Braunschweig. Studierende und Lehrende der Kunsthochschule blicken hinter „den Schleier zum Jenseits“. Was kommt dort zum Vorschein?

„Es gibt nur zwei Themen in der Kunst: die Liebe und den Tod, alles andere ist Mumpitz“, wetterte weiland Marcel Reich-Ranicki, in einer Sendung des Literarischen Quartetts. Dieses Statement ist natürlich selber Mumpitz, denn es gibt noch jede Menge anderer Themen, die großartige Kunst hervorgebracht haben. Aber: Der Tod, dieser geheimnisvolle Abschied vom Leben, ist und bleibt doch immer wieder ein großes Faszinosum.

Damit haben sich nun junge Künstlerinnen und Künstler aus den Studiengängen Freie Kunst, Kunstpädagogik, Transformation Design, Malerei und Visuelle Kommunikation an der HBK Braunschweig auseinandergesetzt. Sie zeigen ihre Werke in einer Ausstellung mit dem Titel „beyond the veil“, jenseits des Schleiers. Der Schleier ist ein altes Symbol für das, was das Leben vom Jenseits trennt, für das Geheimnis, das sich im Augenblick des Todes offenbare. Für Barbara Haßmann, die die Ausstellung im Rahmen ihrer Masterarbeit im Studiengang Transformation Design kuratiert hat, steht der Schleier jedoch für das Tabu, mit dem Sterben, Tod und Trauer in unserer Gesellschaft noch immer belegt sind.

Unsterbliche Überreste: Marieke Burghardt zeigt ein Ensemble bunter Wachsplastiken, Abformungen von Metallimplantaten, die nach einer Kremation in der Asche zurückbleiben können.
Unsterbliche Überreste: Marieke Burghardt zeigt ein Ensemble bunter Wachsplastiken, Abformungen von Metallimplantaten, die nach einer Kremation in der Asche zurückbleiben können. © Regine Nahrwold | regine nahrwold

Was an unsterblichen Überresten zurückbleibt

Man könnte nun meinen, eine künstlerische Beschäftigung mit dem Thema Tod sei eine ernste, betrübliche Angelegenheit. Doch weit gefehlt, es bieten sich vielfältige farbige und sehr ansprechende Arbeiten. Zwar zeigt Silke Rokitta, die vor ihrem Kunststudium eine Ausbildung zur Friedhofsgärtnerin absolvierte, drei große Schwarzweiß-Fotografien von alten Särgen in halb verfallenen Gemäuern. Doch gleich davor liegt eine Skulptur aus pinkfarbenem Glitzerstoff von Lerik Romaschenko auf dem Boden. Auch eine buntschillernde Echse aus Stoff hat Romaschenko geschaffen, Titel „Eat me alive, I want to die to survive“. Sterben, um zu überleben, Tod als Verwandlung...

Farbenprächtig sind auch die C-Prints von Anna Miethe, die als gelernte tiermedizinische Fachangestellte Fotos mit toten Tieren und entnommenen Organen inszeniert. Ganz und gar diesseitig wirkt ein Video, das die Künstlerin Djubiray zeigt, wie sie mit einer gritzegrünen und einer knallroten Bürste energisch den Grabstein ihres Vaters schrubbt – auch eine Form des Totengedenkens. Marieke Burghardt hat ein Ensemble bunter Wachsplastiken ausgelegt, Abformungen von Metallimplantaten, die nach einer Kremation in der Asche zurückbleiben können.

Gila Epshtein, die in diesem Jahr den Verlust ihres Vaters erleben musste, hat das Gemälde eines „Flammenbaums“ geschaffen, in dem das Thema der Transformation durch den Tod wie in einem Gleichnis anklingt.
Gila Epshtein, die in diesem Jahr den Verlust ihres Vaters erleben musste, hat das Gemälde eines „Flammenbaums“ geschaffen, in dem das Thema der Transformation durch den Tod wie in einem Gleichnis anklingt. © Regine Nahrwold | regine nahrwold

Junge Frau im Gipskokon

Marie Therese Bode hat ein Buch, einen Trauer-Ratgeber, herausgegeben, darin heißt es: „Trauer ist keine Krankheit, die geheilt werden muss. Schmerz ist weder ein Problem noch etwas Schlimmes – es ist eine Form der Liebe.“ Gabriel Anastasescus Arbeiten sind die einzigen, die einen Bezug zur christlichen Religion aufweisen: In eine asiatisch anmutende Klangskulptur hat er ein Schlagbrett integriert, das in orthodoxen Kirchen Verwendung findet; eine Skulptur von ihm bildet die rumänische orthodoxe Kirche in Tismana nach.

Das alles ist interessant, manches sogar vergnüglich anzuschauen. Wirklich bewegend sind jedoch die Exponate von Gila Epshtein und Romina Herrera. Letztere widmet sich in ihren sensiblen Arbeiten der Vergänglichkeit und Fragilität des Lebens; ein sehr anrührendes Foto zeigt eine schlafende junge Frau, die ganz und gar in einen Gips-Kokon eingehüllt ist, nur das zarte Gesicht schaut halb heraus. Epshtein, die in diesem Jahr den Verlust ihres Vaters erleben musste, hat ein wunderbares Gemälde ganz in Rottönen geschaffen, einen „Flammenbaum“, in dem das Thema der Transformation durch den Tod wie in einem Gleichnis anklingt.