Braunschweig. Die Schauspielerin ist in dem Zwei-Personenstück „Vier linke Hände“ zu sehen. Warum Theaterspielen für sie auch Therapie ist.

Sie liebt Leidenschaft. Bei anderen und sich selbst. Eva Habermann mag es, sich hineinzuknien in Themen und Rollen, den Dingen auf den Grund zu gehen, die Fragen des Lebens auszuloten. Wir kennen sie als Kino-, Fernseh- und Theaterschauspielerin, doch die 48-Jährige ist auch Moderatorin, Synchronsprecherin und Produzentin. Sie spielte im „Traumschiff“ und in Rosamunde-Pilcher-Filmen, gab bei den Karl-May-Spielen in Bad Segeberg die temperamentvolle Saloonlady Kitty LaBelle und war die Buhlschaft bei den Jedermann-Festspielen im Berliner Dom. Ab 11. April ist Eva Habermann in der Komödie am Altstadtmarkt in Braunschweig in dem französischen Zwei-Personen-Stück „Vier linke Hände“ von Pierre Chesnot zu sehen. Darin liefert sie sich mit Theaterchef Florian Battermann höchst amüsante verbalen Schlachten. Wir trafen die Vielseitige zum Gespräch im Foyer des Theaters.

Was schätzen Sie am Boulevardtheater?

Ich mag es sehr, mit dem Publikum so direkt in Kontakt zu treten, mag es, wenn ich die Reaktion der Menschen spüre, ein unmittelbares Feedback bekomme, wenn ich sie lachen höre und spüre, dass sie Spaß haben. Das ist sehr beglückend und eine andere Befriedigung als beim Film. Ich habe recht spät mit dem Theaterspielen begonnen, doch ich mag es nicht mehr missen. Welch schöner Moment, als ich nach einer Vorstellung in Düsseldorf im Restaurant auf eine Familie traf, die mir sagte: Sie haben uns den schönsten Abend seit langem beschert. Ich bin sehr dankbar, diesen Beruf ausüben zu dürfen, und es ist mir eine Ehre, auf der Bühne stehen zu dürfen. Wenn nach einer Aufführung in Bad Segeberg etliche Fans meine Kitty LaBelle hochleben lassen und um Autogramme bitten, dann fühlt man sich wie ein Rockstar. Das ist schon schön.

In Braunschweig spielen Sie Sophie Delassère, eine Frau, die ihrem tristen Dasein mit einer Überdosis Schlaftabletten und einer gefüllten Badewanne ein Ende setzen will. Das klingt nicht gerade nach einem fröhlichen Theaterabend . . .

Der Start ins Stück scheint tatsächlich recht bedrückend. Aber keine Angst, das Stück ist toll und extrem witzig. Sophie ist eine rechte Drama-Queen. Sie hat eine stark ausgeprägte narzisstische Ader und denkt, dass sich die ganze Welt nur um sie dreht. Mit ihrem Nachbarn, den das übergelaufene Badewasser auf den Plan gerufen hat und der so ganz anders ist als sie, liefert sie sich einen extrem witzigen Schlagabtausch. Sie zieht alle Register, gibt sich mal sexy, mal hilflos, mal wütend. Er, ein uncharmanter Forscher und eingefleischter Junggeselle, macht sie rasend. Die beiden teilen ordentlich aus.

TV-Schauspielerin Eva Habermann tritt zum ersten Mal in der Komödie am Altstadtmarkt in Braunschweig auf. 
Foyer Komödie
TV-Schauspielerin Eva Habermann tritt zum ersten Mal in der Komödie am Altstadtmarkt in Braunschweig auf. Foyer Komödie © FMN | Bernward Comes

Es heißt, Sie litten selbst an Depressionen . . .

Stimmt. Ich weiß also, wovon die Rede ist. Grundsätzlich bin ich ein Gute-Laune- und Sonnenschein-Typ. Aber ab und zu sucht mich die Depression heim. Vor allem in den Wintermonaten und wenn ich nach Anstrengungen zur Ruhe komme. Das habe ich von meiner Mutter geerbt. Ich neige zu Perfektion und verausgabe mich entsprechend. Als Schauspielerin muss ich aber natürlich auch 100-prozentig präsent sein. Das fordert sehr. Vom Tod meiner Mutter erfuhr ich eine Stunde vor einem Theaterauftritt. Ich spielte trotzdem. Wie im Tunnel. Erst danach bin ich in ein tiefes Loch gefallen. Depressionen sind meist ein Hilfeschrei des Körpers, und bei mir kommen sie in Ruhephasen hervor. Ich nutze meine Bekanntheit, um Menschen mit Depressionen zu ermutigen. Ich möchte ihnen zurufen: Ihr kriegt das hin; Ihr kommt da raus! Auch wenn Ihr es jetzt noch nicht glauben wollt.

Mit Ihrer Firma „Fantomfilm“ haben Sie 2022 „Die wahre Schönheit“ produziert. Sie spielen eine Frau mit Depressionen, die dem Alkohol und Tabletten verfällt. Das Thema ist Ihnen sehr wichtig, nicht wahr?

Ja. Es ist eine Rolle, die man von mir nicht erwartet, mit der ich aber die Botschaft vermitteln wollte: Stigmatisiert Menschen mit Depressionen nicht! Ermutigt sie vielmehr, sich helfen zu lassen! Vermittelt Ihnen, dass sie nicht allein sind und dass sie aus dem tiefen Loch wieder herauskommen werden! „Die wahre Schönheit“ ist ein Film, der nachdenklich macht. Ich habe für die Rolle 15 Kilogramm zugenommen, um zu zeigen, wie sehr sich diese Frau hat gehen lassen. Der Film hat international etliche Preise abgeräumt. Wohl nicht zuletzt, weil er überall in der Welt verstanden wird. Jeder Zehnte bekommt mindestens einmal im Leben eine Depression, und ich habe viele Menschen erlebt, die sich als Betroffene zu erkennen geben, wenn man offen über das Thema spricht. Für mich war das Theater stets eine Therapie.

Theater als Therapie?

Als Schauspielerin bin gezwungen, mich immer wieder mit den Untiefen des Menschen zu beschäftigen. Täte ich das nicht, wäre ich wie ein ungestimmtes Instrument.

Sie spielen zum ersten Mal in Braunschweig. Mögen Sie die Stadt?

Ich habe hier sogar schon mal einen Film gedreht: „Sky Sharks“. Das ist ein ziemlich abgedrehter Zombie-Film der Braunschweiger Brüder Marc und Carsten Fehse. Die hatten Kontakt zu mir aufgenommen, weil sie Fans der Serie „Lexx – The Dark Zone“ sind, in der ich mitgespielt habe. „Sky Sharks“ handelt von geheimen Kriegswaffen der Nazis und Hai-Armeen, die in europäische Großstädte einfallen. Marc Fehse ist ein großes Kind mit großer Leidenschaft. Ich liebe das! Und für mich war es die Möglichkeit, mal etwas völlig anderes zu machen.

„Vier linke Hände“ hat am 11. April Premiere. Gespielt wird in der Komödie am Altstadtmarkt bis zum 2. Juni. Weitere Infos und Tickets: www.komoedie-bs.de