Braunschweig. Die 16. Ausgabe von „Pop meets Classic“ in der VW-Halle brachte gefühlvolle Songs, rasante Orchesterstücke und Impros für Sax und Tuba.

Hej, war wieder eine schöne Show. Allein die Lichteffekte in der mit 5000 Zuschauenden dicht gefüllten Braunschweiger VW-Halle verleihen„Pop meets Classic“, dem Gipfeltreffen regionaler Musik vom Staatsorchester bis zum Singersongwriter, Glamour und Festlichkeit.

Das Licht tunkt Bühne oder Publikumsoval tiefrot oder orange in Emotionen, kann blitzlichthaft funkeln, feuerwerksartige Kometen zünden und wie Leuchtfeuer auflodern. Noch ein paar Flitter oder Papierschlangen aus der Kanone, und schon schlägt die Stimmung um von düster-monumental zu fröhlich-vergnügt.

„Pop meets Classic“ in Braunschweig: Regionale Variante von „Musik ist Trumpf“

Musikalisch folgt das Ganze dem guten alten Fernsehshow-Prinzip von „Musik ist Trumpf“, nur eben mit regionalen Größen und zeitgemäß breiter gefächert in den Genres. Und natürlich mit einem lässig charmanten statt bieder-verspannten Moderator, der auch noch selber singen kann: Markus Schultze. Ist schon klasse, wie Jazzkantinenchef Christian Eitner das immer wieder zusammenführt und damit zu einer braunschweigischen Institution gemacht hat, getragen inzwischen sponsorenlos von der Veranstaltungsagentur Undercover. Ob viele Städte so etwas haben?

Henning Wehland singt mit Shereen Adam statt Sarah Connor seinen Hit „Bonnie und Clyde“. Rechts Dirigent Mino Marani.
Henning Wehland singt mit Shereen Adam statt Sarah Connor seinen Hit „Bonnie und Clyde“. Rechts Dirigent Mino Marani. © Rüdiger Knuth | Rüdiger Knuth

Das Publikum geht jedenfalls begeistert mit, egal ob Malik Harris seinen alten Grand-Prix-Titel „Rockstars“ singt, äh Eurovision Song Contest Hit, oder Star-Geiger Josef Ziga mit dem Staatsorchester unter Mino Marani Pablo de Sarasates Carmen-Fantasie mit allen wichtigen Motiven der Oper mit rasantem Strich performt, dass die Funken stieben: Wir hören mitreißende Musik, von Könnern interpretiert – und von versierten Arrangeuren auf klassisches Orchester und Eitners Pop-meets-Classic-Band umgelegt.

Bei „Pop meets Classic“ in Braunschweig: Staatsorchester im Krieg der Sterne

Klar, wer den warmen seidigen Klang klassischer Streicher liebt, wird beim in der VW-Halle unabdingbar verstärkten Sound Abstriche machen müssen, auch die anderen Instrumente sind oft etwas grell abgemischt. Vielleicht setzt das Staatsorchester deshalb bei seinen eigenen Stücken doch sehr auf Piecen mit Tusch- und Marscheffekten wie Schostakowitschs etwas fragwürdige Festliche Ouvertüre auf die Oktoberrevolution, die die Trompeten schmettern lässt und nach kribbeligem Zwischenteil in helle Streicherhymnen mündet. Aus Gustav Holsts etwas oberflächlicher Planeten-Suite erklingt ausgerechnet der Kriegsbringer Mars mit seinen dunkel heranwälzenden Klangmassen und Paukenwirbeln.

ESC-Star Malik Harris im Duett mit Gitarrist Tom Benecke von der Pop-meets-Classic-Band bei der 16. Showausgabe in der Volkswagen-Halle in Braunschweig.
ESC-Star Malik Harris im Duett mit Gitarrist Tom Benecke von der Pop-meets-Classic-Band bei der 16. Showausgabe in der Volkswagen-Halle in Braunschweig. © Rüdiger Knuth | Rüdiger Knuth

Sagen wir mal, die fröhlichen und zärtlichen Farben der Klassik sind in dieser Showausgabe leider unterrepräsentiert. Wie wär’s nächstes Mal mit ein bisschen Griegs Morgenstimmung und Mendelssohns Sommernachtstraum?

Dafür übernehmen die Kinder der Domsingschulkurrenden den Part der Friedensengel und singen Udo Lindenbergs „Wozu sind Kriege da“. Teils mit Markus Schultze, dessen Anmoderation zum Thema nicht glücklich ist. Bei aller Friedensliebe, man muss auch den Aggressor klar benennen. Und kann dessen Führung dann wieder von der Bevölkerung trennen. Zuletzt haben wir Lindenbergs Lied am Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine aus dem Mund ukrainischer Schülerinnen und Schüler in Braunschweig gehört.

Mit Till Seifert bei „Pop meets Classic“ in Braunschweig der Sonne entgegen

Es ist Zeit, dass der Braunschweiger Singersongwriter Till Seifert mit „Der Sonne entgegen“ wieder optimistischere Stimmung verbreitet. Steht er für männliche Sensibilität, tritt Ona, die aus einer kosovarischen Flüchtlingsfamilie stammt und in Braunschweig zum Singersongwriting fand, im rosa Minirock mit ziemlich aggressivem Vokabular für weibliches Empowerment ein. Ihre wohlgegründete, aber nach oben nasal verfärbte Stimme macht leider viele Worte unverständlich.

Moderator Markus Schultze bei seinem Auftrittslied von Queen bei „Pop meets Classic“ in der Volkswagen-Halle in Braunschweig.
Moderator Markus Schultze bei seinem Auftrittslied von Queen bei „Pop meets Classic“ in der Volkswagen-Halle in Braunschweig. © Rüdiger Knuth | Rüdiger Knuth

Wieder Zeit für Show: Da trommeln die Herren von der Schlagzeugmafia choreographisch ausgefeilt im Takt auf ihre Instrumente oder mit den Schlägeln aneinander. The Funky Monkeys sorgen an einer Vertikalstange für Furore, die sie mit Händen und Füßen erklimmen. Nur mit den Schenkeln festgeklemmt, stapeln sie sich übereinander oder rutschen bis kurz vor Boden kopflings abwärts. Kopfstand auf der Spitze als Krönung.

„Pop meets Classic“: ESC-Star Malik Harris mit Kulturschock in Braunschweig

Die Jungs sind auch Teil von Eitners „Stadt in der Manege“ sommers im Lehndorfer Zirkuszelt. Entsprechende Werbehinweise auch bei anderen mit Undercover gastierenden Künstlern haben ihren festen Platz in der Show. Das Staatsorchester, vielfach bedankt, bleibt wortlos. Wie wär’s mal mit echter Oper sommers auf dem Braunschweiger Burgplatz mit Verdis „Troubadour“? Oder den auch noch mitreißend vertanzten „Carmina Burana“ von Carl Orff nächste Saison wieder im Großen Haus?

Ona bei ihrem Auftritt bei „Pop meets Classic“ in der Volkswagen-Halle in Braunschweig.
Ona bei ihrem Auftritt bei „Pop meets Classic“ in der Volkswagen-Halle in Braunschweig. © Rüdiger Knuth | Rüdiger Knuth

Malik Harris genießt jedenfalls den mit eigenen Worten „Kulturschock“, hier mit vollem Staatsorchester zu performen, sichtlich. Henning Wehland von H-Blockx bringt rockigere Farben mit. Und singt mit Shereen Adam statt Sarah Connor das etwas gewollt gefühlige „Bonnie und Clyde“.

Höhepunkt bei Braunschweigs „Pop meets Classic“: Säbeltanz mit Improvisationen

Höhepunkte der Show sind zwei Experimente: Die Dance Anthems mit DJ Richy Vienna alias Jens Richwien, die House- und Technotitel u.a. von Daft Punk atmosphärisch mit dem Staatsorchestersound verbinden bis hin zu Beethovens 5. im Rondo-Veneziano-Stil. Und der vom Staatsorchester feurig entfachte Säbeltanz aus dem Ballett „Gajaneh“ von Aram Chatschaturjan, den Eitner zu einer Session für Soloimprovisationen von Flöte bis Saxophon, Trompete und Tuba öffnet. Musiker, die durch ihre Versiertheit beeindrucken, ohne dass man noch nach Orchester oder Band unterschiede.

Und das ist das Schöne an dem Projekt, das nun zum 16. Mal stattfand, dass die Zuschauenden Respekt für die ganze Bandbreite der Musik entwickeln und am Spaß der Musizierenden an der Grenzüberschreitung teilhaben. Wieder ganz großer Applaus, zuletzt im Stehen.

Die Schlagzeugmafia bei „Pop meets Classic“ in der Volkswagen-Halle in Braunschweig.
Die Schlagzeugmafia bei „Pop meets Classic“ in der Volkswagen-Halle in Braunschweig. © Rüdiger Knuth | Rüdiger Knuth
Die Kinder der Kurrenden der Domsingschule sangen bei „Pop meets Classic“ ein Lied mit Singersongwriter Till Seifert, der auch einst Domsingschüler war.
Die Kinder der Kurrenden der Domsingschule sangen bei „Pop meets Classic“ ein Lied mit Singersongwriter Till Seifert, der auch einst Domsingschüler war. © Rüdiger Knuth | Rüdiger Knuth