Braunschweig. Die aktuelle Mitgliederausstellung kreist um Klima, Nahrung und Natur. Manche Aufnahmen überraschen, andere zeigen Kontraste der Umwelt.

Eigentlich wollte die Braunschweiger Fotografin Iris R. Selke ihr Archiv aufräumen. Fotografien aus 30 Jahren des Schaffens. Sie stopfte Aufnahmen über Aufnahmen, Erinnerungen über Erinnerungen in eine Tonne, drückte mit Faust und Fuß hinein - und stellte fest, dass sich bei der Draufsicht ein neues Motiv ergab: eine Rose, geformt aus Papier und vergangenen Momenten. „Loslassen und etwas Neues aus alten Dingen schaffen, das ist nachhaltig“, erklärt die Künstlerin.

Das Foto ihrer Recycling-Rose gehört zu den Arbeiten, die das Museum für Photographie in seiner aktuellen Mitglieder-Ausstellung zeigt. Rund 150 Mitglieder, Profi-Fotografen und ambitionierte Laien, waren aufgerufen, Fotografien zu dem Motto „Klima, Nahrung, Natur“ einzureichen. Eine Jury des Museumsvereins wählte rund 80 aus. Besucher stehen nun Aufnahmen natürlicher Schönheit sowie zerstörerischer Gewalt von Natur und Mensch, aber auch humoristischen Motiven gegenüber.

Foto einer Plazenta: Der Ursprung des Lebens

Gleich im ersten Raum stößt man auf die großformatige Fotografie eines pinken, beinahe leuchtenden Etwas, das durch ein Wasserbecken vor schwarzem Hintergrund schwebt. „Das ist eine Plazenta“, wirft Museumsleiterin Barbara Hofmann-Johnson bei einer Vorbesichtigung der Schau ein. Wer zuvor noch fragend dreinblickte, verzieht nun das Gesicht. Das Foto „Floating“ von Trevor Johnson zeigt die Plazenta in ihrer natürlichen Umgebung, dem Fruchtwasser. Es gehört zu einer Serie, die das Buch „Plazenta Power“ der Ärztin Sophia Johnson illustriert und soll den Ursprung des Lebens symbolisieren.

Manche Tiere verspeisen ihre Plazenta nach der Geburt. Bei dem Gedanken rumort es zwar in der Magengegend, dennoch leitet Johnsons Foto so zum Ausstellungsabschnitt Nahrung über. Dort findet man auch die Aufnahme zweier Glupschaugen, die aus einem Eierkarton auf den Betrachter herabstarren.

Fotoabteilung „Nahrung“: Willst du mich wirklich essen?

Wir essen oft schnell etwas zwischendurch und vergessen dabei, darüber nachzudenken, was eigentlich nicht selten zwischen die Zähne kommt: Tiere. Das will Helge H. Paulsen mit den Fotos seiner Serie „Living Food“ wohl aussagen. Jedenfalls taxieren die Augen aus dem Eierkarton, in den zwei Löcher hineingeschnitten wurden, den Betrachter ziemlich deutlich. Auch zwischen zwei Hamburgerbrötchenhälften samt Tomate und fleischigem Patty lugt ein Augenpaar hervor, so als wollte es sagen: „Willst du mich wirklich essen?“

Der Umgang mit Nahrung erhält in der Ausstellung Relevanz. Auf vielfältige Art und Weise, zum Beispiel durch die Nahaufnahme einer verdorbenen Zitrone in der Serie „Stillleben“ von Dorothea Rieck oder die Weite eines bestellten Kornfeldes beleuchten die Künstler Aspekte wie Verschwendung von Lebensmitteln und Nachhaltigkeit. Manch einer dürfte die Ausstellung nachdenklich wieder verlassen. Auch, weil im zweiten der beiden Museumsgebäude deutlich wird, wie sehr sich die durch Menschen berührte von der unberührten Natur unterscheidet.

Eingriff des Menschen in die Natur hinterlässt Spuren

Ein Schwanenpaar zieht seine Kreise im Wasser, und beinahe meint der Betrachter, den in Nahaufnahme eingefangenen Vogel zwitschern hören zu können. Neben dieser Fotografien gibt es ein paar weitere beruhigend wirkende Naturbilder. Umso härter wirkt der Kontrast zu Aufnahmen von heruntergekommenen Industrieanlagen und verschmutzten Stränden. Wo Menschen in die Natur eingreifen und ihre Spuren hinterlassen, bleiben oft Müll und leblose Landschaften zurück.

Besonders Fotos mit regionalen Bezügen bleiben im Gedächtnis. So stellt der Fotograf Karl-Stephane Rossignol drei Perspektiven des Harzes nebeneinander. Auf einem lässt ein malerischer Sonnenuntergang über dem Goethe-Weg die vielen abgestorbenen Bäume fast vergessen. Ein anderes Bild fängt packend das apokalyptische Szenario nach dem Brockenbrand von 2022 ein. Stark auch die dramatischen Schwarz-Weiß-Kontraste in der Aufnahme eines einzigen gesunden Baumes inmitten vieler schneebestäubter toter Fichten. Ein paar Schritte weiter kehren Erinnerungen an den Starkregen des letzten Sommers in Braunschweig zurück. So kontrovers und fordernd manche Aufnahmen auch sind, macht es doch Freude zu beobachten, wie facettenreich viele Fotografinnen und Fotografen das anspruchsvolle Thema der Ausstellung umgesetzt haben.

Bis Sonntag, 28. Januar, Di.–Fr. 13–18, Sa./So. 11–18 Uhr. Samstag, 16. Dezember, 15 Uhr: Rundgang mit beteiligten Fotografen.