Braunschweig. Regisseur Philipp Leinemann und Produzent Johannes Jancke sprechen über ihr rätselhaftes Weltraumprojekt. Was an Serien besonders ist.

Rätselhaft und voller überraschender Wendungen: Nach der Erfolgsserie „Dark“ hat der Streamingdienst Netflix mit dem Vierteiler „Das Signal“ erneut eine deutsche Science-Fiction-Mystery-Serie im Programm. Beteiligt an dem aufwendigen Projekt waren auch zwei gebürtige Braunschweiger: der Regisseur Philipp Leinemann (45) und der Produzent Johannes Jancke (34).

Die Miniserie handelt von der Weltraumforscherin Paula (Peri Baumeister), die auf der Internationalen Raumstation merkwürdige Signale empfängt, dies jedoch vor der Öffentlichkeit verheimlicht. Zurück auf der Erde warten Ehemann Sven (Florian David Fitz) und Tochter Charlie (Yuna Bennett) jedoch vergeblich auf sie: Das Flugzeug, das sie zu ihrer Familie bringen soll, ist abgestürzt. Plötzlich bekommen Sven und Charlie merkwürdige Botschaften zugespielt, und auch die Polizei interessiert sich für sie. Was nur hat Paula oben auf der ISS entdeckt?

Regisseur Leinemann („Das Ende der Wahrheit“) und Produzent Jancke (24 Wochen“) haben sich erst bei der Arbeit zu „Das Signal“ kennengelernt – auf der nachgebauten ISS in den Bavaria-Filmstudios, wo die Serie unter anderem entstand. Wir führten ein Video- Gespräch mit den beiden.

Johannes Jancke, 1990 geboren in Braunschweig, ist Produzent der deutschen Netflix-Serie „Das Signal“. 
Johannes Jancke, 1990 geboren in Braunschweig, ist Produzent der deutschen Netflix-Serie „Das Signal“.  © FMN | Filmverleih

Wie sind Sie zu diesem außergewöhnlichen Projekt gestoßen?

Jancke: Ich kannte Nadine Gottmann und Sebastian Hilger, die kreativen Köpfe der Serie, von der Filmhochschule Ludwigsburg. Wir hatten sehr intensiv an dem Kinofilm „Wir sind die Flut“ gearbeitet. Das war eine fantastische Zusammenarbeit, die uns sehr zusammengeschweißt hat. Als ich erfuhr, dass sie „Das Signal“ umsetzen wollten, wollte ich gerne wieder mit ihnen arbeiten. Ursprünglich war die Serie als Kinofilm geplant. Mit Beginn der Corona-Pandemie zeichnete sich jedoch ab, dass ein großer Kinofilm in diesem Genre nicht finanzierbar sein würde. Dann kam die Idee auf, die Story zu einer Serie umzuarbeiten. So sind wir schließlich zu Netflix gekommen. Durch die enge Bindung an die beiden Kernkreativen war meine Aufgabe erst die inhaltliche Entwicklung, dann die Strukturierung und Finanzierung in Abstimmung mit Netflix. Philipp stieß erst sechs Wochen vor Beginn der Dreharbeiten dazu. Als das Projekt immer größer und komplexer wurde und wir bis kurz vor Drehbeginn noch Arbeiten am Drehbuch vornehmen mussten, merkten wir, dass die Sache für einen Regisseur allein schwer zu bewältigen sein würde.

Philipp Leinemann, 1979 geboren in Braunschweig, ist neben Sebastian Hilger zweiter Regisseur der Netflix-Serie „Das Signal“. 
Philipp Leinemann, 1979 geboren in Braunschweig, ist neben Sebastian Hilger zweiter Regisseur der Netflix-Serie „Das Signal“.  © FMN | Filmverleih

Sebastian Hilger stand als erster Regisseur fest. Wie arbeitet es sich denn zu zweit auf dem Regiestuhl, Herr Leinemann?

Leinemann: Ich hatte das noch nie gemacht. Aber ich habe natürlich anerkannt, dass es Sebastians Baby ist, da er an dem Projekt schon seit 2017 arbeitete. Ich gab ihm gleich zu verstehen, dass er natürlich das letzte Wort haben und ich mich nach ihm richten würde. Damit die Serie mit ihren vier Teilen und den zwei Regisseuren wie aus einem Guss wirkt, war aber auch die Arbeit unseres Kameramanns Jan Prahl sehr wichtig. Dieses Projekt war extrem herausfordernd. Wir haben ja die ISS nachgebaut und mussten Schwerelosigkeit vortäuschen. Die Schauspieler wurden dafür an Seilen durch Schleusen gezogen. Dafür mussten wir teilweise die Kulissen entsprechend herauslösen und sie später digital wieder einfügen. Das Set war so groß, dass ich mich darin ein ums andere Mal verlaufen habe. Das waren die verrücktesten Drehs. Sebastian und ich haben uns an den Drehtagen quasi den Stab übergeben. Das funktionierte gut, weil wir uns sehr respektieren und mögen.

Was ist an dieser Geschichte so spannend, dass sie in die Welt musste?

Jancke: Ich mag an den Arbeiten von Nadine und Sebastian, dass sie auf ganz nahbare und echte Weise menschliche Geschichten erzählen können, in die ich mich sofort hineinversetzen kann. Diese hier hat dann auch noch einen übernatürlichen Aspekt. Das kommt der Magie des Filmemachens sehr nahe, die für mich Auslöser war, Filme machen zu wollen. Aus dieser kleinen, ganz persönlichen Geschichte wird am Ende etwas Größeres, etwas Generelles. Durch das Übernatürliche im Normalen schaut man dann ganz anders auf die Geschichte. Das ist das Besondere. Wir waren froh, dass sich Netflix für das Projekt interessierte. Netflix stellt aber auch hohe Anforderungen: Sie wollen hohes Tempo, hohe Erzähldichte, sehr viele Wendungen. Weil sie natürlich in Konkurrenz stehen zu einem riesigen Portfolio an Produkten. Als klar war, dass wir mit Netflix zusammenkommen, haben wir sofort mehr Tempo, mehr Spannung, mehr Wendungen und Thrill in die Story gebracht.

Leinemann: Diese Ansprüche haben inzwischen einen erheblichen Einfluss auf unsere Arbeit. Wir müssen dem Zuschauer das Konzept der Serie sehr schnell schmackhaft machen, damit er nicht abwandert und sich etwas anderes aus dem breiten Angebot sucht. Bei einem Kinofilm hat man mehr Zeit, die Story zu entwickeln. Da ist der Zuschauer geduldiger. Wenn beim Streaming die ersten zehn Minuten nicht packen und überzeugen, kannst du später die tollste Geschichte erzählen – es wird sie nur niemand mehr sehen. Das ist eine völlig neue Art des Storytellings. Früher, als die Angebote noch nicht so vielfältig und auf verschiedenen Kanälen abrufbar waren, hatten wir als Zuschauer wohl mehr Geduld, wie sich eine Story entwickelt. Heute wird das Sehverhalten genau analysiert – und die Story darauf angepasst. Ich habe festgestellt, dass viele junge Leute sich nicht mehr auf lange Filme einlassen mögen. Sie schauen lieber kurze Videos auf Youtube. Selbst ein 60-Minüter ist manchem schon zu lang. Drei-Stunden-Filme von Stanley Kubrick wären deren Sache nicht. Aber es gibt auch schon wieder Gegenbewegungen. Und war es nicht schon immer so, dass sich der Film ständig verändert hat?

„Das Signal“ läuft seit dem 7. März. Wie viele Zuschauer haben die Serie bislang gesehen?

Jancke: Netflix veröffentlicht nur die Anzahl an „Views“: eine Rechnungsgröße, die sich auf geschaute Stunden durch Länge des Formats bezieht. 20 Millionen geschaute Stunden bei vier Stunden Formatlänge machen demnach fünf Millionen Views. Ob Zuschauer die komplette Serie oder nur den Anfang geguckt haben, wird nicht ausgewiesen. „Das Signal“ hatte weltweit in den ersten zehn Tagen etwa zwölf Millionen Views. Die Serie wird in 190 Ländern ausgestrahlt. Für mich ist diese Reichweite eine ganz neue Erfahrung. Ich habe bislang hauptsächlich Kinofilme gemacht; nun diese große Verbreitung zu spüren, ist schon toll. Die Menschen können unsere Serie überall und allzeit gucken. Das ist eine Wucht, die man spürt.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Youtube, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Die Kritiken zu „Das Signal“ fallen sehr unterschiedlich aus. Die einen schwärmen von „der mutigsten Serie“, die gerade aus deutschen Landen angeboten werde. Andere fragen, was uns die Serie eigentlich sagen will . . .

Leinemann: Es ist Teil meines Jobs, Kritiken hinzunehmen. Selbst für die größten filmischen Meisterwerke gab es Verrisse. Dabei finde ich schlechte Kritiken fast interessanter als Lobhudeleien, weil ich daraus unter Umständen noch etwas lerne. Manchmal hat die Kritik auch einfach recht.

Jancke: Um was es in „Das Signal“ geht? Im Kern um den Zusammenhalt der Familie. Am Ende bietet die Serie eine übergeordnete Message an uns alle, ähnlich wie bei „Arrival“. Wir sollen uns erinnern, was uns eigentlich zu Menschen macht. Das Ganze verpackt in eine Abenteuergeschichte, in der es gilt, ein großes Rätsel zu lösen. Der Mensch sucht in dieser komplexen, chaotischen Welt nach Wahrheiten.

Gruppenfoto auf dem Filmset von „Das Signal“: (von links) Kameramann Jan Prahl, Regisseur Sebastian Hilger, die Schauspielerinnen Peri Baumeister und Yuna Bennett, Regisseur Philipp Leinemann und Hauptdarsteller Florian David Fitz. 
Gruppenfoto auf dem Filmset von „Das Signal“: (von links) Kameramann Jan Prahl, Regisseur Sebastian Hilger, die Schauspielerinnen Peri Baumeister und Yuna Bennett, Regisseur Philipp Leinemann und Hauptdarsteller Florian David Fitz.  © Netflix | Anika Molnar