Braunschweig. Nach Kriegsbeginn fand das Prime Orchestra aus Charkiw in Wolfenbüttel eine neue Heimat. Nun haben sich 17 Musiker abgespalten. Das steckt dahinter.

Voll wird es am Donnerstag, 28. Dezember, auf der Bühne des Braunschweiger Westand. Ab 20 Uhr präsentieren dort 20 Musiker aus der Ukraine Hits von den 70er Jahren bis in die Gegenwart in modernen Arrangements. TheOwnWay mischen Rock, Pop, Orchester-Sounds und Bigband-Klänge.

Gegründet wurde die Gruppe in diesem Sommer von Musikerinnen und Musikern, die sich von der ukrainischen Sympho-Rock-Combo Prime Orchestra abgespalten haben. Es war eine Trennung im Streit, betont der Wolfenbütteler Andre Volke, der TheOwnWay managt. Die Musiker seien nach einer langen Tournee unzufrieden mit ihren Arbeitsbedingungen und ihrer Bezahlung gewesen. Als sie ihre Kritik formulierten, habe das Prime-Orchestra-Management die Kritiker kurzerhand gefeuert.

Manager Andre Volke: Umgang mit Musikern nicht akzeptabel

Mehrere Musiker berichten von einer strapaziösen Busfahrt über 2500 Kilometer bis in die Türkei. Dort habe das Orchester fast jeden Abend ein Konzert gespielt. Anschließend seien sie im Bus die ganze Strecke wieder zurück nach Wolfenbüttel gefahren. Dort hat das Prime Orchestra aus Charkiw nach Kriegsbeginn 2022 ein neues Zuhause auf Zeit gefunden.

17 Musiker verließen nach der Tournee im Mai die ukrainische Formation, erzählt

Volke

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    . „Die Art und Weise, wie das Management mit den Musikern umgegangen ist, ist vielleicht für die Ukraine normal. Aber nach unseren Vorstellungen ist das nicht einmal ansatzweise akzeptabel gewesen“, meint der Wolfenbütteler. „Die Musiker haben verstanden, dass sie vieles, das sie sich in der Ukraine gefallen lassen müssen, hier nicht mehr akzeptieren müssen.“

    Das Prime Orchestra aus Charkiw bei einem seiner ersten Konzerte in der Region im Juni 2022 in der Landesmusikakademie Wolfenbüttel.
    Das Prime Orchestra aus Charkiw bei einem seiner ersten Konzerte in der Region im Juni 2022 in der Landesmusikakademie Wolfenbüttel. © Andreas Greiner-Napp | Andreas Greiner-Napp

    Prime Orchestra spricht von „normalem Arbeitsprozess“

    Das Management des Prime Orchestra sieht den Vorgang anders. Das Prime Orchestra sei ein Session-Orchester. Für solche Orchester sei es weltweit Praxis, freiberufliche Musiker und Sänger für einen bestimmten Zeitraum einzuladen. „Nach Ablauf dieser Zeit können sie ein Angebot zur Verlängerung der Zusammenarbeit erhalten oder sie beenden. Alles geschieht auf freiwilliger Basis. Die Besetzung wechselt regelmäßig, abhängig von der Programmgestaltung und der erforderlichen Besetzung für die Umsetzung der geplanten Programme. Das ist ein normaler Arbeitsprozess für Session-Orchester“, heißt es als Antwort auf unsere Fragen.

    Nach der Trennung beschlossen die 17 Musiker, unterstützt von Volke ein eigenes Musik-Projekt auf die Beine zu stellen. Das Repertoire soll aus Rock und Pop-Titeln, Oldies und Filmmusik-Stücken bestehen. „Musik, die Herz und Seele gleichermaßen packt“, sagt Sänger Maksym Perekhozhuk. Anders als in der Vorgänger-Formation sollten diesmal alle Musiker ihre Vorstellungen einbringen können. „Wir wollten nicht einfach das Prime Orchestra kopieren, und wir wollten mehr Demokratie“, erklärt Volke, der auch als City-Manager für die Initiative Wirtschaft Wolfenbüttel tätig ist. Die Musiker sollen sich mehr entfalten können, alle sollen während der Auftritte Gelegenheit bekommen, als Solisten zu glänzen. Das musikalische Repertoire sei weiter gefächert. „Wir wollen ein Publikum von 16 bis 60 Jahre ansprechen“, sagt der Manager.

    TheOwnWay Orchestra bei einer Show in Cuxhaven.
    TheOwnWay Orchestra bei einer Show in Cuxhaven. © The Own Way Orchestra | The Own Way Orchestra

    Wie TheOwnWay Orchestra neue Musiker aus der Ukraine fand

    Wie das Prime Orchestra will auch TheOwnWay auf den Krieg in der Ukraine aufmerksam machen. Während der Konzerte sollen Spenden gesammelt werden, um den Menschen zu helfen, die unter dem Krieg leiden. Volke entwickelt aber auch eine wirtschaftliche Perspektive für seine Musiker in Deutschland: „Alle sind hier als freischaffende Künstler angemeldet“, sagt er. „Das Ziel ist, angemessene Gagen zu erwirtschaften, damit sie vom Jobcenter unabhängig sind.“ Bis Ende 2024 soll das dauerhaft geschafft sein.

    Um als komplettes Rock- und Pop-Orchester starten zu können, musste die Gruppe zuerst auf einigen Positionen ergänzt werden. Nach der Trennung fehlten ein Schlagzeuger, ein Gitarrist und ein Bassist. Und einen neuen Tontechniker musste das Orchester ebenfalls engagieren. Über Netzwerke habe man ukrainische Profi-Musiker gefunden, deren Verträge in Hotels und auf Kreuzfahrtschiffen ausgelaufen seien, berichtet Volke.

    Auch ein Großteil der technischen Ausstattung fehlte. Mischpult, Kabel, Kopfhörer, Verstärker mussten neu beschafft werden. „Wir haben mehrere 10.000 Euro in die Technik investiert, um überhaupt spielfähig zu werden“, berichtet Volke. Ohne einen privaten Sponsor wäre der Neustart gar nicht möglich gewesen.

    Wolfenbütteler Unternehmen Pan Acoustics stellte Proberaum

    Unterstützung bekam das Pop-Orchester auch bei der Suche nach einem Proberaum, der ausreichend Platz für 20 Musiker bietet. Das Wolfenbütteler Unternehmen Pan Acoustics stellte seine moderne Akustik-Halle zur Verfügung. Seit dem Sommer probe das Orchester dort fast jeden Tag, erzählt Volke. Außerdem habe der Wolfenbütteler Musikverein Tonart Räume im Kulturzentrum Prinzenpalais zur Verfügung gestellt, die von Teilen des Orchesters für Proben genutzt werden.

    Musikalisch bietet die große Besetzung vielfältige Möglichkeiten. Es gibt drei Stimmen für den Leadgesang. Maksym Perekhozhuk übernimmt die rockigen Parts, Daria Sokolovska singt die Pop-Stücke, und Valeria Gospodynko kann als ausgebildete Opernsängerin sogar klassische Akzente setzen. Unterstützt wird der Gesang von einem vierstimmigen Chor. Eine Streichergruppe mit zwei Violinen, Viola und Cello, ein Fagott, eine Bläsergruppe aus Trompete, Saxophon und zwei Posaunen sowie eine Rockband mit Gitarre, E-Bass, Schlagzeug und Keyboard liefern im Zusammenspiel den komplexen Sound. Ein DJ steuert elektronische Klänge bei. Einige der Arrangements stammen aus der Feder der ukrainischen Musiker, andere kaufte das Orchester bei Spezialisten in Spanien.

    Freier Eintritt für ukrainische Besucher im Westand

    Ihre Konzertpremiere hatten TheOwnWay vergangenen Samstag in der Cuxhavener Kugelbake-Halle vor rund 500 Zuschauern. Der Auftritt im Westand soll auch ein Test für den nächsten Karriereschritt sein. Am 31. Dezember tritt das Orchester auf der großen Silvesterparty vor dem Stuttgarter Schloss auf. Dort erwartet der Veranstalter mehrere Tausend Besucher.

    Beim Konzert im Westand verspricht Volke für alle ukrainischen Gäste bei Vorlage des Ausweises freien Eintritt.