Braunschweig. Die neue Staatstheater-Tänzerin Noriko Nishidate erzählt vor der Orff-Premiere, warum sie gern in „Carmina Burana“ tanzt und fotografiert.

Auf ihren Fotos gibt es viele lächelnde Gesichter. Die Tänzerinnen und Tänzer heben und umarmen sich, sind voll in Aktion mit den Beinen um den Hals des Partners geschlungen oder allein im freien Grätschsprung. Aber es gibt auch die aufmunternde Umarmung am Rande der Proben, Tanzdirektor Gregor Zöllig, der mit Finger vorm Mund und aufgeregt blinzelnden Augen gerade eine Idee zu haben scheint, relaxtes Ausgestrecktsein auf dem Boden.

Noriko Nishidate hat die Probenarbeit des Braunschweiger Tanzensembles mit der Kamera begleitet. Immer mal so zwischendurch, wenn sie selbst gerade nicht dran war. Denn sie ist als Tänzerin gerade neu ins Ensemble gekommen. Ihr erster Auftritt wird in der spartenübergreifenden Großproduktion von Carl Orffs „Carmina Burana“ sein, an der neben dem Tanzensemble auch Staatstheater-Chor, -Extrachor- und -Kinderchor, Gesangssolisten, Staatsorchester und der Domchor mitwirken werden, 180 Personen pro Vorstellung!

Tänzerinnen und Tänzer bringen eigene Bewegungen ein

„Zu dieser Musik zu tanzen, war immer ein Traum von mir. Diese große dramatische Wucht ist etwas, was ich sehr mag“, sagt Nishidate bei unserem Treffen nach der Bühnenprobe. Gregor Zöllig hat sie in Bielefeld kennengelernt, als der dort in der vergangenen Saison seine Choreographie von Schuberts „Winterreise“, die auch schon in Braunschweig zu sehen war, einstudierte.

Zu diesem Lieder-Zyklus hatte sie nicht gleich so den Zugang, sehr dunkel und tiefsinnig schien er ihr, aber nicht unbedingt anregend zum Tanzen. „Aber ich mag es, wie Gregor ein Thema angeht, so wurde es eine schöne Zusammenarbeit. Gerade jetzt bei den Orff-Proben fand ich es gut, wie er uns Tanzende an der Kreation beteiligt. Er hat uns allen zu den einzelnen Abschnitten Aufgaben gegeben, zu denen wir eigene Bewegungen vorschlagen konnten. Er hat dann einen ganz guten Blick dafür, wer bei welchem Thema am spannendsten ist. So haben wir auch alle irgendwo unsere kleinen Solos.“

Staatstheater Braunschweig: Proben für „Carmina Burana“

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    Die private Liebe blieb in Bielefeld

    In ihrem soll es ums Durchhalten gehen, darum, seinen Weg fortzusetzen, auch wenn’s schwierig wird. „Wenn dann alle Kolleginnen und Kollegen um mich sind und mich nach oben wirbeln, dann fühle ich, dass ich hier richtig bin, dass es das ist, was ich machen will“, erzählt sie. Und dazu gehörte eben auch der Wechsel von ihrem Bielefelder Erstengagement nach Braunschweig, obwohl die Liebe in Bielefeld blieb. „Da muss man eben Lösungen finden. Wir Tanzenden sind immer unterwegs, die Karriere ist kurz. Vielleicht ist so alles intensiver.“

    Am Ende des Abends, wenn der große Eingangschor „O Fortuna“ nochmal wiederholt wird, der das Glücksrad beschwört, auf dem man mal oben und mal unten ist, hat sie immer das Gefühl, jetzt müsste es erst anfangen. Sie würde alles am liebsten gleich nochmal tanzen, „aber nicht am selben Abend, körperlich ist man völlig k.o. nach so einer gut einstündigen Vorstellung, wo wir immer alle in Bewegung sind. Aber mental habe ich dieses Gefühl von Aufbruch, das versuche ich dann bis zur nächsten Vorstellung zu retten.“ Und darum gehe es ja auch in dem Stück, um vielfältigste Liebe, Traditionen, den Wunsch, weiterzumachen, das Auf und Ab im Leben, das sie als Tänzerin nur zu gut kenne.

    Schon mit drei auf dem Tisch getanzt

    Dabei hat die Japanerin schon mit drei Jahren zu tanzen begonnen. „Ich habe so lange auf dem Tisch getanzt, bis mich die Großmutter zum Ballettunterricht brachte. Aber was mich dann eigentlich faszinierte, war das Musical, wo man spielen, singen und tanzen musste.“ Dadurch kam sie zum Jazz-, Step- und Contemporary-Unterricht.

    „Mit 17 bin ich allein nach New York geflogen, weil ich die großen Musical-Shows sehen wollte. Aber dann haben die mich gar nicht so begeistert, alles war so oberflächlich. Doch ich habe dort ein paar Contemporary-Workshops mitgemacht und gemerkt, dass ich da viel besser ausdrücken kann, was mir wichtig ist.“ Nach ihrer Rückkehr nach Tokyo begann sie also die Ausbildung im zeitgenössischen Tanz und vervollkommnete sie dann in Europa.

    Fotografieren hinter den Kulissen des Theaters

    Die Leidenschaft fürs Fotografieren ist jünger. „Ich hatte mir kurz vor Corona eine klassische Kamera gekauft, und während der Pandemie, als wir dann unter Beschränkungen wieder in den Ballettsaal durften, habe ich begonnen, die Kolleginnen und Kollegen backstage zu fotografieren, bei Proben, Umbauten, in der Maske. Ich habe die Bilder – natürlich nach Rücksprache – auf meinen Accounts gepostet, die Rückmeldung war gut, dann kamen sie auch auf die Theaterwebsite“, erzählt die 35-Jährige.

    Sie wollte auch all jene zeigen, die hinter den Kulissen für die Vorstellungen sorgen. Und es müssen immer Menschen drauf sein, Landschaftsfotografie interessiere sie nicht. „Sie zeigen mir ihr Gesicht sehr offen, ich spüre, dass sie mir vertrauen“, sagt Nishidate.

    Und das sieht man auch in der kleinen Fotoausstellung, die nun im 2.-Rang-Foyer des Großen Hauses zu sehen ist. Premiere für die Tänzerin ist am 4. November in „Carmina Burana“.

    Karten: (0531) 1234567 und www.konzertkasse.de