Braunschweig. Sebastian Harras ist Landesposaunenwart in Braunschweig. Was seine Arbeit und Posaunenchöre ausmacht, erzählt er bei einem Besuch.

Wenn Sebastian Harras Posaune spielt, erlebt er einen Moment des absoluten Glücks, sagt er. Vor sich hat der Leiter des Posaunenwerks Niedersachsen allerlei Prospekte und Notenhefte ausgebreitet. Er blättert und blättert begeistert – dabei scheint er weit und nicht in seinem Arbeitszimmer im Haus der Landeskirche Niedersachsen zu sein.

Mehr als 30 Jahre lang übte Sebastian Harrasbeinahe tagtäglich viele Stunden Posaune spielen, bis hin zur Perfektion. Alles begann in seiner Heimat am Bodensee im etwa 1000-Seelen-Dorf Meersburg – wo jeder jeden kannte. Mitunter von Langeweile getrieben entschied sich der damals Achtjährige, gemeinsam mit seinem Bruder, dem Posaunenchor des Nachbardorfs beizutreten. „Mich faszinierte der Klang, vor allem der Gruppe“, erinnert er sich. Als er dann zum ersten Mal die Profis spielen hörte, packte ihn der Kampfgeist. „Nach meinem Abitur studierte ich Musik.“ Dabei widmete sich Harras auch der Geschichte des so genannten ‚Widderhorns‘.

Posaunen wurden urspünglich aus Widderhorn hergestellt

Mit dem ‚Widderhorn‘ ist ein Schofar gemeint. Es ist ein uraltes Musikinstrument aus Widderhorn mit einem Hohlraum innen. In der Thora wird berichtet, es sei bei religiösen Anlässen gespielt worden. Auch im Christentum gabt es diesen Brauch. Jedoch ist in den meisten deutschen Bibelübersetzungen nicht vom Schofar die Rede oder von einem Widderhorn, sondern von Posaunen. Vor 500 Jahren übersetzte Martin Luther ‚Schofar‘ nämlich mit ‚Posaune‘ und manchmal auch mit ‚Trompete‘. Im 18. Jahrhundert bildeten sich in protestantischen Gebieten Deutschlands schließlich die ersten Posaunenchöre.

Die Posaune ist ein Blechblasinstrument und gehört wegen seines weitgehend zylindrischen Rohres zu den Trompeteninstrumenten. Durch das sogenannte Kesselmundstück erzeugt der Posaunist Töne, die durch das Heran- und Wegschiebens des Querstegs verändert werden. Blechblasinstrumente gelten als ‚mobile Orgeln‘, erklärt Sebastian Harras. „Regen konnte ihnen bei Gottesdiensten im Freien schließlich nichts anhaben.“

Landesposaunenwart in Braunschweig erklärt, worauf es beim Posaunespielen ankommt

Deutschlandweit gibt es Posaunenchöre, die Teil der Landeskirchen sind. Wer die Posaune erlernen möchte, kann das beim Posaunenwerk Braunschweig, das 1930 gegründet wurde, kostenlos tun. In der Braunschweiger Landeskirche gibt es rund 70 Posaunenchöre mit etwa 1000 Bläserinnen und Bläsern. Kinder können sich dort auch Instrumente leihen, so Harras. Das läuft über den Verein zur Förderung der Posaunenchorarbeit. Mitglied der Kirche müssen die Blechbläser für ihre Teilnahme nicht sein, außer die Mitarbeiter wie Sebastian Harras. Und was muss man mitbringen, um Posaune zu spielen?

„Um ein Instrument zu erlernen, brauchst du Durchhaltevermögen und Disziplin. Und trotzdem macht es Freude“, versichert der Posaunenwerksleiter. „Es hat etwas Meditatives, jede Bewegung zu wiederholen. Ob nun mit oder ohne Instrument in der Hand.“ Er zieht am Zug einer imaginären Posaune und fährt in der Luft die Hände bewegend fort: „Ähnlich wie beim Tennis, wo ein Aufschlag geübt wird, speichert mein Körper die Abläufe – bis ich sie komplett beherrsche. Und gehe ich vorbereitet in die Proben und erzeuge mit meinen Ensemblemitgliedern all diese Klänge, existiert nichts anderes als Musik.“

Sebastian Harras spielt selbst im Bläserkreis der Landeskirche

Zehn Jahre studierte Harras die Posaune an der Städtischen Musikhochschule in Mannheim. Bevor er nach zwei Jahren Halt in Stuttgart seine Stelle in Braunschweig antrat. „Meine Aufgabe ist es, Lehrgänge und Auftritte zu organisieren. Zudem bin ich Dirigent mehrerer Chöre.“ Er selbst spielt in einem festen Ensemble seines Bläserkreises – dem Posaunenchor der Landeskirche. Mitglieder sind unter anderem Bischof Christoph Meyns, Bildungsreferent Ronald Schrötke und Landesobmann Jens Paret. Wir begleiten sie zu einer ihrer Proben. Es klingt schon sehr weihnachtlich und fröhlich.

Sebastian Harras lebt seit 2021 in Braunschweig. Er ist verheiratet und Vater eines zweijährigen Kindes. Zwar spielt er nicht mehr jeden Tag sein geliebtes Instrument, aber: „Die Leidenschaft an die Kinder und Jugendliche weiterzugeben, zu sehen, wie sie sich gegenseitig motivieren und auf jener Wellenlänge miteinander sind wie ich damals am Bodensee, gibt meiner Arbeit Sinn.“ Indem er die Posaune spielen lernte, kann er nun auch den Kindern und Jugendlichen eine Lehre weitergeben, die ihn seither durch sein Leben trägt: Lernen zu scheitern. „Denn der Gewinn ist groß.“