Braunschweig. Der bekannte Solo-Flötist Emmanuel Pahud von den Berliner Philharmonikern gastiert am Reformationstag mit Mozarts Flötenkonzert im Staatstheater.

Mit Emmanuel Pahud kommt am Reformationstag einer der bekanntesten Solo-Flötisten zu den Meisterkonzerten ins Braunschweiger Staatstheater. Der Genfer hat noch bei dem legendären Aurèle Nicolet in Paris studiert und wurde mit 22 Jahren als damals jüngstes Mitglied Solo-Flötist der Berliner Philharmoniker unter Claudio Abbado. Das ist er auch jetzt noch, hat gleichzeitig eine erfolgreiche Solo-Karriere gestartet und kommt nun mit der Kammerakademie Potsdam unter Antonello Manacorda nach Braunschweig. Unser Telefongespräch führt er in tadellosem Deutsch, die angebotene Konversation auf Französisch schlug er aus: „Französisch nutze ich nur noch fürs Private.“

Sie haben eben noch mit den Berliner Philharmonikern geprobt. Wie gelingt der Wechsel zum Solo-Programm?

Auch bei den Philharmonikern stand Mozart auf dem Programm, insofern passt das alles gerade. Dort spielen wir Mozart-Sinfonien, auf der Tournee spiele ich Mozarts 1. Flötenkonzert. Und nebenbei mische und schneide ich meine neue CD mit Mozarts Flöten-Sonaten.

Die Welt ist ja gerade von Kriegen und Unheil geprägt. Wie schalten sie da um auf Mozarts freundliche Töne?

Die Noten sind ja vorgegeben. Ich empfinde seine Musik nicht als Flucht, aber schon als Parallelwelt, eine Alternative, wo Menschen friedlich kommunizieren. Er schreibt ja auch seine Konzerte eigentlich immer wie Opern, die Instrumente sind eingesetzt wie Singstimmen, die sich in einem Dialog befinden. Und im Finale kommen alle zusammen wie ein großer Chor, wo sich alle einig sind.

Vielleicht sollte man die Politiker, die Völker in Kriege treiben, zwingen, zusammen in einem Orchester zu spielen...

Da bräuchte man aber eine gute Partitur und einen tollen Dirigenten.

Was fasziniert Sie an Ihrem Instrument?

Die Flöte verbindet in den meisten Stücken den Menschen mit dem Spirituellen, mit der Seele. Wenn sie erklingt, sind es meist nicht die tragischsten Momenten, sondern solche, in denen man leichter ans Leben herangeht, Freude empfindet.

Emmanuel Pahud hat mit fünf Jahren die Flöte für sich entdeckt, als er zu der Flötenmusik aus dem Nachbarhaus tanzte.
Emmanuel Pahud hat mit fünf Jahren die Flöte für sich entdeckt, als er zu der Flötenmusik aus dem Nachbarhaus tanzte. © Braunschweig | Josef Fischnaller

Wie kamen Sie darauf, Flöte zu spielen?

Als Kind habe ich sie zum ersten Mal gehört, sie klang herüber aus dem Nachbarhaus. Da war ich fünf Jahre alt und begann gleich, mitzusingen und mitzutanzen. Der da gespielt hat, wurde mein erster Flötenlehrer. Das war noch auf der Blockflöte, zum Notenlernen, Fingersatz, Atmen. Aber schon mit sechs stieg ich auf die Querflöte um. Mit 15 habe ich dann den Wettbewerb in Belgien gewonnen, und Teil des Preises war es, dass ich mit dem Orchester im Großen Saal in Brüssel auftreten durfte: Es war das Flötenkonzert, das ich 25 Jahre später mit Abbado aufgenommen habe und das ich jetzt in Braunschweig spiele. Es ist also ein treuer Begleiter durch mein Musikerleben.

Ist es ein Jungmacher, bei dem sie sich wieder fühlen wie als Jugendlicher, oder entdecken Sie inzwischen andere Facetten in dem Werk?

Ich fühle mich noch wie mit 18 (lacht). Also, ich spiele das Werk ja nicht ständig, sondern lasse es auch einige Jahre liegen, in denen ich zum Beispiel viel zeitgenössische Musik spiele, danach befrage ich es wieder neu. Als Mozart das Werk schrieb, war es ja mal ganz neu, und so möchte ich es heute auch wieder zeigen: es schützen, schätzen, anwenden, dass es im Moment des Konzerts wieder neu ist. Die Kammerakademie Potsdam und ich kennen uns gut, wir kämpfen zusammen darum, das Beste aus dem Moment herauszuholen. Es gibt da also bei mir keine Nostalgie an schöne Jugendzeiten, sondern wir wollen zusammen das Werk neu entdecken, neue Details und Zusammenhänge erkennen und es so lebendig halten.

Was haben Sie für die aktuelle Tournee neu entdeckt?

Zum Beispiel im langsamen Satz dieses Zusammenspiel der drei Flöten, das habe ich früher solistischer aufgefasst, die zwei Kollegen eher begleitend gesehen. Aber jetzt feiere ich diesen Dreiklang wie die Dreifaltigkeit, denn das gibt es sonst bei Mozart nicht, normalerweise sind die Flöten nur zweifach besetzt. Dieses harmonische Gespräch war mir bislang nicht so aufgefallen.

Als Solist tragen Sie wesentlich die Interpretation des Stücks. Wie einigen Sie sich mit dem Dirigenten auf eine Lesart?

Man kann das in einer Viertelstunde besprechen, die Schlüsselmomente festlegen. Aber das meiste ergibt sich erst bei den Proben. Da muss man dann entscheiden, welche Stimmen nach vorne kommen sollen. Bei Mozart gibt es auch in den Mittelstimmen viel Aktivität, in den Bratschen zum Beispiel. Wenn ich hohe Töne zu spielen habe, ist da richtig was los. Wenn wir uns in der Lesart einig sind, müssen wir die aber auch noch auf den jeweiligen Saal abstimmen. Wir spielen das Flötenkonzert in der Elbphilharmonie, in der Berliner Philharmonie, in München und Braunschweig.

Wie fühlt es sich an, nach der Solo-Tournee wieder im Orchester zu sitzen?

Ich bin diesen Wechsel zwischen Solist, Kammermusik und Orchesterdienst gewohnt, seit ich 19 bin. Es ist meine Reise durch die Musikwelt, auf der ich viele Facetten erleben kann. Die Solokonzerte sind meist aus Barock und Klassik, in der Romantik waren neue Instrumente interessanter, diese Epoche erlebe ich mehr aus der Orchesterperspektive. Trotzdem gibt es auch da Soloeinsätze. Manchmal sticht man da richtig raus, manchmal verschmilzt man im Gesamtklang oder bietet den Teppich für andere. Wichtig ist doch, was der Komponist gewünscht hat und wie man dazu beitragen kann, dass das heute wirkt.

In der zeitgenössischen Musik wird wieder viel für Flöte komponiert.

Ja, heute ist die Flöte wieder sehr beliebt, weil man mit ihr viel experimentieren kann: Überblasen, Beklopfen, ich baue solche Stücke gern in meine Programm ein, aber nicht alle Veranstalter mögen das.

Im Braunschweiger Meisterkonzert am 31. Oktober, 18 Uhr, erklingen Mendelssohns „Sommernachtstraum“-Ouvertüre, Beethovens 7. Sinfonie und Mozarts 1. Flötenkonzert.
Karten unter www.konzertkasse.de