Wolfenbüttel. Im 19. Jahrhundert lag arsenhaltiges Grün im Trend, auch an Büchern. Wie gehen die HAB Wolfenbüttel und die TU Braunschweig damit um?

Nicht nur Künstler wie Monet und van Gogh setzten auf die Leuchtkraft dieses Farbtons, auch in der Buchherstellung des 19. Jahrhunderts war das „Schweinfurter Grün“ populär. Doch es enthält gesundheitsschädliches Arsen. Nun setzt die Trendfarbe von früher Bibliotheken unter Handlungsdruck. Getrieben von den Erfordernissen des modernen Arbeitsschutzes suchen Archive mit historischen Buchbeständen nach dem richtigen Umgang mit möglicherweise belasteten Büchern. Experten raten zur richtigen Balance zwischen Risikominimierung und Gelassenheit.

„Seit Jahrhunderten wurden bei der Buchherstellung Farben verwendet, die gesundheitsschädliche Substanzen enthalten – darunter Arsen. In Altbestandsbibliotheken ist das keine Neuigkeit“, erklärt Almuth Corbach, Leiterin der Stabsstelle Erhaltung und Restaurierung der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die HAB habe einige „verdächtige“ Objekte mittels Röntgenfluoreszenz (RFA) analysieren lassen. „Wie erwartet wurden hohe Arsensignale und andere potentiell toxische Substanzen nachgewiesen.“ Das sei im Altbestand aber auch nicht verwunderlich, die Untersuchung einzelner Bücher daher nicht sinnvoll. Anders die der Raumluft. Aber: „Bereits vor einigen Jahren wurden auch Luft und Staub in Magazinen der HAB untersucht, aber keine hohen Belastungen detektiert“, so Corbach.

Eine Mitarbeiterin der Universitätsbibliothek Düsseldorf nimmt an einem historischen Buch eine Probe.
Eine Mitarbeiterin der Universitätsbibliothek Düsseldorf nimmt an einem historischen Buch eine Probe. © dpa | Federico Gambarini

Arsen - in höheren Dosen krebserregend

Dennoch habe man das Problem nicht auf die leichte Schulter genommen, Arbeitsmedizin und Arbeitssicherheit einbezogen und das Landesgesundheitsamt Hannover beteiligt – „nicht zuletzt, weil die Fragen über unser Haus hinausweisen“. Eine repräsentative Gruppe von Beschäftigten sei untersucht worden, auf freiwilliger Basis. Verglichen mit der Hintergrundbelastung der Allgemeinbevölkerung (etwa durch Nahrungsmittel) seien die Werte nicht auffällig. Die HAB sehe aktuell keinen Anlass, Bestände zu sperren. „Unsere Mitarbeiter*innen sind entsprechend sensibilisiert und angehalten, auf sachgerechte Hygiene zu achten. Auf Wunsch stehen geeignete Handschuhe für sie und auch für Nutzer*innen im Lesesaal zur Verfügung“, erklärt Corbach per Mail.

Das in höheren Dosen krebserregende Arsen beschäftigt derzeit viele Archive mit Altbeständen, vor allem Uni-Bibliotheken, darunter Bielefeld, Duisburg-Essen, Kiel und Saarbrücken, die ihre historischen Bestände einer Prüfung unterziehen wollen. Der Deutsche Bibliotheksverband (dbv) rät in einer Stellungnahme allerdings ebenfalls, mit Augenmaß vorzugehen: „Ein Buch abzulecken, ist sicherlich keine gute Idee, aber das tut ja auch niemand“, meint Vize-Vorsitzender Reinhard Altenhöner trocken.

Woher das „Schweinfurter Grün“ seinen Namen hat

„Man muss mögliche belastete Bücher separieren und kennzeichnen. Damit beginnen nun viele Bibliotheken“, sagte Andrea Renate Pataki-Hundt, Professorin für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaften in Köln, der Deutschen Presse-Agentur. Neu sei das Problem in der Fachwelt nicht.

Das synthetisch hergestellte „Schweinfurter Grün“ wurde im 19. Jahrhundert in Tapeten, Ballkleidern, der Malerei - und eben bei der Herstellung von Büchern verwandt. Das Pigment und seine Abwandlungen wurden unter vielen Bezeichnungen vertrieben. Weil der Farbenhersteller Wilhelm Sattler den Farbstoff zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der nordbayerischen Stadt industriell herstellen ließ, war das „Schweinfurter Grün“ besonders gefragt. In der eher grauen Welt von damals sei das der breiten Masse verfügbare Kupferarsenitacetat eine „aufregende neue Farbe mit wahnsinniger Faszination“ gewesen, erklärt Pataki-Hundt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Farbstoff verboten. „Die Kulturgüter von damals bleiben - damit müssen wir jetzt umgehen.“

Blick auf die TU-Biblothek.
Blick auf die TU-Biblothek. © Sierigk, Peter Sierigk, Peter | Peter Sierigk

Das sagt die TU Bibliothek Braunschweig zu dem Problem

Die Universitätsbibliothek Braunschweig schätzt die Situation allerdings als vergleichsweise unproblematisch ein. „Die Nutzung dieser Bücher wird bei Einhaltung der Hygieneregeln nicht als ein relevantes Risiko betrachtet, da der giftige Farbstoff gebunden ist und sich nur in Verbindung mit Wasser löst“, erklärt die TU-Bibliothek in einer Stellungnahme. Im Freihandbereich gebe es ohnehin keine potenziell belasteten Bücher. Sie könnten auch nicht entliehen, sondern nur vor Ort genutzt werden, im Beisein einer geschulten Lesesaalaufsicht.

Almuth Corbach, Leiterin der Stabsstelle Erhaltung und Restaurierung der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel sowie Landesfachberaterin für Bestandserhaltung.
Almuth Corbach, Leiterin der Stabsstelle Erhaltung und Restaurierung der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel sowie Landesfachberaterin für Bestandserhaltung. © HAB | hab

Am 18. April: Werkstattgespräch „Poisonous Books?“ an der HAB Wolfenbüttel

Im Werkstattgespräch „Poisonous Books?“ referieren Almuth Corbach und Leonie Müller am Donnerstag, 18. April, um 14.15
Uhr im Seminarraum des Zeughauses Wolfenbüttel über Gefahrstoffe in alten Büchern. Corbach ist seit 1988 Papierrestauratorin an der HAB. Seit 2006 leitet sie die Stabsstelle Erhaltung und Restaurierung. Sie koordiniert alle Maßnahmen zur Erhaltung der Bestände sowie deren kunst- und materialtechnologische Untersuchungen. Dies umfasst auch Möbel, kulturhistorische Objekte und Gemälde.

Leonie Müller hat Konservierung und Restaurierung von Kunstwerken an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart studiert und war anschließend in Cambridge am Straus Center for Conservation and Technical Studies angestellt. Seit 2022 arbeitet sie an der HAB.