„Ich spüre die Verantwortung: Wenn ich morgens aufstehe und sehe, die Futterhäuschen sind leer, eile ich noch im Schlafanzug nach draußen.“

In unserer Familie ist es in den letzten Jahren zu einem guten Brauch geworden, sich für die heimische Vogelwelt zu engagieren und die gefiederten Freunde im Garten das ganze Jahr über mit Körnern und Mehlwürmern zu versorgen. Von Naturschützern wird das befürwortet. Fast alle Verwandten haben jedenfalls vor dem Wohnzimmerfenster ein Futterhäuschen und freuen sich über die Besucher. Ich habe den liebevoll betriebenen Aufwand und die Auswüchse, die die Fürsorge für Meise, Sperling, Amsel und Co. annehmen kann, bislang immer wohlwollend schmunzelnd beobachtet. Wir hatten lange keinen Garten und auf dem Balkon wollte ich weder Haufen von leeren Schalen der Sonnenblumenkerne noch die unvermeidlichen Kotkleckse erdulden.

Doch inzwischen gibt es auch bei uns einen Garten und wir sind dem Trend gefolgt: Am Baum vor dem Fenster hängen Futterstationen. Mehrere! Mit unterschiedlichen Menü-Angeboten. Wenn, dann wollen wir es konsequent machen und auch allen Schnabel-Bedürfnissen gerecht werden. Doch ich spüre damit auch eine wachsende Last der Verantwortung auf meinen Schultern: Wenn ich morgens aufstehe und sehe, die Futterhäuschen sind leer, eile ich noch im Schlafanzug nach draußen. Und am späten Nachmittag sehe ich auch nochmal nach. Die Vögel fressen wie die Scheunendrescher! Die Meisen können recht wählerisch mit den Sonnenblumenkernen sein und Finken wollen am liebsten Hirsekörner. Die Ringeltauben sind zu korpulent für das Häuschen, die brauchen Streufutter am Boden. Der Specht besteht auf Knödeln mit Mehlwürmern, die er dann so dermaßen mit seinem Schnabel bearbeitet, dass die Hälfte runterfällt. Den Kopf schütteln muss ich über das Eichhörnchen, denn es kapiert nicht, das es den Deckel von seinem Futterkasten hochheben muss, um an die Nüsse zu kommen. Im Winter habe ich festgestellt, dass sich im Gartenhaus jemand an den Futtersäcken zu schaffen macht. Jetzt füttere ich also auch die Maus. Und ab und an kommen zwei Enten vorbei. Ich muss wohl einen Teich anlegen.