsel) als Rückzugs- und Nahrungsgebiet oder kühler Wohnplatz (u.a. Regenbogenforelle, Äsche). „Der wohl bei uns seltenste beheimatete Vogel ist der Eisvogel. Aber auch Biber und zahlreiche Forellen, deren Aufkommen für die Qualität und den hohen Sauerstoffgehalt des Wassers sprechen, leben in und an der Quelle“, erklärt Hans-Georg Ehlert. Die im Naturerlebniszentrum auf Gut Herbigshagen in rund zehn Kilometer Entfernung beheimatete Heinz-Sielmann-Stiftung dokumentiert ergänzend zu den Schautafeln im Quellumfeld die Flora und Fauna der Rhumequelle, mit denen sich Besucherinnen und Besucher über die Quelle informieren können.

Umweltminister Olaf Lies (links) machte sich mit Vertreterinnen und Vertretern der Politik ein Bild von der Rhumequelle.
Umweltminister Olaf Lies (links) machte sich mit Vertreterinnen und Vertretern der Politik ein Bild von der Rhumequelle. © HK | Nina Schmitzer

Und auch durch die Geschichte hinweg hinterließ die Menschheit ihre Spuren an der Rhumequelle: Scherben von bandkeramischen Gefäßen aus der Zeit um 5000 bis 4200 v. Chr., gefunden in der Quelle bei Renaturierungsarbeiten 1998/99, sind Zeichen einer frühen Zivilisation. Sie werden an dieser Stätte des Quellopferkultes ergänzt durch eine Beilklinge (ca. 4000 v. Chr.), das Bruchstück einer Fibel, einer Art Brosche (100 v. Chr.) und Scherben aus dem Mittelalter. „Quellopfer haben eine lange Geschichte. Es ist sehr wahrscheinlich, dass angesiedelte Völker Opferstücke in das Wasser warfen, um beispielsweise um gute Ernte und Gesundheit zu bitten“, so Ehlert. Dabei handelte es sich jedoch weder um Tier- noch Menschenopfer, sondern vielmehr um verschiedene Gegenstände in Form von kleinen gefertigten Opferstücken.

Streit um Besitz der Rhumequelle

Auch noch heute lockt die Rhumequelle Anwohner und Touristen zugleich an. Egal ob auf einer der vielen Sitzgelegenheiten rund um die Quelle, dem Aussichtssteg oder bei dem rund fünfminütigen Rundgang um das Gelände mit Blick auf das Wasser. Neben sattem Grün grenzt das Gelände der Quelle auch an eine alte Papierfabrik. Für die AG Rhumequelle, viele lokale Parteien, Vertreter und den Kreistag ein Grund zur Sorge um die Zukunft der Quelle. Denn das Grundstück der Fabrik, die sich im privaten Besitz befindet, beinhaltet auch die Rhumequelle. Ein neuer privater Käufer war bereits gefunden, doch die Gemeinden und Politik stellten sich dem entgegen – und möchten von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen. Möglich macht das die Tatsache, dass die Quelle in einem Naturschutzgebiet liegt. Um das Anliegen zu voranzutreiben, besuchte Mitte Juni der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies (SPD) die Quelle, machte sich ein Bild von der Lage vor Ort und sprach seine Unterstützung aus.

Ende Juni hat die Mehrheitsgruppe aus Grünen und SPD eine Resolution zu dem Thema eingebracht. „Die Rhumequelle muss in öffentliches Eigentum übergehen“, fordern sie. Und der Kreistag möge die „aktuellen Bemühungen von Landrat und Verwaltung“ unterstützen, die Rhumequelle für Naturschutz und Trinkwasserversorgung in öffentliches Eigentum zu übernehmen. „Geht der Quelltopf mit umliegenden Biotopen und Wegen an eine Privatperson, ist eine nachhaltige sowie besucher- und besucherinnenorientierte Nutzung nicht mehr möglich“, erläutert die Mehrheitsgruppe ihre Resolution.

Talsperre macht ebenfalls Sorge

Die Privatisierung der Quelle ist jedoch nicht die einzige Sorge, die die AG Rhumequelle in Zukunft beschäftigen könnte, wie der. Vorsitzende Hans-Georg Ehlert schildert: „Da ein Großteil des Wassers der Rhumequelle der Oder entspringt, ist dieser besonders wichtig für die Trinkwassererhaltung der Quelle.“ Jedoch würden die Harzer Talsperren mittlerweile über einen Ausbau nachdenken. „Und die Odertalsparre soll zu einer Trinkwassersperre werden“, so Ehlert weiter. Seine Sorge: „Durch die verringerte Menge Wasser, die zu unserer Quelle durchdringt, könnte es passieren, dass diese selbst zu wenig Wasser führen kann.“

Doch in beiden Fällen, so der Vorsitzende, könne derzeit wenig getan werden. „Das Verfahren um das Vorkaufsrecht läuft und die Entscheidung der Harzer Talsperre müssen wir abwarten.“ Doch bei aller Unruhe und Unsicherheit um gilt für Ehlert: „Einen Ausflug wert ist unsere Rhumequelle allemal.“ An Besucherinnen und Besucher appelliert er daher: „Damit uns die Quelle noch so lange wie möglich erhalten bleibt und sich Menschen und Tiere gleichermaßen an ihr erfreuen können, sollten die Quelle und die Umgebung mit Vorsicht und Respekt behandelt werden.“