Nordhausen. Das Theater Nordhausen zeigt die Komödie „Schtonk“ um die gefälschten Hitler-Tagebücher zur richtigen Zeit.

Wenn die Schatten der dunkelsten Vergangenheit die Gegenwart einholen, dann ist das in aller Regel nicht witzig. Bei „Schtonk“ im Theater Nordhausen aber doch. Damit ist es das passende Stück zu den Verwerfungen der Thüringer und der bundesdeutschen Politik. Bei der Premiere am Freitag gab es reichlich Applaus.

Der Skandal um die angeblichen Hitler-Tagebücher erschütterte 1983 die alte Bundesrepublik. Gerade das linksliberale Magazin „stern“ hatte die Fälschungen aus dubiosen Quellen bezogen. Anstatt den Medien-Coup des Jahrzehnts zu landen, flog die Geschichte recht schnell auf. Zurück blieb ein Scherbenhaufen, unter dem der „stern“ fast erstickte.

Der eigentliche Skandal waren aber nicht die Fälschungen, sondern der Sumpf aus Alt- und Neonazis und Geschäftemachern, in den sich die stern-Redakteure und die Geschäftsleitung begaben, um die Auflage zu steigern. Das hat der Film „Schtonk“ von Helmut Dietl und Ulrich Limmer gezeigt. Reiner Heise hat die Komödie für das Theater Rudolstadt auf die Bühne gebracht. Die Premiere in Nordhausen zeigte, dass seine Inszenierung dem Film in nichts nachsteht. Es geht nicht um die akribische Nacherzählung der Ereignisse, sondern um die Typen, die solch einen Skandal erst möglich machen. Heise deckt sogar Seiten auf, die bisher verborgen blieben.

Zenit überschritten

Ein Garant für den Erfolg ist Markus Seidensticker in der Rolle des Hermann Willié. Dieser hat seinen Zenit als Journalist deutlich überschritten. Er vermischt auch schon mal Privates und Berufliches und sein Interesse an den Devotionalien des NS-Regimes hat den Liebhaber-Status erreicht. Seidensticker schafft es, Willié als kompletten Typen darzustellen, in seiner Schleimigkeit, in seiner Verzweiflung, in seinem Hochmut und in seinem Wahn, als der Schwindel auffliegt. Dabei arbeitet er vor allem mit der Stimme. Seidensticker setzt die feinen Nuancen, die das Auf und Ab deutlich machen. Dabei hält er aber die Grenzen ein. Sein Willié erzeugt kein Mitleid, er ist nie Opfer, sondern immer Täter.

Da hat Marcus Ostberg die leichtere Aufgabe. Sein Rolle ist die des Fälschers Fritz Knobel. Zwar macht auch der eine Berg- und Talfahrt durch. Beeindruckend sind die Szenen, als Knobel im Fälscherwahn fast droht, seine Persönlichkeit an den Führer zu verlieren. Aber Osterberg gewinnt dem Knobel sogar heitere Seite ab und damit macht er ihn zum sympathischen Gewinner. Sein Knobel beliefert einen Schwarzmarkt und er weiß die Graubereiche auszunutzen. Die Geheimnistuerei ist sein wichtigstes Werkzeug. Im Laufe der Vorstellung wird aus einem Getriebenen eine treibende Kraft. Diesen Wandel verdeutlicht Ostberg durch die passende Rhetorik und Körpersprache. Deshalb entwickelt das Publikum durchaus Sympathien für das Schlitzohr.

Rasant, bunt und frech. Die Vorlage ist eine der besten deutschen Komödien der Gegenwart. Die Inszenierung von Reiner Heise schafft es, deren hohes Tempo bei zu behalten und zu steigern. Die Aufführung ist zusammengesetzt aus Dutzenden von Szenen. Mal dauern sie wenige Sekunden, mal mehrere Minuten. Damit schafft Heise einen Rhythmus, der das Publikum mitnimmt, weil er filmische Mittel gekonnt auf der Bühne umsetzt. Dazu gehört auch die Musik.

Mal dröhnt sie blechern wie zur Wochenschau, mal kommt sie locker und leicht daher wie ein Schlager aus den 1930er Jahren. Die Musik bereitet nicht nur vor oder rundet ab. Sie wird vom Hilfsmittel zum eigenständigen Bestandteil der Inszenierung.

Dabei kann Heise auf ein akzentuiertes Licht und das großartige Bühnenbild von Manfred Gruber setzen. Vorne die blanke Spielfläche und hinten der schnittige Bug eines Schiffs, unter dessen Deck sich die Fälscherstube im Spitzweg-Modus befindet. Die hat sogar einen Holzofen, der raucht als die Geschäfte laufen. Nie ist beides gleichzeitig zu sehen, die Welt von Fälschern und Geschäftsführern bleibt getrennt durch einen Vorhang.

Hast nach der Sensation

Das Schiff läuft nach links aus in eine Hafenkante, an der nachts wohl die Damen aus dem horizontalen Gewerbe flanieren. Tatort ist Hamburg und da kommen sich Medien und Prostitution auch mal nahe. Das macht Johannes Arpe bei seinem Auftritt als Verlagsleiter Dr. Wieland deutlich. An dieser Person zeichnet Heise besonders eindrücklich nach, welche Eigendynamik die Hast nach der Sensation entwickelt. Da werden Widerstandskämpfer schon mal schnell zu Handlagern. Der Wichtigtuer wird geerdet.

Dazu passen auch die herrlich säuerlichen Mienen von Jochen Ganser und Benjamin Petschke in den Rollen der übergangenen Chefredakteure auf Williés Geburtstagsfeier. Wichtigtuer treffen hier auf Verblendete. Nur so kann der Schwindel funktionieren, das zeigt diese Aufführung und geht damit über den Film hinaus.

Aber bei aller Analyse ist „Schtonk“ doch immer noch eine Komödie. Hintersinn ersetzt hier Plattitüde. Es ist eine Medienkritik voller gelungener Szenen, die sich in einem straffen Tempo einen ganz eigenem Kosmos zeigen. Die Akteure geben sich selbst der Lächerlichkeit preis. Damit ist „Schtonk“ das richtige Stück zur passenden Zeit.

Die nächste Aufführung des Stücks findet am 28. Februar um 19.30 Uhr im Theater Nordhausen statt. Karten sind in der Tourist-Info Bad Sachsa, unter www.theater-nordhausen.de und unter Telefon 03631/983452 erhältlich.